

„Der Technologiewandel ist dringlich und fordert alle Akteure zum Handeln auf.“
Die Hyundai Hydrogen Mobility AG, ein Joint Venture zwischen der koreanischen Hyundai Motor Company und dem Schweizer Unternehmen H2 Energy, wurde im Juni 2019 gegründet. Im April 2022 folgte die Hyundai Hydrogen Mobility Germany GmbH mit Sitz in München nach. Hyundai brachte die ersten Brennstoffzellen-Lkw nach Deutschland. In kurzer Zeit setzten sieben Unternehmen rund 30 Fahrzeuge ein. Seit Mai 2025 ist Hyundai Hydrogen Mobility AG, mit Sitz in Zürich, ein einhundertprozentiges Tochterunternehmen der Hyundai Motor Company. Wir haben uns mit dem CEO Beat Hirschi über den XCient Full-Cell Truck, die Entwicklung und Chancen der Brennstoffzellen-Technologie bei Nutzfahrzeugen sowie über Persönliches unterhalten.
Herr Hirschi, in Deutschland, in der Schweiz, in Frankreich und Holland sind bereits mehr als 120 Hyundai XCient Fuel-Cell-Lkw unterwegs. Ein beachtlicher Erfolg. Wo geht die Reise hin?
Wir haben ambitionierte Pläne, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Unser Ziel ist es, ganzheitliche Wasserstoff-Ökosysteme aufzubauen und die Technologie international bekannt und nutzbar zu machen. Dabei sind wir auf der Suche nach Kunden, Partnern und Lieferanten, die dieselbe Vision teilen: eine frühzeitige Dekarbonisierung des Schwerverkehrs, den gemeinsamen Erfahrungsaufbau mit innovativer Technologie und die Bereitschaft, in der Einführungsphase auch einen Teil des Mehrwerts mitzutragen, eben auch finanziell. Dabei verfolgen wir In Europa einen klaren, bedarfsorientierten Ansatz: Wir erschließen den Markt nicht strikt länderbezogen, sondern entwickeln Region für Region. Dort, wo die Voraussetzungen stimmen, Infrastruktur und Nachfrage vorhanden sind und ein partnerschaftliches Zusammenspiel möglich ist. Nur so lässt sich der Wandel zur emissionsfreien Mobilität nachhaltig und wirtschaftlich tragfähig gestalten.

Zur Person
Beat Hirschi startete seine berufliche Karriere 1990 bei der Schweizer Firma DHL Solutions und bekleidete bis 2003 unterschiedliche Positionen, beispielsweise als Leiter Luftfracht. 2004 wechselte Hirschi zur Liechtensteinischen Post AG und war bis 2005 Leiter Supply Chain.
Danach zog es ihn wieder zur DHL Schweiz, wo er bis 2010 die Geschäftsleitung innehatte.
Von 2011 bis 2021 leitet er die Fachstelle Logistik bei der Coop Genossenschaft und war verantwortlich für die weltweite Logistik sowie die nationalen Projekte in der Logistik, inklusive der Nachhaltigkeitsprojekte.
Seit 2021 ist Hirschi CEO der Hyundai Hydrogen Mobility AG. Er verantwortet den Rollout und den Hochlauf des Brennstoffzellen-Lkw XCient Fuel-Cell in Europa.
Welche Vorteile bietet ein Lkw mit Brennstoffzelle im Vergleich zum BEV? Die Technik ist komplexer.
Auch wenn die Brennstoffzellentechnologie technisch anspruchsvoller ist, kombiniert sie das emissionsfreie Fahren mit einer hohen Alltagstauglichkeit für den schweren Güterverkehr. Der Antrieb erfolgt ebenfalls elektrisch, jedoch mit dem klaren Vorteil der deutlich kürzeren Betankungszeiten im Vergleich zum reinen Batteriebetrieb. Gerade im logistischen Einsatz, wo Zeit ein kritischer Faktor ist, bietet dies einen spürbaren operativen Mehrwert. Zudem bleibt die Fahrzeugverfügbarkeit durch geringere Ladezeiten hoch, was insbesondere bei längeren Strecken oder eng getakteten Einsatzplänen von Bedeutung ist.
Der parallele Aufbau einer Wasserstoff- und einer elektrischen Ladeinfrastruktur, wird volkswirtschaftlich günstiger als der alleinige Aufbau einer E-Ladeinfrastruktur.
Wie stellt sich die Entwicklung der H2-Tankinfrastruktur dar (im Optimalfall steht ‚Grüner Wasserstoff‘ zur Verfügung) und in wieweit konkurriert sie gegenüber dem Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Lkw (Megawatt-Charging/MCS)?
Beide Technologien, Brennstoffzelle und der rein batterielektrische Antrieb, haben Ihre Daseinsberechtigung und Anwendungsfälle. Wir sehen bei schweren Lkw eher Vorteile für die Brennstoffzelle im Hinblick auf Nutzlast, Reichweite und Betankungs-/Ladezeit. insbesondere bei schweren Lkw kommt dazu die Kapazität des Stromnetzes als limitierender Faktor hinzu. Denn die Megawatt-Charger müssen am Netz angeschlossen die entsprechend ausreichende Anschlussleistung liefern. Das ist bei kleineren Flotten möglich, bei Großflotten nicht umsetzbar und/oder mit massiv hohen Kosten und gegebenenfalls auch langen Projektlaufzeiten verbunden. Der parallele Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur und einer elektrischen Ladeinfrastruktur wird volkswirtschaftlich langfristig insgesamt günstiger als der alleinige Aufbau einer reinen E-Ladeinfrastruktur.

