FEV treibt die Entwicklung von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren voran. Sie gelten als robuste, kosteneffiziente Option für den CO2-neutralen Transport. Bild: FEV Group
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Technischer Hintergrund: Der Wasserstoffverbrennungsmotor für Lkw

Seit die EU im Juli 2020 die „European Clean Hydrogen Alliance“ initiiert hat, steht der Wasserstoff-Verbrennungsmotor zunehmend im Fokus der Diskussion um emissionsfreie Antriebslösungen im Transportsektor. Laufende Diskussionen über eine Senkung der CO2-Abgaswerte um über 30 Prozent bei Lkw und 50 Prozent bei Pkw bis 2030 gegenüber dem Ausgangspunkt 2019 zeigen die Notwendigkeit der Entwicklung emissionsfreier Technologien zusätzlich auf. Aus diesem Grund treibt der Engineering-Spezialist FEV die Entwicklung von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren für Lkw voran.

„Der Wasserstoff-Verbrennungsmotor ist eine robuste, kosteneffiziente Option für CO2-neutralen Transport. Er kann relativ einfach in die aktuelle Produktionsinfrastruktur implementiert werden und bietet Potenzial für bestehende Fahrzeuge“, sagt Professor Stefan Pischinger, Vorsitzender der Geschäftsführung, FEV Group. „Dennoch stellt Wasserstoff aufgrund seiner spezifischen chemischen Eigenschaften wie der weiten Entflammbarkeitsgrenzen, der kurzen Zündverzugszeit und der geringen minimalen Zündenergie einige Herausforderungen für die Entwicklung von Verbrennungsmotoren dar. FEV löst diese jedoch bereits heute erfolgreich.“

Neues Design der Kraftstoffversorgung mit Wasserstoff

Um bestehende Sicherheitsanforderungen zu erfüllen und aufgrund der Notwendigkeit eines sicheren, konstanten Drucks vor dem Injektor stellt Wasserstoff besondere Anforderungen an das Design der Kraftstoff-Rails. „An unserem Forschungsmotor haben wir ein fast druckschwingungsfreies Kraftstoff-Rail entwickelt“, so Pischinger. „Dieses Wissen wurde bereits erfolgreich auf laufende Kundenprojekte übertragen, unabhängig vom Einspritzsystem – Saugrohr- oder Wasserstoff-Direkteinblasung.“

Gemischaufbereitung für Direkteinspritzsysteme

Neben der Kraftstoffzufuhr des Wasserstoffs über die Rails erfordert auch die Einbringung in den Brennraum durch die Injektoren und der damit einhergehende Mischprozess mit der Ansaugluft laut FEV ein tiefes Verständnis der Strömungsdynamik und der Wechselwirkungen. „Es gilt, eine optimale Gemischhomogenität sicherzustellen, die letztlich zu niedrigen NOx-Emissionen in Kombination mit höchster Motoreffizienz führt“, so Pischinger. „Bei FEV nutzen wir unseren bewährten 3D-CMD-Prozess (Charge-Motion-Design) zur Auslegung der Ladungsbewegung. Um das besondere Verhalten von Wasserstoff während des Einspritz- und Mischprozesses zu berücksichtigen, wurden in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen umfangreiche optische Untersuchungen in druckbeaufschlagten Einspritzkammern durchgeführt. So konnten wir ein detailiertes Verständnis des Einblas- und Mischprozesses von Wasserstoff mit anderen Gasen gewinnen.“ Dank der experimentellen Ergebnisse im Bereich Ladungswechsel konnte laut FEV das Zusammenspiel von Kraftstoffeinblasung sowie Ladungsbewegung optimiert und dadurch die bestmögliche Gemischhomogenität sichergestellt werden.

Besondere Anforderungen an das Zündsystem

Die weiten Entflammbarkeitsgrenzen und die geringe benötigte Zündenergie stellen laut FEV hohe Anforderungen an das Zündsystem, wobei der Unterdrückung jeglicher Art von unbeabsichtigter Entladung eine entscheidende Rolle zukommt. Zusätzlich führen hohe Flammtemperaturen zu einem erhöhten Elektrodenverschleiß. Dem kann durch die Regelbarkeit der Zündenergie den Experten von FEV zufolge entgegengewirkt werden. „Deshalb haben wir uns frühzeitig für eine enge Zusammenarbeit mit führenden Zündanlagenlieferanten und Zündkerzenherstellern entschieden“, so Pischinger. „Wir treiben die Optimierung dieser Schlüsselkomponenten speziell für Wasserstoff-Verbrennungsmotoren durch umfangreiche Motorversuche und Dauerläufe voran.“

Verbesserte Kurbelgehäuseentlüftung gegen H2-Akkumulation

Die geringe Dichte von Wasserstoff kann den Experten von FEV zufolge zu einer Konzentration von Wasserstoff im Kurbelgehäuse des Motors führen, wodurch die untere Explosionsgrenze überschritten würde. In Kombination mit der oben erwähnten geringen erforderlichen Zündenergie kann dieser Effekt zu schweren Motorschäden führen. „Dank unserer umfangreichen Forschungs- und Testmöglichkeiten ist es uns gelungen, Lösungen anzubieten, die dieses Risiko ausschließen – das gilt für alle Motoren, die wir bisher an Kunden geliefert haben“, erklärt Pischinger.

