Luftverwirbelungen an einem Lkw. 40-50 Prozent der Antriebsenergie werden für die Überwindung des Luftwiderstandes aufgewendet. Bild: aeco.green GmbH
Im Gespräch mit Dr.-Ing. Rainer Buffo, Managing Director bei der aeco.green GmbH

„In der Verbesserung der Aerodynamik liegt enormes Potenzial“

Neben der Antriebseffizienz und dem Rollwiderstand gilt die Aerodynamik als Haupteinflussfaktor für den effizienten Betrieb von Lastkraftwagen. Gleichwohl haben wir es nicht mit Pkw oder gar Formel-1-Boliden zu tun, wo die Handlungsspielräume, was aerodynamische Optimierungen angeht, ungleich besser sind oder auf die Spitze getrieben werden. Es bleibt also bei der ‚fahrenden Schrankwand‘? Nein, sagt Dr.-Ing. Rainer Buffo, Managing Director bei der aeco.green GmbH: „In der Minimierung des Luftwiderstands bei Lkw liegen enorme Potenziale, die bisher noch nicht annähernd gehoben sind.“ So werden laut Buffo allein 40-50 Prozent der Antriebsenergie eines Lkw für die Überwindung des Luftwiderstands aufgewendet. „Das muss längst nicht so viel sein.“ Buffo sieht drei Ebenen, um Lkw und Trailer in Hinblick auf die Aerodynamik zu optimieren.

Herr Dr. Buffo, die Lkw- und Trailer-Industrie entwickelt hochmoderne Antriebssysteme und setzt auf Leichtbau, aber kümmert sich zu wenig um das Thema Aerodynamik?

Ja das stimmt, die enormen Möglichkeiten der Aerodynamik wurden bisher nicht konsequent angegangen. Bei den Zugmaschinen hatte das Thema weniger Priorität im Vergleich zu Design oder Kabinengröße – zumal es den gesetzlichen Rahmen für größere Frontformen erst seit drei Jahren gibt. Bei den Trailern sah man sich lange nicht mitverantwortlich für den Verbrauch der Zugmaschine und setzte nur auf Leichtbau für mehr Zuladung. Insgesamt waren Dieselkraftstoffe noch zu günstig, es fehlte der politische Druck und die Möglichkeiten bei der Aerodynamik wurden nicht richtig wahrgenommen.

Eine verbesserte Aerodynamik bei Lkw und Trailern beschleunigt den Weg zu einer grünen Mobilität und geht daher mit der Reduktion von fossilen Antriebsarten einher. Lässt sich das tatsächlich so postulieren?

„Besser eine ‚Aerodynamisierung‘ zu einem Bruchteil der Kosten, als unnötig teure ‚Über-Elektrifizierung‘ für nicht-optimierte Fahrzeuge aus der Diesel-Zeit.“ Bild: Handelsblatt

Ja und das lässt sich leicht erklären. Nehmen wir BEVs als Beispiel (FCEVs kann man ähnlich betrachten). Die Elektrifizierung des Stadt- und Regionalverkehrs ist nicht das Problem. Kurze Distanzen und viel Rekuperation ermöglichen kleinere, günstigere Batterien und ein planbares Aufladen an Logistik-Standorten. Die Elektrifizierung des Long-Haul-Verkehrs ist deutlich anspruchsvoller und hier kann die Aerodynamik helfen den Aufwand zu verringern. Der Energiebedarf im Long-Haul ist durch die langen Strecken und die hohen Geschwindigkeiten deutlich höher. Also benötigt man eine größere Menge günstigen, grünen Strom, große Batterien und viel teure Infrastruktur an den Raststätten für ein schnelles Aufladen in den 45 min-Pausen des Fahrers. Das sind große Aufwendungen. Man kann das Problem lösen, indem man die Aerodynamik als größten Energiefresser im Long-Haul-Bereich drastisch optimiert. Dadurch reduziert man den Energiebedarf erheblich, die Kosten für Strom, Batterie, Infrastruktur und Auflade-Standzeiten sinken – ein Dominoeffekt, der die Fahrzeuge schneller in den Markt bringt. Oder anders: Besser ‚Aerodynamisierung‘ zu einem Bruchteil der Kosten, als unnötig teure ‚Über-Elektrifizierung‘ für nicht-optimierte Fahrzeuge aus der Diesel-Zeit.

Müssen also Trucks- und Trailer völlig neu gedacht werden?

Verwirbelungen am Heck eines Trailers lassen sich bereits mit kleineren Eingriffen optimieren. Grafik: aeco.green GmbH

Auf jeden Fall muss die Aerodynamik einen größeren Stellenwert erhalten. Die Lösung aber lautet nicht, dass alles stromlinienförmig verkleidet werden muss, so dass der Transport- und Praxisnutzen verloren geht. Fortschrittliche Aerodynamik bewahrt den Nutzen des Fahrzeugs und funktioniert mit gezielten Optimierungen, die auf den gesamten Sattelzug abgestimmt sind. An der Sattelzugmaschine sollte der gesetzliche Rahmen zur Formoptimierung ausgeschöpft werden. Dazu kommen viele Details, die die Performance verbessern. Die müssen sauber aufeinander abgestimmt sein und können sogar noch viel weiter hinten am Trailer zu positiven Effekten führen. Beim Trailer muss zudem genau geschaut werden, wo Energieverluste vermieden werden können und wie man die zahlreichen Verwirbelungen mit kleinen sinnvollen Eingriffen lenkt und optimiert.