Sprechen wir über die Technik des XCient Fuel-Cell. Die E-Maschine liefert Siemens, das Getriebe Allison Transmissions, die Hochvoltbatterie Akasol? Einen Sticker von BorgWarner habe ich auf einem HVLP-Leistungsinverter für Nebenaggregate gesehen. Die beiden Brennstoffzellen-Stacks stammen aus dem Hyundai Nexo. Das Fahrzeug selbst ist eine Eigenentwicklung?
Das Fahrgestell des Xcient Fuel-Cell basiert auf einer bewährten Plattform, die Hyundai bereits in verschiedenen Anwendungen, etwa im Dieselbereich, erfolgreich im Einsatz hat. Diese erprobte Grundlage wird für den Brennstoffzellenantrieb weiterentwickelt und spezifisch angepasst. Die eingesetzte Technologie stammt sowohl von renommierten Partnern als auch aus dem Hyundai-Konzern selbst.
Herzstück des Fahrzeugs bleiben jedoch die beiden Brennstoffzellen-Stacks, die sich aus der bewährten Technologie des Hyundai Nexo speisen. Diese Komponenten wurden speziell für den Einsatz im schweren Nutzfahrzeugbereich weiterentwickelt.
Insgesamt blickt Hyundai auf über 25 Jahre Erfahrung in der Wasserstofftechnologie zurück. Die mehr als 300 Millionen Kilometer, die Hyundai weltweit mit Wasserstofffahrzeugen zurückgelegt hat, darunter über 17 Millionen Kilometer allein im schweren Nutzfahrzeugsegment, belegen die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems.
Ab 2025 wird die nächste Fahrzeuggeneration (Gen3) mit Hochvoltbatterien aus eigener Entwicklung und Fertigung durch Hyundai Mobis ausgestattet, ein weiterer Schritt in Richtung vertikaler Integration. Das gesamte System, von der Brennstoffzelle über die Batterie, das Fahrwerk bis hin zur Steuerung, stammt somit künftig vollständig aus dem Hyundai-Konzern. Dies ermöglicht eine optimale Abstimmung aller Komponenten und schafft für unsere Kunden ein besonders robustes, wartungsfreundliches und effizientes Fahrzeugkonzept. Kurz gesagt: Ein zuverlässiges System aus einer Hand.

