Der Austausch eines Turboladers gehört zu den Standardarbeiten in der Nutzfahrzeug-Werkstatt. Allerdings gilt es einiges zu beachten. Andernfalls droht auch dem neun Lader ein baldiger Ausfall. Bild: Febi
Antrieb (Motor/Getriebe)

Turboladerschäden: Der Teufel steckt im Detail

Fällt ein Turbolader aus, liegt dies in den seltensten Fällen am Lader selbst. Häufig ist die Ursache in der Peripherie zu suchen, sodass ein bloßer Tausch das Problem nicht löst. Allerdings kann das Schadensbild dem Nfz-Profi verraten, woran es gelegen hat. Doch längst nicht jede Ursache offenbart sich auf den ersten Blick. Den Erfahrungen der Garantieabteilungen der einschlägigen Turbolader-Lieferanten zufolge gilt: „Wer die Basics ignoriert, riskiert, dass der neue Lader schnell wieder ausfällt!“

Fremdkörper

Durch weiche Schmutzpartikel, welche über einen defekten Ansaugschnorchel in den Luftfilter gelangten, wurden die Lufteintrittskanten des Verdichterrads im äußeren Bereich regelrecht ‚rundgestrahlt‘. Der Werkstattkunde bemängelte einen mit der Zeit zunehmenden Leistungsverlust. Bild: BeTurbo

Wenngleich ein Turbolader generell auf die Motorlebensdauer ausgelegt ist, kann es zu frühzeitigen Ausfällen kommen. Etwa, wenn Fremdkörper in das Ladeluftsystem gelangen. Typisch sind angesaugte Partikel aufgrund eines schadhaften Luftfilters oder Metallteilchen aus der Motormechanik aufgrund von Verschleiß. Auch aus dem Abgastrakt in den Motor zurückgesaugte Bruchstücke eines geplatzten Diesel-Oxid-Kats oder Dieselpartikelfilters kommen als Ursache für einen Defekt des Turboladers in Frage. Kleinteile wie Schrauben oder Muttern, die bei Reparaturen im Umfeld des Turbos unbemerkt ins Ladeluftsystem oder Ladergehäuse gelangt sind, können ebenfalls ursächlich sein.

Folgeschäden

Prallt ein Fremdkörper auf die Schaufeln des Turbinen- oder Verdichterrads, kann aufgrund der großen Wucht sogar ein Stück ausbrechen. Dies kann zu einer Unwucht des Laufzeugs führen, woraufhin die Lagerstellen ausschlagen. Immerhin kann ein Lkw-Turbolader, je nach Motor eine Drehzahl von 90.000–140.000 U/min erreichen. Die Taumelbewegung drückt das schmierende Motoröl aus den Lagerstellen, sodass sich Welle und Lager ohne Schmierung berühren, was einen starken Verschleiß bis hin zum kurzzeitigen Fressen zur Folge hat. Im weiteren Betrieb vergrößert sich das Laufspiel innerhalb kürzester Zeit extrem, sodass Turbinen- und Verdichterrad am Ladergehäuse streifen. Beides verursacht einen mehr oder weniger starken metallischen Abrieb, der in das Ansaug- und Abgassystem, aber auch ins Motoröl gelangen kann und hier wie dort äußerst zerstörerisch wirkt. Gelangen zudem abrasive Metallpartikel über den Ladeluftkühler in den Motor, droht im Extremfall ein kapitaler Motorschaden. Sammelt sich überdies herausgerissenes Lagermetall aus der Rumpfgruppe im Motoröl, kann dies ebenfalls Folgeschäden verursachen, allen voran einen neuerlichen Turboladerschaden. Letzterer muss nicht sofort auftreten, was eine spätere Schadensermittlung erschwert. Für eine fremde Werkstatt, die die Vorgeschichte nicht kennt, ein Problem.