Sie sprechen von drei Ebenen, die entsprechende Handlungsspielräume eröffnen. Welche sind das?

Im Bild sieht man die reduzierten Verwirbelungen am Heck eines Trailers, bei umfangreicheren aerodynamischen Optimierungsmaßnahmen. Grafik: aeco.green GmbH

Wir sehen als erstes die Optimierung der vorhandenen und notwendigen Fahrzeugbauteile, ohne zusätzliche Anbauteile ins Spiel zu bringen. Gemeint ist die Gestaltung und Abstimmung von Kanten, Radhäusern, Chassis, Unterbodenkomponenten, Schmutzfängern, Unterfahrschutz, etc. Wenn diese Basisarbeit getan ist und aus den vorhandenen Komponenten alles rausgeholt wurde, folgen im zweiten Schritt aerodynamische Funktionsteile, darunter Luftleitelemente am Trailer oder Body-Kits für bestehende Zugmaschinen. Im dritten Schritt erst sollte man über komplett neue Fahrzeugarchitekturen nachdenken, die von Grund auf die Platzierung und Gestaltung von wesentlichen Fahrzeugelementen optimieren. Man kann dann Zugmaschine, Trailer und Komponenten noch besser aufeinander abstimmen. Beispielsweise könnte die Kühlmaschine als großer Verbraucher so positioniert sein, dass sie ideal belüftet wird.

 

Es ist also nicht mit kleineren Anpassungen getan, vielmehr muss das Thema Aerodynamik ganzheitlich gedacht werden?

Die drei Ebenen der aerodynamischen Optimierung und die Verbesserungspotenziale. Grafik: aeco.green GmbH

Das eine schließt das andere nicht aus. Ganzheitliche Optimierung ist Pflicht, denn die Luft interagiert mit dem gesamten Fahrzeug. Ein Beispiel: Wir können positive Veränderungen am Unterboden der Zugmaschine kurz hinter dem Nummernschild erzeugen und die Auswirkungen noch 16 Meter weiter hinten an der Gestalt des Heckwirbels auf der oberen Türhälfte des Trailers erkennen. Die Eingriffe für die Optimierung müssen manchmal größer sein, manchmal können sie auch kleiner sein. Je früher, also weiter vorne, man ein Problem behebt, desto weniger muss hinten am Trailer korrigiert werden und desto besser kann man Einfluss nehmen. Der besondere Reiz liegt darin, dass ein Sattelzug von mehreren OEMs und Zulieferern zusammengestellt wird. Deshalb versuchen wir neue Partnerschaften unter den Akteuren zu erzeugen, die dann gemeinsam eine ganzheitliche Optimierung generieren.

„Je weiter vorne, man ein Problem behebt, desto weniger muss hinten am Trailer korrigiert werden“

Wie reagiert die Nfz-Industrie auf die von Ihnen dargestellten Potenziale?

Tatsächlich sehr offen und positiv. Immer mehr Hersteller erkennen, dass das Potenzial groß und der Druck von Seiten der Politik stark gestiegen ist. Die Zugmaschinenhersteller und bald auch die Trailerhersteller, werden jährlich daran gemessen, wie die Güte ihrer Fahrzeuge und Komponenten ist und ob sie im Zielkorridor sind. Also setzen sie auf unsere Expertise, um ihre Ziele zu erreichen und attraktive Produkte anbieten zu können. Neuerdings bieten wir mit ‚nexttruck‘ auch eine Beratung für Flottenbetreiber an. Mit unserer digitalen Dienstleistung können Einkäufer von Fuhrparks konkrete Fahrzeugmodelle und Ausstattungen hinsichtlich ihrer Energieeffizienz für ihren konkreten Nutzungsfall bewerten und vergleichen. Das steigert die Effizienz und lindert so den Kostendruck bei den Flotten. Jeder findet so seine kostenoptimierte und maßgeschneiderte Lösung.

Gibt es weitere, konkrete Projekte, an denen sie mit der Nfz- und Trailer-Industrie arbeiten?

Momentan haben wir Projekte mit Zugmaschinen- und Trailerherstellern, Zulieferern, Flotten, und wir bewerten sogar Reisebusse. Der Inhalt der meisten Projekte ist vertraulich. Über ein Projekt mit der Firma Quantron können wir aber sprechen. Für sie haben wir für ein bestehendes Zugmaschinenmodell ein Aero-Bodykit und diverse Anbauteile entworfen, die den Luftwiderstand um 20 Prozent senken können.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4-2023 der Krafthand-Truck.