Batteriesystem inklusive Thermomanagement am Beispiel eines Lkw. Die Anordnung der Batteriepacks ist variabel. Bilder: Webasto
Im Gespräch mit Robert Gantner, Director Businnes Development Battery-Systems, Webasto

Strom-Speicher – Batterietechnik für Nutzfahrzeuge

Der Automobilzulieferer Webasto mit Hauptsitz im bayerischen Stockdorf ist für seine Dach-/Heiz- und Kühlsysteme bekannt. Doch längst investiert das global aufgestellte Unternehmen in neue Technologien, um den Transformationsprozess hin zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs aktiv mit zu gestalten. Dazu gehören mit dem Unternehmensbereich Batteriesysteme auch Batteriemodule für elektrische Nutzfahrzeuge. Robert Gantner ist Director Businnes Development Battery-Systems und hat uns Auskunft über den aktuellen Stand der Entwicklung gegeben.

Herr Gantner, welche Lösungen präsentiert Webasto auf der IAA Transportation im September?

Die CV NextGen-Battery für Nutzfahrzeuge soll mehr Energie liefern.

Erstmals wird unsere Standard-Batterie für Nutzfahrzeuge auf der Messe zu sehen sein. Mit ihrer robusten Bauweise eignet sie sich ideal für den Einsatz in Lkw, Bussen und Baumaschinen. Die Dieselfahrzeuge haben in der Regel einen sehr hohen Kraftstoffverbrauch, weshalb auch im Bereich Baumaschinen künftig vermehrt batterieelektrische Fahrzeuge zum Einsatz kommen werden. Webasto hat sich zuletzt unter anderem mit dem niederländischen Start-up E.C.E. zusammengetan und erste Bagger für den elektrischen Betrieb umgerüstet. Neben dem aktuellen Batterie-Modell zeigt Webasto auf der IAA Transportation (Halle 12, Stand B21) zudem den Nachfolger: Die NextGen-Battery baut die Vorteile der ersten Generation weiter aus und liefert deutlich mehr Energie im gleichen Bauraum. Sie ist voraussichtlich ab 2024 verfügbar.

Was steckt hinter der Vehicle Interface Box (VIB), dem Vehicle Interface Gateway (VIG)?

Als Schnittstelle zwischen Standardbatteriesystem und Fahrzeug bietet Webasto neben der Vehicle Interface Box (VIB), die unter anderem die elektrische Verschaltung von bis zu 10 Batteriesystemen übernimmt, seit Juni auch das Vehicle Interface Gateway (VIG) an. Damit lassen sich in einem 400-Volt-System bis zu neun und einem 800-Volt-System bis zu 18 Akkupakete mit einer Gesamtkapazität von bis zu 630 kWh ansteuern. Dank seiner kompakten Bauweise ist es auch für Fahrzeuge mit kleinerem Bauraum geeignet. Unsere Kunden sollen ihr Batteriesystem möglichst flexibel gestalten können. Das VIG bietet gerade im Hinblick auf Platz und Leistung noch mehr Möglichkeiten, die jeweiligen Anforderungen zu bedienen.

Wie realisieren Sie die Kühlung/Heizung der Batteriepacks?

Das Webasto eBTM 2.0 ist eine eigenständige Thermomanagementeinheit für Antriebsbatterien. Sie gewährleistet die optimale Funktionsfähigkeit wassergekühlter Batteriepacks von elektrischen Nutzfahrzeugen und sorgt für die langfristige Bestleistung der Batteriezellen. Die Temperatur wird je nach Umgebungsbedingungen dynamisch angepasst. Per Vorkonditionierung wird während der Ladephasen oder vor dem Betrieb die optimale Temperatur für die Batteriezellen erzeugt. Das Thermomanagement ist entscheidend für die Lebensdauer und Funktionalität der Batterie. Webasto bietet hier sowohl Standardlösungen als auch kundenspezifische Entwicklungen für OEM-Projekte an.

Innenleben eines Webasto- Battery-Packs.

Übernimmt Webasto auch das Recyclen der Batterien?

Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen nimmt Webasto die Batterien am Ende ihrer ersten Nutzungsdauer zurück. Durch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Recyclingunternehmen gewährleisten wir eine hohe Rückgewinnungsquote der Rohstoffe, die wir für die Batterien verwenden. Darüber hinaus entwickeln wir Strategien für die Zweitverwertung. Zum Beispiel werden wir die Batterien aus Fahrzeugprototypen als Batteriespeicher am Produktionsstandort Schierling nutzen.

Kann Webasto auch die Ladeinfrastruktur (für Speditionen) liefern?