Optimierte transiente Performance und niedrige NOx-Werte

Mager betriebene Wasserstoff-Verbrennungsmotoren können zum Verbessern des Ansprechverhaltens kurzzeitig mit einem fetteren Luft-Kraftstoff-Verhältnis betrieben werden. Dies würde ohne Korrektur des Zündzeitpunktes zu erhöhten NOx-Rohemissionen führen. Um dies zu vermeiden, nutzt FEV ihren Rapid-Control-Prototypenaufbau, um Software für Wasserstoff-Motoren zu entwickeln. Dieses System erlaubt bei Bedarf den autarken Betrieb jedes Motors, kann aber auch als Bypasslösung für bestimmte Funktionalitäten genutzt werden.

Verhindern von Vorzündungen

Die Glüh- oder Vorzündung ist laut FEV eine der größten Herausforderungen, die Wasserstoff-Verbrennungsmotoren beim Erreichen hoher, dieselähnlich effektiver Mitteldrücke einschränkt. Vorzündung kann unter anderem durch heiße Oberflächen oder unkontrollierten Schmieröleintrag in den Brennraum verursacht werden. „Beim Optimieren unseres Forschungsmotors haben uns unser fundiertes Wissen über hochaufgeladene Ottomotoren einerseits und unsere Erfahrung mit Nutzfahrzeug-Erdgasmotoren andererseits geholfen. Damit konnten wir durch Auswahl der optimalen Kolbengeometrie und Ring-Liner-Paarung Vor- und Glühzündung effektiv vermeiden“, so Pischinger. „Zusammen mit der richtigen Schmierölzusammensetzung erhält man einen zuverlässigen, emissionsarmen und hocheffizienten Motor“, erklärt der Experte.
Mit sieben Prüfständen für Wasserstoff-Verbrennungsmotoren ist die FEV in der Lage, jeden Motor im 24/7-3-Schichtsystem zu betreiben.

 

Nachgehakt bei Ulrich Andree, Director Marketing & Communications
bei der FEV Europe GmbH

 

Herr Andree, bezieht sich die Entwicklung des Wasserstoff-Verbrennungsmotors hauptsächlich auf den Nfz-Bereich?
„Ja, das Interesse konzentriert sich momentan auf den Nfz-Sektor. Erste Kunden fragen jedoch auch nach Lösungen für den Light Commercial- beziehungsweise Pkw-Bereich.“

Wie wird der Wasserstoff gespeichert? Gasförmig? Flüssig? Bei welchem Druck?
„Die Speicherung des Wasserstoffs wird aufgrund der vorhandenen Infrastruktur bei den meisten Anwendungen in den nächsten Jahren noch gasförmig erfolgen. Das gewählte Druckniveau ist dabei von der geforderten Reichweite der gewählten Anwendung abhängig. Bei klassischen HD-Truck-Anwendungen sehen wir eine Entwicklung in Richtung 500 – 700 bar.“

Herr Professor Pischinger spricht von der Unabhängigkeit des Einspritzsystems beziehungsweise der Saugrohr- oder Wasserstoff-Direkteinblasung. Ist mit Einspritzsystem auch gemeint, dass der Wasserstoff auch flüssig eingespritzt werden kann? Wo wird dieser dann verflüssigt?
„Es wird in Zukunft sicher auch Entwicklungen in Richtung flüssiger Wasserstoffeinspritzung geben. Diese sind dann umsetzbar, wenn der Wasserstoff flüssig im Fahrzeug gespeichert wird. Mittelfristig wird aber die gasförmige Speicherung und Einblasung die vorherrschende Technologie bleiben.“

Worin unterscheidet sich ein Wasserstoff-Verbrennungsmotor grundlegend zu einem Benziner? Ist es beispielsweise die Verdichtung, eine verstärkte Lagerung im Kurbeltrieb, sind es andere Steuerzeiten?
„Bei der Direkteinblasung von Wasserstoff ist es vorteilhaft, die Ventilsteuerzeiten auf ein frühes Schließen der Einlassventile auszulegen, um eine Eindüsung nach dem Schließen der Einlassventile trotzdem mit guter Gemischhomogenisierung zu kombinieren. Durch den hierdurch erzielten Miller-Effekt kann das geometrische Verdichtungsverhältnis in ähnlichem Maße angehoben werden, wie das auch bei Benzinmotoren möglich ist. Bei stark mager betriebenen Anwendungen und abgesenktem Mitteldruckniveau werden so Verdichtungsverhältnisse bis zirka 16 möglich. Gegenüber einem Standard-Benzinmotor kann sich hieraus ein höherer Zylinderspitzendruck ergeben und somit die Notwendigkeit, Bauteile robuster auszuführen, wie zum Beispiel die Kurbelwellenlagerung. Auch müssen weitere Teilsysteme des Motors an den Betrieb mit Wasserstoff angepasst werden, ein grundlegender Unterschied zu einem Benzinmotor ergibt sich hieraus jedoch auch nicht.“

 Die Fragen stellte Torsten Schmidt