Gewissenhafte Prüfung und Reinigen

Durch weiche Schmutzpartikel, welche über einen defekten Ansaugschnorchel in den Luftfilter gelangten, wurden die Lufteintrittskanten des Verdichterrads im äußeren Bereich regelrecht ‚rundgestrahlt‘. Der Werkstattkunde bemängelte einen mit der Zeit zunehmenden Leistungsverlust. Bild: BeTurbo

Bei einem Fremdkörperschaden sollte der Nutzfahrzeugprofi sämtliche Komponenten des Ladeluftsystems gewissenhaft auf Verunreinigungen prüfen und sie – wo technisch sinnvoll – auch reinigen. Doch Achtung: Moderne Ladeluftkühler besitzen Luftkanäle mit sogenannten Turbulenzeinlagen, weshalb sich eingedrungene Partikeln nicht mehr vollständig entfernen lassen. Ein solcher Ladeluftkühler ist in jedem Fall zu ersetzen, um Folgeschäden zu vermeiden. Zu einem fachgerechten Turbolader-Tausch gehört auch ein gründliches Säubern des Luftfilterkastens, wobei ein neues Luftfilterelement obligatorisch ist. Und um zu verhindern, dass gelöste Metallspäne im Motoröl zu Spätschäden führen, müssen auch das Motoröl und der Filter gewechselt werden.

Lader-Tod durch Atemnot

Ein zentraler Punkt bei der Fehlersuche ist die einwandfreie Luftversorgung des Turboladers, wobei ein neuer Luftfilter das Problem oftmals nicht löst. Insbesondere Fahrzeuge, welche überwiegend auf Baustellen und im land- und forstwirtschaftlichen Umfeld unterwegs sind, bedürfen erhöhter Aufmerksamkeit. Bei Ladedruckproblemen oder bei auf den ersten Blick nicht plausiblen Turboladerschäden sollte man deshalb die komplette Luftstrecke untersuchen: vom Eintritt der Ansaugluft über den Luftfilter und den Ladeluftkühler bis hin zum Eintritt in den Turbolader. Wichtig ist, dass serienmäßige Siebe und Gitter vorhanden und sauber sind. Sie verhindern, dass größere Fremdkörper in den Verdichterbereich des Turboladers eindringen können. Ein zugegebenermaßen skurriler Fall aus der Praxis bestätigt auch exotische Fehlerquellen. So hat ein Lkw-Fahrer während der Fahrt immer wieder seine Zigarettenkippen über das offene Seitenfenster entsorgt. Über ein unbemerktes Loch im Überdach-Luftansaugsystem konnten sie bis ins Luftfiltergehäuse gelangen und verursachten dort eine Verstopfung. Für den Turbolader hatte dies fatale Folgen: Aufgrund des Fremdkörpereintrags war das Verdichterrad wie sandgestrahlt und außen an den Lufteintrittskanten rund abgetragen. Letztendlich der Hauptgrund für die vom Fahrer bemängelte Leistungsschwäche, aufgrund eines zu geringen Ladedrucks.

Alarmzeichen Ölaustritt

Vorsicht! Ist die Verdichterseite sichtlich verölt – und befindet sich starker Ölnebel in der Verschlauchung zum Ladeluftkühler – sollte man den Ladeluftkühler genau inspizieren. Kommt es zu einem unkontrollierten ‚Ölreißer‘, lässt sich ein kapitaler Motortotalschaden kaum verhindern. Bild: Motair

Schadhafte Turbolader weisen oftmals einen deutlichen Ölaustritt auf. Eine typische Ursache ist das gestörte Druckverhältnis zwischen Kurbelgehäusedruck und angesaugter Luftmasse. Ist der Kurbelgehäusedruck aufgrund einer verstopften oder defekten Kurbelgehäuseentlüftung zu hoch, verschiebt sich das Laufzeug und an den Dichtringen vorbei kann Öl austreten. Prüfen lässt sich der Kurbelgehäusedruck mit einer einfachen Schlauchwaage. Ein Ende wird zum Prüfen des Kurbelgehäusedrucks mit der Öffnung des Ölpeilstabs verbunden, das andere führt ins Freie. Ein leichter Überdruck im Leerlauf ist normal, allerdings sollten die Werte von +5 mbar Überdruck und -5 mbar Unterdruck nicht überschritten werden.

Ölspuren am Turbolader sind zwar grundsätzlich ein Alarmzeichen, aber nicht in jedem Fall ein sicherer Hinweis auf einen tatsächlichen Laderschaden. Besonders anfällig für eine Fehldiagnose ‚Turbolader undicht‘ sind liegend eingebaute Motoren. Sie kommen in Bussen und Sonderfahrzeugen vor. Bei den Motoren ist der Ölrücklauf aus dem Turbo nahezu waagrecht angelegt, wodurch das Öl aus den Lader-Lagern nur sehr langsam in die Ölwanne zurückläuft. Dadurch wirken sich selbst kleinste Unregelmäßigkeiten gravierender aus als bei herkömmlichen Motoren. Zudem erfolgt der Ölrücklauf im Gegensatz zum Zulauf drucklos, was eine Fehldiagnose begünstigt.

