Reifendruck-Kontrollsystem "ContiPressureCheck" von Continental
Noch gibt es keine Pflicht für Reifendruck-Kontrollsysteme bei Nutzfahrzeugen. Doch alleine schon die offensichtlichen Vorteile und der vergleichsweise moderate Investitionsaufwand schreien nach einer Nachrüstung. Im Bild das ‚ContiPressureCheck‘ von Continental. Bild: Continental
RDKS

Reifendruck-Kontrollsysteme können die Betriebskosten signifikant senken

Weniger Reifenverschleiß, längere Reifenlebensdauer, geringere Kraftstoffkosten, weniger Reifenplatzer, weniger Stillstandzeiten, Erhalt der Karkasse für die Runderneuerung, Zeitersparnis bei der Abfahrtskontrolle – alles Argumente, die Spediteuren und Fuhrparkmanagern gleichermaßen glänzende Augen bescheren müssten. Eigentlich. Dennoch sind (noch) vergleichsweise wenige Nutzfahrzeuge mit einem Reifendruck-Kontrollsystem (RDKS) aus- beziehungsweise nachgerüstet.

Seit 1. November 2014 müssen alle neu zugelassenen Fahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,5 Tonnen einen EU-Gesetz zufolge mit einem Reifendruck-Kontrollsystem, kurz RDKS, ausgerüstet sein. Dem Wunsch des Gesetzgebers nach soll dies sowohl dem Umweltschutz dienen als auch die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen. Denn Reifen mit zu geringem Fülldruck walken stärker und verbrauchen aufgrund des erhöhten Rollwiderstands mehr Kraftstoff, was wiederum mehr umweltschädliches CO2 produziert. Außerdem verschleißen ‚unterfüllte‘ Reifen schneller, zudem wächst der Bremsweg und der Grip bei Nässe lässt nach. RDKS oder TPMS (englisch für Tire Pressure Monitoring System) könnten diese Effekte verringern, weil – wie Studien immer wieder zeigen – viele Fahrzeugbesitzer und selbst professionelle Fahrer die regelmäßige Druckkontrolle vernachlässigen. Das ist bei Nutzfahrzeugen nicht anders.

Bemerkenswerte Sparpotenziale

Bei Nutzfahrzeugen haben Experten zufolge Reifendruck-Kontrollsysteme aber noch viel mehr zu bieten – und diese sollen sich sogar in Euro und Cent messen lassen. Denn schon ein um zehn Prozent zu geringer Fülldruck kann den Berechnungen der Reifenexperten von Continental zufolge bei einem 30-Tonnen-Sattelzug mit einer jährlichen Laufleistung von 120.000 Kilometern die Mehrkosten mit bis zu 650 Euro (Basis: 1,30 Euro/Liter Diesel) zu Buche schlagen. Bei einem um 20 Prozent zu geringen Fülldruck sollen sich diese Mehrkosten sogar auf über 1.900 Euro summieren. Dass der eingesparte Kraftstoff gleichzeitig auch weniger umweltschädliche Abgasemissionen bedeutet, ist dabei eigentlich nur ‚ein netter Nebeneffekt‘.

Fuhrparkverantwortliche, die sich ihre ‚persönliche‘ Kostenersparnis ausrechnen möchten, können dies beispielsweise mit speziellen Berechnungstools tun, wie sie etwa auf den Internetseiten von Haldex (https://www.haldex.com/de/europe/produkte/ebs/tpms-roi-calculator/) oder SAF-Holland (http://tirepilot.safholland.com) und anderen RDKS-Spezialisten zu finden sind.

Doch mit einem RDKS lassen sich auch weitere unnötige Kosten vermeiden: etwa jene für den Liegenbleiber auf der Autobahn, um vom Notdienst einen geplatzten Reifen ersetzt zu bekommen. In der Lkw-Pannenstatistik 2018 des ADAC Truckservice landeten Reifenpannen mit beachtlichen 65,3 Prozent auch diesmal wieder auf Platz Eins. Der ‚Jahrhundertsommer‘ mit Extremtemperaturen spielte dabei den Pannenspezialisten zufolge nur eine untergeordnete Rolle. Auf Platz Zwei kamen weit abgeschlagen Motorschäden (7,3 Prozent), gefolgt von Bremsen (5,6 Prozent) und Elektrik (drei Prozent). „Reifenpannen lassen sich heutzutage durch ein RDKS mit digitaler Pannenprävention nahezu ganz vermeiden‘, sind die Pannendienstler überzeugt.

