Die Herausforderungen für Nfz-Werkstätten steigen mit der technischen Entwicklung an. Das macht den Beruf als Nfz-Mechatroniker jetzt und in Zukunft umso spannender. Bild: CARAT
CARAT-Gruppe - Christian Gabler im Gespräch

„Die Lkw-Reparatur wird dem Werkstattpersonal mehr Qualifikation abverlangen.“

Die CARAT-Unternehmensgruppe gilt als eine der größten deutschen Einkaufskooperationen im Bereich Pkw- und Lkw-Teile. Das Unternehmen bietet seinen Handelspartnern und Werkstattkunden ein Vollsortiment an Ersatzteilen, Diagnosegeräten, Werkzeugen, Werkstattausrüstung, Zubehör, Werkstattchemie und vieles mehr. Eine Vielzahl global agierender Hersteller und Lieferanten gehört zu den Partnern der Einkaufskooperation. Darüber hinaus hält die CARAT-Gruppe ein breites Spektrum an Dienstleistungen bereit. Wir haben uns mit Christian Gabler, Geschäftsführer der CARAT Systementwicklungs- und Marketing GmbH & Co. KG über den Lkw-Ersatzteilmarkt, den Wettbewerbsdruck und die zukünftigen Entwicklungen unterhalten.

Herr Gabler, Sie verfügen über eine langjährige Erfahrung im IAM und verantworten seit Juni 2021 die Geschäfte der CARAT-Gruppe. Von 2011 bis 2021 waren Sie als Leiter Zentraleinkauf für das Produktportfolio der CARAT verantwortlich. Welche Eigenschaften muss ein guter Einkäufer mitbringen?

Es steht außer Frage, dass Einkäufer über gute Kenntnisse in der Kosten- und Leistungsrechnung sowie dem Controlling verfügen sollten. Das Verständnis für komplexe technische Vorgänge und Anlagen ist auch bei der CARAT von Bedeutung. In unserem speziellen Unternehmenskonstrukt ist es jedoch noch viel wichtiger, dass unsere erfolgreichen Einkaufsstrategen Softskills wie Verhandlungsgeschick, Durchsetzungsstärke, Kommunikationsfähigkeit und Intuition vorweisen können. Daneben sind die Belastungsfähigkeit, die soziale Kompetenz sowie die Teamfähigkeit ebenso wichtige wie notwendige Eigenschaften für den Erfolg unserer Einkaufskooperation.

„Ich bin mir sicher, dass wir den Pkw- und Nfz-Ersatzteilmarkt in den nächsten Jahren nicht wiedererkennen werden.“

Wie würden Sie demnach Ihren Führungsstil beschreiben?

Wir sind ein Unternehmen, welches kooperativ geführt wird und geprägt ist von der engen Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Team. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen – jeder Mitarbeiter darf seine Meinung äußern, auch konstruktive Kritik ist willkommen. In unseren regelmäßigen Meetings diskutieren Mitarbeiter zusammen mit dem Führungskreis über neue Ideen und Strategien und stimmen gemeinsam darüber ab, wie die Ziele und Vorgaben am besten erreicht werden können. Diese kollaborative Kultur ist der Schlüssel zu unserem Erfolg, und wir sind stolz darauf, sie in unserem Unternehmen zu leben.

Die CARAT ist Gründungsmitglied der Autodistribution International (ADI), die in der Vergangenheit mit anderen Kooperationen fusionierte. Kann man sagen, dass der internationale Teilemarkt immer weiter zusammenwächst?

Zweifellos, die stetige Konsolidierung im globalen Teilemarkt verdeutlicht die Anpassungsfähigkeit der Branche an sich ändernde Marktbedingungen und die Notwendigkeit, Ressourcen zu bündeln und Beschaffungswege zu optimieren, die heute weit über die europäischen Grenzen hinaus reichen. In einem Marktsegment, das so volatil und dynamisch ist, ist es für mittelständische Unternehmen unerlässlich, sich ständig anzupassen. Dazu gehört auch, dass Beschaffungs- und Logistikprozesse so effizient wie möglich gestaltet werden. Eine Schlüsselkomponente zur Erreichung dieses Ziels sind internationale Kooperationen. Sie ermöglichen es Unternehmen, ihre Ressourcen effizienter einzusetzen, wodurch Kosten reduziert und gleichzeitig die Qualität und Effizienz der Prozesse verbessert werden.

Unternehmen, die sich internationalen Kooperationen anschließen, profitieren von einem geringeren Risiko, Lieferschwierigkeiten zu erleiden, da die Palette an Lieferanten und Logistikpartnern auf internationaler Ebene deutlich größer ist.