Bei Ölspuren am Lader kommt in einigen Fällen auch ein verstopfter Dieselpartikelfilter (DPF) in Betracht. Vor allem bei Fahrzeugen, die überwiegend im Stop-und-Go-Verkehr oder niedertourig auf Langstrecken unterwegs sind, erreichen die Abgase kaum die zur Filterregeneration erforderlichen Temperaturen und der Filter setzt sich rasch mit Ruß zu. Zudem steigt bei hohen Laufleistungen die Aschebeladung des DPF infolge des Rußabbrands zwangsläufig. Verstopfen die feinen Kapillaren mit der Zeit, erhöht sich der Abgasgegendruck. Steigt der Druck hinter dem Turbinenrad, wird die Turboladerwelle axial in Richtung Verdichterseite geschoben, wodurch schließlich am Lager des Verdichterrads Öl austreten kann. Feststellen lässt sich ein verstopfter DPF, indem man mit einem Druckmanometer den Abgasdruck vor und nach dem Filterelement ermittelt. Überschreitet der Druckunterschied den vom Hersteller angegebenen Wert, ist der DPF verstopft.

Fatale Folgeschäden

Ein ölender Turbolader kann fatale Folgeschäden hervorrufen. Speziell wenn die Verschlauchung auf der Verdichterseite zum Ladeluftkühler betroffen ist, sollte der Werkstattfachmann den Ladeluftkühler auf bereits angesammeltes Öl kontrollieren. Befindet sich bereits eine größere Ölmenge im Kühler, kann der Motor das Öl plötzlich ansaugen und ‚durchgehen‘. Überdreht der Motor, kann dies zu einem mechanischen Totalschaden führen. Das Fatale: selbst wenn es noch gelingt, die Zündung abzustellen, lässt sich das unkontrollierte Hochdrehen oftmals nicht mehr abwenden. Um dies zu verhindern, sollte man im Zweifelsfall den betroffenen Ladeluftkühler ersetzen.

Spezialfall VGT-Lader von Holset

Verzwickter Fehler: Die Regelstange der Druckdose (rechts) bei einem Holset-Lader (VGT) betätigt den Verstellhebel, der den Düsenspalt verändert. Der Schmiernippel am Drehpunkt (links) benötigt regelmäßig hochwarmfestes Fett. Ansonsten kann es einen nur schwer diagnostizierbaren Fehler geben. Bild: Motair

Bei modernen Turboladern lässt sich der Ladedruck über einen breiten Lastbereich durch verstellbare Leitschaufeln regeln. Das VTG-Regelsystem (VTG = Variable Turbinengeometrie) begünstigt das Ansprechverhalten des Turbomotors bei niedrigen Drehzahlen, indem es das ‚Turboloch‘ quasi eliminiert. Bei der VTG-Technik sind die Leitschaufeln der Turbine schwenkbar, um den gewünschten Düseneffekt zu erzielen.

Der englische Turbolader-Spezialist Holset hingegen geht mit der sogenannten VGT-Lösung (Variable Geometrie Technologie) einen anderen Weg. Die Besonderheit ist, dass es keine schwenkbaren Leitschaufeln gibt, sondern sich ein Düsenring axial in den Abgasstrom schiebt, um den gewünschten Venturi-Effekt zu erzielen. Das Verschieben erfolgt über eine Druckdose und eine Regelstange, die einen Verstellhebel bewegt, welcher den Düsenspalt verändert. Am Verstellhebel befindet sich ein Schmiernippel, den man laut Wartungsanweisung des Herstellers regelmäßig mit hochwarmfestem Schmierfett abschmieren sollte. Dies wird leider in der Praxis oft vergessen. Die Verstellung wird mit der Zeit schwergängig und kann sogar festfressen, was zu einem Leistungsmangel führen kann, der auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar ist. Verbaut sind die VGT-Lader von Holset unter anderem bei Iveco in diversen Cursor-Motoren der Modelle Stralis und Trakker.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4-2023 der Krafthand-Truck.