„Mit batterieelektrischen Nutzfahrzeugen alleine, lässt sich der Markt nicht dekarbonisieren. Zu hoch sind die notwendigen Investitionen, beispielsweise in ein performantes Stromnetz und die notwendigen Ladeparks. Zudem ist der Platzbedarf enorm. Mit unseren XCient Fuel-Cell Trucks bieten wir eine saubere Alternative. Am Ende müssen unterschiedliche Technologien ineinandergreifen“, so Mark Freymüller, CEO der Hyundai Commercial Vehicles & Hydrogen Europe GmbH, bei seinem Vortrag auf der Handelsblatt Jahrestagung Nutzfahrzeuge in München.
(Bild: Handelsblatt/Foto Vogt GmbH)
Sie bieten für den XCient Fuel Cell verschiedene Aufbauten an, darunter Trocken- und Kühlkoffer (auch für Tiefkühltransporte), Planenaufbauten und Wechselbrücken. Seit Kurzem sind auch Aufbauten für kommunale Fahrzeuge dabei?
Ja, das ist korrekt. Neben den klassischen Aufbauten erweitern wir unser Angebot stetig. Neu hinzugekommen sind spezifische Lösungen für kommunale Anwendungen. Die technische Basis des Fahrzeugs bleibt dabei bewusst unverändert, ein zentraler Aspekt für uns bei Hyundai Hydrogen Mobility. Dadurch können wir uns gezielt auf die Integration verschiedener Aufbauten und Anwendungsszenarien konzentrieren, ohne Kompromisse bei der Systemstabilität oder der Schnittstellenqualität einzugehen. Die Umsetzung erfolgt stets in enger Abstimmung mit dem Kunden sowie mit lokalem Aufbaupartnern, die ihr branchenspezifisches Know-how einbringen. Das Resultat ist ein Fahrzeug, das exakt auf den jeweiligen Einsatzbereich zugeschnitten ist, flexibel, funktional und zuverlässig.
Wer liefert die Aufbauten und wer rüstet die Fahrzeuge nach?

Dabei handelt es sich um europäische Unternehmen, die von Hyundai für den Aufbau zertifiziert wurden, darunter beispielsweise Paul Nutzfahrzeuge, Wüllhorst, Schmitz Cargobull oder Terberg sowie weitere spezialisierte Anbieter wie Mammut oder Palfinger im Bereich Kransysteme.
Wer liefert die Aufbauten und wer rüstet die Fahrzeuge nach?
Dabei handelt es sich um europäische Unternehmen, die von Hyundai für den Aufbau zertifiziert wurden, darunter beispielsweise Paul Nutzfahrzeuge, Wüllhorst, Schmitz Cargobull oder Terberg sowie weitere spezialisierte Anbieter wie Mammut oder Palfinger im Bereich Kransysteme.
Wer erledigt den qualifizierten Service und die Reparaturen an den Brennstoffzellen-Lkw in Deutschland? Arbeiten Sie mit autorisierten Partnerwerkstätten zusammen?
Wir arbeiten europaweit mit einem wachsenden Netzwerk autorisierter Servicepartnern. In den vergangenen zwei Jahren konnten wir 17 Aftersales-Partner für unser Servicenetz in Europa gewinnen, darunter auch namhafte Wettbewerbsunternehmen aus der Branche, die das Potenzial einer zukunftsweisenden Technologie erkannt haben. Sie nutzen die Zusammenarbeit mit Hyundai, um ihre Position im Wasserstoffsegment zu stärken und ihre Mitarbeitenden gezielt weiterzubilden.
Die technische Schulung der Werkstattteams wird durch unsere Hyundai-Spezialisten durchgeführt. Zudem gewährleisten wir die Ersatzteilversorgung über das etablierte Hyundai-Passenger-Car-Netzwerk, welches eine zuverlässige Verfügbarkeit sicherstellt. So schaffen wir die Voraussetzungen für einen flächendeckenden, qualifizierten Service, nah am Kunden und auf dem neuesten Stand der Technik.
In der Schweiz setzen Sie auf ein Pay-per-Use Modell. Das Fahrzeug wird in Kilometern abgerechnet. In Deutschland hingegen bietet Sie den XCient Fuel-Cell zum Direktkauf an. Hinzu kommen entsprechende Service-Pakete. Über Hylane ist aber auch in Deutschland die Miete möglich?