Durch die gemeinsame Nutzung von Lager- und Transportkapazitäten sowie die Bündelung von Einkaufsvolumina können Unternehmen zudem erhebliche Kosteneinsparungen erzielen. Diese Einsparungen können dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und den Endverbrauchern kostengünstigere Produkte anzubieten.
Letztendlich fördert eine internationale Kooperation nicht nur Innovation, sondern eröffnet Unternehmen auch den Zugang zu neuen Märkten. Durch die Zusammenarbeit mit Partnern in verschiedenen Ländern können Unternehmen ihre Reichweite erweitern und neue Absatzmöglichkeiten erschließen. Letztendlich ist die Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg in einer globalisierten Weltwirtschaft der Schlüssel zum Erfolg.

Christian Gabler. Bild: CARAT

Christian Gabler (53) ist gelernter Betriebswirt (SGD) und seit über dreizehn Jahren bei der CARAT. Seit 2011 fungierte er als Einkaufsleiter und Steering-Committee-Mitglied der ADI International. 2018 ist er zum Prokuristen und Leiter im Bereich Category Management und Marketing ernannt worden. Seit 2021 ist er nun als Geschäftsführer der CARAT-Unternehmensgruppe und der Mecanto GmbH tätig, einem Tochterunternehmen der CARAT-Gruppe, das mit DRIVEMOTIVE eine Online-Plattform für Fahrzeugservice und Mobilitätsdienstleistungen im IAM betreibt. Zusätzlich ist Gabler seit 2022 im Beirat der Partslife GmbH. Vor seiner Karriere bei der CARAT war er bei Bridgestone und der Unternehmensberatung Arthur Andersen tätig.

 

Allein in Deutschland hat die CARAT rund 120 Gesellschafter, sprich angeschlossene Teilehändler, mit 550 Standorten. Wie sieht es in Österreich oder in der Schweiz aus?

In der Schweiz haben wir bislang keine Gesellschafter, wollen dorthin aber noch expandieren. Ganz anders sieht das in Österreich aus. Zu Beginn des Jahres hat sich die Birner GmbH, der österreichische Marktführer für Kfz-Ersatzteile und Autozubehör, als einer der größten Gesellschafter innerhalb unserer Unternehmensgruppe der CARAT angeschlossen.

Über das ad-Cargo Zentrallager Castrop-Rauxel und seit Januar 2023 auch über den ad-CARGO Standort Nürnberg/Hafen beliefert die CARAT deutschlandweit den Teilehandel. Welche Volumina werden täglich bewegt und wie lange sind die Lieferzeiten?

In unserem Logistikzentrum in Castrop-Rauxel bewältigen wir eine Vielzahl an Lieferungen, um jederzeit sicherzustellen, dass die Lieferanforderungen unserer Kunden erfüllt werden. Täglich verladen wir etwa zehn Wechselbrücken-Speditionssendungen, begleitet von Lkw für Direktfahrten mit einer Lieferzeit von 24 Stunden. Darüber hinaus bearbeiten wir täglich über 500 Pakete über den GLS-Paketdienst, der Lieferzeiten von 24-48 Stunden bietet. Für besonders eilige Sendungen bieten wir unseren Nachtexpress an, bei dem 1.000 bis 1.200 Collis bis spätestens 08:00 Uhr am nächsten Morgen geliefert werden. Neben diesen Diensten setzen wir auch auf eine Untertagbelieferung mit 12 Touren, bei der die Auslieferung am selben Tag erfolgt. Aus Nürnberg erreichen die Kunden zusätzlich täglich 15 Touren mit Anlieferung am selben Tag.

Mit der Marke COREXX hat die CARAT eine eigene Truck- und Trailermarke entwickelt. Wie schätzen Sie das Wachstumspotenzial im Bereich Nutzfahrzeuge ein?

Unter der Eigenmarke COREXX bietet die CARAT ein umfassendes Portfolio an Lkw-Teilen. Bild: CARAT

Die Nutzfahrzeugbranche ist in Bewegung. Permanente technische Veränderungen sowie der Wandel wirtschaftlicher Rahmenbedingungen stellen täglich neue Herausforderungen dar und zwingen Akteure zu einem Höchstmaß an Flexibilität und Effizienz. Erfolg hat in diesem dynamischen Umfeld nur der, der mit Blick auf alle Details zuverlässig höchste Qualität abliefert. Qualität und Zuverlässigkeit sind auch die verlässlichen Größen unserer Exklusivmarke COREXX. Dort, wo es auf High-Performance ankommt, tragen wir mit unserer Verschleißteilkompetenz dazu bei, den wirtschaftlichen Erfolg in der Nfz-Werkstatt zu sichern und weiter auszubauen.
Egal, ob herstellergebundene oder freie Werkstatt: Teile des freien Marktes sind nicht nur günstiger als die der Autobauer, sondern können von allen Werkstätten bezogen und verbaut werden. Das Sortiment unserer Eigenmarke COREXX umfasst neben einer umfangreichen Pkw-Range auch ein sehr breites Portfolio an Nkw-Komponenten aus den Bereichen Bremse, Luftfederbälge, Bremszylinder, Druckluftbehälter, Arbeitsscheinwerfer, Wasserpumpen, Wendelleitungen und Ladungssicherung.