Ja, auch dafür haben wir natürlich Lösungen im Angebot. Die Webasto Next und die Webasto Unite sind unsere intelligenten Wallboxen. Beide Ladestationen sind sowohl als 11- als auch als 22-kW-Variante erhältlich und verfügen über eine Schnittstelle für verschiedene Energiemanagementsysteme, sodass zum Beispiel auch PV-optimiertes Laden möglich ist. Ein lokales Lastmanagement verhindert Lastspitzen und Netzüberlastungen. Sämtliche Daten, wie etwa das Ladeprofil, werden im Backendsystem Webasto-Charge-Connect erfasst, das sich mit seinen umfassenden Funktionen auch an Flottenbetreiber richtet. Eine Eichrechtskonformität und damit die Möglichkeit, die Webasto Unite auch in Deutschland in öffentlichen Bereichen einzusetzen, folgt im September. Im Übrigen: Webasto prüft den Eintritt in den Markt für DC-Lader mit höheren Ladeleistungen.

Wie gestalten sich die Produktionskapazitäten am Standort Schierling?

2021 haben wir in unserem Technologiewerk in Schierling knapp 20.000 Batterie- und Speichermodule hergestellt. Die Besonderheit der Anlage liegt in der flexiblen Fertigung sowie der Modularität der Produktionsstationen, die einen schnellen Wechsel zwischen Standard-Batterie und individualisierten Kundenprojekten möglich macht. Das Technologiewerk in Schierling ist aufgrund der hochmodernen Ausstattung auch Vorbild für andere Webasto Batteriewerke, wie zum Beispiel in Dangjin.

„Zu unseren Kunden im Batteriebereich gehören beispielsweise MAN, Lohr, Goldhofer oder Green G.“, so Robert Gantner.

Wie sieht das Kundenspektrum aus?

Wir verstehen uns als globaler innovativer Systempartner der gesamten Mobilitätsbranche. Im Batterie-Bereich haben wir aktuell rund 25 Kunden mit festen Aufträgen. Bei den Nutzfahrzeugherstellern sind das unter anderem MAN, Lohr, Goldhofer oder Green G. Im Pkw-Segment produzieren wir Batterien für Hyundai-Kia, Great Wall Motors und künftig auch für einen deutschen Hersteller.“

Wo sehen Sie die nahen Herausforderungen was die Entwicklungen von Hochvoltbatterien angeht?

Der Markterfolg von elektrischen Antrieben in allen Marktsegmenten führt dazu, dass wir zusammen mit unseren Kunden und Zulieferern flexibler und schneller werden müssen. Darüber hinaus steigt die Anzahl der Projekte und das Auftragsvolumen schnell an. Hier profitiert Webasto von seiner jahrzehntelangen Erfahrung, derart große Projekte erfolgreich durchzuführen.

Technologisch treibt der Wunsch nach Reichweite, Schnellladefähigkeit und Kostensenkung die Entwicklung. Neue Integrationskonzepte sind hier ein Teil der Antwort – die Batterie wird damit immer mehr zum Bestandteil des Fahrzeugs. Welchen Einfluss verschiedene Festkörperzellkonzepte auf die Weiterentwicklung haben werden, ist noch nicht final beantwortet.

Können bei Bedarf auch Einzelzellen in den Batterieblocks getauscht werden?

Das jeweilige Servicekonzept ist sehr stark kundenabhängig. Hier haben wir aktuell die verschiedensten Lösungen im Einsatz, welche zum Beispiel auch den Austausch von Zellmodulen in unseren Werken beinhalten. Einen Einzelzelltausch als Reparaturlösung haben wir noch nicht im Einsatz.

Setzen Sie auf Lithium-Technologie? Kommen anteilig andere ‚seltene Erden‘ zum Einsatz?

Ja, wir setzten auf Lithium-Technologie, sowohl bei unserer Standard-Batterie als auch bei kundenspezifischen Lösungen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass das Spektrum an Lithium-Zellen sehr breit ist und sowohl Technologien mit als auch ohne seltene Erden beinhaltet. Und auch die oben genannten Festkörperzellen sind im Grundsatz Lithium-Zellen.

Wie verhindern Sie den ‚Durchzündungsprozess‘ (Thermal-Runaway)?

Der exotherme Thermal-Runaway einer Zelle wird im Batteriesystem durch zahlreiche passive und aktive Sicherheitsmaßnahmen systematisch verhindert, zum Beispiel durch Temperaturüberwachung oder einen Überladeschutz. Darüber hinaus werden die Zellen intensiv auf ihre Robustheit geprüft und abgesichert. Hier stellt der automobile Qualitätsstandard sehr hohe Anforderungen, die weit über Consumer-Produkte hinausgehen. Für den extrem seltenen Fall einer Spontanreaktion sind weitere Maßnahmen in der Batterie verbaut, die die Sicherheit der Fahrzeuginsassen gewährleisten. Deren Wirksamkeit ist im Rahmen von umfangreichen Tests abgesichert.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3-2022 der Krafthand-Truck.