AdBlue-Tank eines modernen Euro-6-Lkws. Manch einer spart sich durch Manipulation des SCR-Systems die Harnstofflösung. Bild: Georg Blenk
DEKRA-Experten bei ITC-Konferenz in Genf

SCR-Manipulationen und was man dagegen tun kann

Das Inland Transport Committee (ITC), das höchste Entscheidungsgremium der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) im Bereich Verkehr, ist vom 21. Bis 24. Februar 2023 in Genf zusammengekommen. Zentrales Thema der 85. Sitzung waren Maßnahmen des Landverkehrssektors zur Reduzierung gesundheits- und klimaschädlicher Emissionen. Auch die Sachverständigenorganisation DEKRA war mit einer Delegation vor Ort und stellte die Problematik der manipulierten SCR-Katalysatorsysteme in den Mittelpunkt. Verkehrsminister, Staatssekretäre und Botschafter aus mehr als 50 Ländern waren zu einer technischen Demonstration eingeladen, die das Problem erläuterte und mögliche Gegenmaßnahmen aufzeigte.

Christoph Nolte, Executive Vice President der DEKRA Gruppe und verantwortlich für die Service-Division Vehicle-Inspection, spricht zu den ITC-Delegierten. Bild: DEKRA

Manipulationskits einfach erhältlich

Die Anforderungen an die Reduzierung der Abgasemissionen in den Typgenehmigungsvorschriften für Straßenfahrzeuge sind hoch. Unter anderem müssen die Fahrzeughersteller Maßnahmen zur Senkung der hochgiftigen Stickoxide (NOx) umsetzen. Vor allem für schwere Nutzfahrzeuge sind SCR-Katalysatoren die effektivste technische Lösung. Sie werden daher in praktisch jedem modernen Nutzfahrzeug verbaut. Dabei kommt AdBlue zum Einsatz, was zusätzlich zum Dieselkraftstoff nachgetankt werden muss. Doch auch AdBlue ist von der allgemeinen Preissteigerung betroffen, was natürlich auf die Kosten pro Kilometer geht. „Zu viele Anwender manipulieren deshalb die Systeme, um die Betriebskosten zu senken und machen damit die Schadstoffreduzierung unwirksam“, so Christoph Nolte, Leiter der DEKRA Service-Division Fahrzeugprüfung. „Manipulationskits inklusive Soft- und Hardwarelösungen sind für alle gängigen Nutzfahrzeuge einfach online erhältlich.“

40-mal höhere NOx-Emissionen

Im Rahmen der technischen Demonstration zeigten die Experten der DEKRA anhand von eigenen Forschungsergebnissen, dass ein manipulierter Euro-VI-Lkw rund 40-mal mehr NOx-Emissionen ausstößt als ein normales Fahrzeug. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Untersuchungen der dänischen Straßenverkehrsbehörde (Færdselsstyrelsen). Studien aus verschiedenen Ländern haben ergeben, dass bis zu 20 Prozent der schweren Nutzfahrzeuge auf diese Weise manipuliert werden. „Die hochwirksamen SCR-Systeme, die in der Regel mehr als 90 Prozent der Stickoxid-Emissionen aus dem Abgas entfernen, lassen sich mit sehr geringem Kosten- und Zeitaufwand deaktivieren“, sagte Nolte. „Vereinfacht gesagt, wird aus einem manipulierten Euro-VI-Lkw ein Euro-II-Lkw. Das ist inakzeptabel und muss eingedämmt werden.“

„Bis zu 20 Prozent der schweren Nutzfahrzeuge sind manipuliert.“

Zusätzliche Schutzmaßnahmen

Derzeit lässt sich weder über On-Board-Diagnosesysteme noch bei der Hauptuntersuchung der Einbau solcher Manipulationskits zweifelsfrei nachweisen. Deshalb sind aus Sicht der DEKRA Schutzmaßnahmen und erweiterte standardisierte Diagnosemöglichkeiten dringend notwendig. Experten der DEKRA der dänischen Straßenverkehrsbehörde erläuterten den ITC-Teilnehmern die Problematik, zeigten auf wie SCR-Systeme häufig umgangen werden und skizzierten mögliche Gegenmaßnahmen, die ergriffen werden könnten. „Dazu könnten geänderte Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen gehören, um einen besseren Schutz zu gewährleisten, ebenso eine Standardisierung der Diagnose, um die Erkennung bei Straßenkontrollen und im Rahmen der Hauptuntersuchung zu ermöglichen sowie wirksame Sanktionen, um Manipulationen zu verhindern“, so Nolte.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1-2023 der Krafthand-Truck.