Nachhaltiges und umweltfreundliches Handeln ist auch im Teilehandel ein zentrales Thema. Gibt es Stellschrauben, an denen Sie drehen?

Eröffnungsfeier des neuen Logistikstandorts am Nürnberger Hafen im März 2023: Christian Gabler (l.), und Ralf Jörke, Mitglied der Geschäftsleitung, Warehousing Solutions Deutschland bei der Rhenus Warehousing Solutions SE & Co. KG. Bild: Georg Blenk

In diesem Frühjahr haben wir unsere Logistikstandorte erweitert und sind jetzt nicht nur in Castrop-Rauxel, sondern auch in Nürnberg vertreten. Das spart Treibstoff, Zeit, Betriebskosten und Wege ein – und somit auch CO2. Unsere Frachten und Touren optimieren wir durch weniger Packstücke und damit Kartonage trotz gleichbleibender Anzahl an Gütern, aber besserer Auslastung unserer Transportdienstleister. Unsere verantwortungsvolle Arbeitsweise zeigt sich auch in der Wahl unserer Dienstleister: Ausgewählte Partner wie GLS und Dachser, die auf E-Mobilität setzen, wickeln unsere Lieferaufträge ab. Im Lager setzen wir zudem auf rein elektrisch betriebene Flurförderfahrzeuge, die 2024 auf die neueste Technologie umgerüstet werden.
Als Gründungsmitglied der Partslife GmbH setzen wir uns bei der CARAT außerdem seit Jahren dafür ein, Abfälle und insbesondere Sondermüll fachgerecht zu trennen und zu entsorgen. Im bürokratischen Alltag greifen wir für weniger Müll auf eine ‚beleglose Logistik‘ zurück und setzen auf papierlose Warenterminals, E-Mails und Datenübertragung. Auch für die Aufbereitung von Paletten und Gitterboxen sind wir uns nicht zu schade: Wir reparieren sie und halten sie für mehr als die sonst üblichen 5–6 Durchläufe in einem wiederverwendbaren Zustand.

Der Fachkräftemangel gehört ebenfalls zu den Herausforderungen für den Teilehandel. Um dem entgegenzuwirken, startete die CARAT kürzlich eine deutschlandweite Personalmarketing-Kampagne. Gibt es erste Erfolge?

Wir unterstützen unsere Gesellschafter mit weit mehr als nur Konditionen und Ware. Daher war klar: Wir müssen Lösungen im Personal-Recruiting finden, woraufhin wir diese Personalmarketing-Kampagne ins Leben gerufen haben. Die Vielfalt an Positionen, die die CARAT und unsere angeschlossenen Teilehändler bieten, wurde auf einen Blick ersichtlich.

Die ‚500-Stellen-Kampagne‘ war ein voller Erfolg für uns und unsere Gesellschafter. Mit insgesamt 800 Bewerbungen und der erfolgreichen Besetzung einer Vielzahl an offenen Stellen bei unseren Gesellschaftern, können wir eine äußerst positive Resonanz ziehen.

Die CARAT hält mit ad truckdrive und TRUCK SERVICE zwei Werkstattsysteme für Lkw-Betriebe vor. Den (freien) Nfz-Werkstätten geben Sie also Werkzeuge an die Hand, um sich wettbewerbs- und zukunftsfähiger aufzustellen?

Außenansicht des Truck-Center Vreden, ein ad truckdrive-Systembetrieb. Bild: Carat

Immer längere Wartungsintervalle, eine konstant besser werdende Teilequalität und ein verschärfter Wettbewerb – Umstände, die freie Werkstätten täglich vor neue Herausforderungen stellen. Betriebe, die sich auch künftig im harten Wettbewerb behaupten wollen, benötigen nicht nur qualitativ hochwertige Ersatzteile, aktuelle Reparatur- und Wartungsdaten und einen professionellen Marktauftritt, sondern zunehmend auch Unterstützung bei der Unternehmensorganisation und der Weiterbildung.
Unsere beiden Werkstatt-Konzepte, TRUCK SERVICE als Basisversion und ad truckdrive als Premiumvariante, richten sich an Werkstattbetreiber, die von den Vorteilen einer Konzeptpartnerschaft in einem starken Netzwerk mit über 200 Betrieben profitieren möchten.
In der zunehmend digitalisierten Werkstattwelt geht es jedoch nicht nur um schnelle Ersatzteilbeschaffung und Betriebsorganisation. Hierbei spielt unser eigenes Software-Paket EASY WORK eine entscheidende Rolle. Angesichts der digitalen Herausforderungen arbeiten wir kontinuierlich daran unsere Konzepte weiterzuentwickeln, insbesondere im Bereich Online-Präsenz. Unser umfassendes Leistungsangebot, ergänzt durch Dienstleistungen wie Reparatur- und Zubehörfinanzierung sowie Garantien, trägt maßgeblich dazu bei, Kunden zu gewinnen und langfristig zu binden.