Zu Beginn der Markteinführung in der Schweiz haben wir bewusst auf ein Pay-per-Use-Modell gesetzt. Dies war vor allem der damaligen Situation geschuldet: Hyundai war im schweren Nutzfahrzeugsegment noch weitgehend unbekannt, die Wasserstofftechnologie galt als neu, und auch die Infrastruktur steckte in den Anfängen.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich das Marktumfeld deutlich weiterentwickelt, sowohl technisch als auch strukturell. Heute liegt unser Fokus klar auf dem Direktverkauf der Fahrzeuge. Gleichzeitig arbeiten wir eng mit Infrastrukturbetreibern und Mobilitätsanbietern zusammen, um den Markthochlauf gesamthaft zu unterstützen.
Kooperationen mit Partnern wie Hylane schätzen wir sehr. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs und ermöglichen es Kunden, durch Mietmodelle einen niederschwelligen Zugang zur Technologie zu erhalten. Dieses Zusammenspiel aus Verkauf, Service und alternativen Nutzungsmodellen bildet die Grundlage für ein nachhaltiges Ökosystem rund um den XCient Fuel-Cell.
Um der Brennstoffzellen-Technologie bei Lkw zum Durchbruch zu verhelfen müssen neben der Tankinfrastruktur am Ende des Tages auch die Gesamtkosten (TCO) stimmen. Wie kann das gelingen?

Die Diskussion rund um die Total Cost of Ownership (TCO) ist berechtigt und bleibt der zentrale Faktor für die Marktakzeptanz. Derzeit besteht jedoch noch eine deutliche Schieflage: Einerseits greifen die Fördermechanismen für alternative Antriebe nicht ausreichend, andererseits sind Dieselfahrzeuge nicht entsprechend besteuert. Die angekündigte CO₂-Bepreisung der Diesel Lkw hätte eine Lenkungswirkung zur Folge haben müssen. Doch seit der Festlegung der Referenzwerte im Jahr 2019 wurden der Berechnungsmechanismus mehrfach zugunsten konventioneller (ICE)-Antriebe angepasst, nicht jedoch die Basis, mit dem Resultat ausbleibender Strafzahlungen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Technologien wie Brennstoffzellen-elektrische Fahrzeuge in der TCO-Betrachtung mit Kostenmodellen von Dieselmodellen aus vergangenen Jahren verglichen werden, was meines Erachtens das Bild verzerrt.
Förderungen sind kein Selbstzweck, sie sind in der Hochlaufphase essenziell, um Investitionssicherheit zu schaffen und technologische Entwicklungen zu ermöglichen. Dafür braucht es jedoch stabile politische Rahmenbedingungen und einen verlässlichen Planungshorizont, idealerweise über die nächsten zehn Jahre hinaus. Die derzeitige Unsicherheit, immer gepaart mit dem Einfluss großer OEMs auf regulatorische Prozesse, führt zu Zurückhaltung auf Kundenseite.
Wir, wie auch viele andere Marktakteure fordern daher klare, langfristige und technologieoffene Rahmenbedingungen, die Innovationen ermöglichen, anstatt sie auszubremsen. Nur so kann der Umstieg auf emissionsfreie Antriebssysteme wirtschaftlich sinnvoll und breitflächig gelingen.
Förderungen sind kein Selbstzweck, sie sind in der Hochlaufphase essenziell, um Investitionssicherheit zu schaffen und technologische Entwicklungen zu ermöglichen.
Eine gute Tradition ist die Abschlussfrage: Über welche Begebenheit haben Sie sich kürzlich am meisten geärgert, über welche am meisten gefreut?
Am meisten freut es mich, dass Wasserstoff zunehmend als Schlüsseltechnologie erkannt wird, nicht nur in der Mobilität, sondern auch in zahlreichen weiteren Anwendungsfeldern. Diese wachsende gesellschaftliche und politische Wahrnehmung zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Als Hyundai dürfen wir diesen Wandel aktiv mitgestalten, was für uns Ehre und Ansporn zugleich ist.
Geärgert – oder besser gesagt: herausgefordert – hat mich die Tatsache, dass wir trotz großem Engagement und klarer strategischer Ausrichtung noch nicht alle gesetzten Ziele und Meilensteine erreicht haben. Doch auch das gehört zu einem Pionierprojekt. Es motiviert uns, noch gezielter und entschlossener voranzugehen. Fortschritt ist selten linear. Wir sind aber überzeugt, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern und direkten Wettbewerbern den Weg erfolgreich weitergehen werden.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3-2025 der Krafthand-Truck.