Von völlig simpel bis voll vernetzt

Da es derzeit (noch) keine Vorschriften für Reifendruck-Kontrollsysteme gibt, ist der Anbietermarkt entsprechend bunt gemischt. Von simplen Ventilkappen, die der Fahrer visuell prüfen muss und die diesem per Farbwechsel in einem kleinen Sichtfenster einen Druckverlust signalisieren, über Funk-Ventilsensoren, per Spannband oder Draht auf der Felge befestigte Sensoren bis hin zu ‚intelligenten‘ Reifen, bei denen sich der bei einem Reifentausch ‚weiter vererbbare‘ Drucksensor in einer an die Reifeninnenwand geklebten Gummitasche befindet, reicht das Spektrum der Systeme.

Ähnliches gilt bei den Anzeigeoptionen: Während werkseitige ‚Hersteller-RDKS‘ den Fahrer üblicherweise mit entsprechenden Warnsymbolen und aktuellen Reifendruckwerten in der fahrzeugseitigen Armaturentafel auf einen eventuellen Luftverlust aufmerksam machen, erledigen dies Nachrüstsysteme via LED, mittels separatem Anzeigemonitor oder auf dem Smartphone des Fahrers. Bei diesen ‚autarken‘ Systemen muss der Fahrer allerdings erst einmal selbst entscheiden, wie – und ob! – er deren Hinweise nutzt, beispielsweise, ob er selbstständig eine Werkstatt anfährt oder ob er erst seinen Fuhrparkmanager informiert.

In der ‚Königsklasse‘, also bei den vernetzten RDKS, gelangen über die Telematik des Lkw oder des Anhängers die Daten automatisch – und meist in Echtzeit – überall dort hin, wo sie für ein aktives Reifenmanagement benötigt werden: zum Fahrer, zum Fuhrparkleiter, in die Werkstatt, zum Reifenservice-Dienstleister, et cetera.

Attraktives Werkstattgeschäft

Angesichts der offensichtlichen Vorteile eines Reifendruck-Kontrollsystems und der Möglichkeiten, ein solches problemlos nachzurüsten, ist dieses Thema nicht nur für Spediteure und Fuhrparkmanager, sondern vor allem auch für Werkstätten und Reifenservicebetriebe interessant. Zumal ein solches System später auch Service verlangt und zudem beim Rad- und Reifenwechsel eine fach- und sachkundige Hand sowie das passende Equipment verlangt.

Allerdings erfordert das Nachrüstgeschäft zuerst einmal eine aktive Vermarktung durch die Einbauwerkstatt – was aber angesichts der offensichtlichen Vorteile eines solchen Systems und mit Hilfe der eingangs erwähnten Berechnungstools kein Hexenwerk sein dürfte. Denn der Spediteur oder Fuhrparkfachmann will bei Investitionen für gewöhnlich zuerst immer einmal wissen, wann mit den ROI, dem ‚Return of Invest‘, also der Amortisation, zu rechnen ist.

Beim Thema RDKS kommt unterstützend hinzu, dass diese Systeme innerhalb der De-minimis-Förderung als ‚nachrüstbares Fahrerassistenzsystem‘ gelten und daher vom Staat bezuschusst werden. Wie das geht und welche Systeme das im Detail sind, lässt sich auf der Internetseite des BAG (www.bag.bund.de) erfahren. Zu lange warten sollten Interessierte allerdings nicht, denn die Antragsfrist für die aktuelle Förderperiode endet am 31. September 2019.

Eine interessante Zielgruppe für das Nachrüstgeschäft ist zudem der ÖPNV (Öffentlicher Personen Nahverkehr), denn dort spielen Ökonomie, Ökologie und Sicherheit zunehmend eine große Rolle. Da im Stadtbusbereich den Erfahrungen des schwäbischen RDKS-Systemherstellers Alligator zufolge häufig mit sogenannten ‚Komfortdrücken‘ gefahren wird – und die Runderneuerungsfähigkeit der Bereifung einen wichtigen Kostenaspekt darstellt – sei der Nutzen eines RDKS bei dieser Klientel besonders offensichtlich. Aber auch für Reise- und Fernverkehrsbusse sei die Nachrüstung eines solchen System mit Blick auf Fahrsicherheit und ‚Liegenbleiber-Vermeidung‘ äußerst sinnvoll.

Für den Service an Reifendruck-Kontrollsystemen (saisonaler Räderwechsel, Sensor-Diagnose etc.) und ihren Komponenten (Universalsensoren programmieren etc.) indes muss die Werkstatt vergleichsweise wenig in das notwendige Equipment investieren.

Übersicht verschiedener Reifendruck-Kontrollsysteme

 

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 2/19 der Krafthand-Truck.