Der Konkurrenzdruck, speziell von Seiten der Teilehersteller, ist enorm hoch. Zusätzlich drängen indische und chinesische Unternehmen in den Markt. Wie wird sich der Teilehandel in Zukunft entwickeln?

Ich bin mir sicher, dass wir den Pkw- und Nfz-Ersatzteilmarkt bereits in den nächsten Jahren nicht wiedererkennen werden. Der hohe Konkurrenzdruck wird sich weiter zuspitzen. Da spielen zum einen die angesprochenen neuen Marktteilnehmer eine große Rolle, die den Endkunden durch neue Spielregeln an sich ziehen, zum anderen aber auch die voranschreitenden digitalen Geschäftsprozesse und der zunehmende Eingriff der Hersteller in den freien Aftermarket. Diese Entwicklungen werden dazu führen, dass Nfz-Ersatzteile in Zukunft schneller den Weg vom Teilehersteller in die Werkstatt finden, die Prozesse digitaler werden müssen und die Reparaturansprüche dem Werkstattpersonal deutlich mehr Qualifikation abverlangen. Somit werden Trainings, technische Informationen und die Datenqualität eine noch wichtigere Rolle spielen. Das bedeutet für uns wiederum, dass wir uns bereits heute für die Zukunft aufstellen, um weiterhin eine relevante Zwischenstufe des Teilehandels darzustellen.

Auf der Gesellschafterversammlung der CARAT-Gruppe im Mai sprachen Sie davon, dass sich der Teilehandel anpassen müsse, um in Zukunft erfolgreich zu sein. Können Sie uns Beispiele geben?

Eine konsequente Kundenorientierung, leistungsfähige IT-Systeme, One-to-One-Marketing und differenzierte, auf die Gesellschafter angepasste Vertriebsansätze, bilden den Schlüssel zum Erfolg. Im Fokus standen auch die Unterstützung in der Unternehmensberatung, Sortimentsstrategien und Ausblicke in neue Kommunikationswege des digitalen Marketings in Verbindung mit den richtigen Vertriebsstrategien.
Um in jedem Lager auch in Zukunft die optimale Verfügbarkeit, aber auch den richtigen und wirklich am Standort benötigten Lagerbestand zu gewährleisten, bieten wir unseren Großhändlern regelmäßig eine kostenlose Sortimentsanalyse mit AutoView für den in ihrer Region zugelassenen Fahrzeugpark auf Postleitzahl-Ebene an. So werden nicht nur die einzelnen Lager und Sortimente, sondern auch eine Vielzahl an Prozessen optimiert. Einen weiteren großen Lager- und damit auch Kostenvorteil spielen wir bei der CARAT durch den Einsatz von VMI (Vendor-Managed-Inventory/automatischer Nachschub für das Lager der Gesellschafter) aus. Mithilfe des Automatischen Nachschubs gehen wir einen nächsten Schritt in Richtung KI-basierter und digitalisierter Logistik.

Es braucht schon heute keine Einkäufer oder Disponenten in den einzelnen Anschlusshäusern mehr, vielmehr wird die Ware durch uns und das VMI wöchentlich an die Gesellschafter aus dem Zentrallager geliefert.

In Zukunft werden wir außerdem auf eine zentralisierte Preispflege bei Preisveränderungen unserer Lieferanten setzen und so eine einfachere Preiskalkulation durch unsere Gesellschafter sicherstellen.

Zum Schluss noch zwei persönliche Fragen: Über was haben Sie sich kürzlich am meisten geärgert, über was am meisten gefreut?

Was mich kürzlich geärgert hat und es auch bis heute noch tut, ist die Tatsache, dass es zu oft – ich nenne es mal so – emotionales Handeln am Markt gibt. Viele Unternehmer sind emotional gesteuert, wodurch das Arbeiten weniger wirtschaftlich ausfällt. Umso mehr freue ich mich, dass wir als Kooperation im Markt gerade als unwahrscheinlich stark angesehen werden und sich so viele Perspektiven und Möglichkeiten ergeben, um neue Wege für die Zukunft zu gehen.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4-2023 der Krafthand-Truck.