Paul Hydrogen Power Truck (PH2P) mit Silke Frank und Bernhard Wasner auf der PIN21 Clean-Trucking-Conference im Juni 2022 in Vilshofen. Bilder: Paul Group
Krafthand-Truck im Gespräch mit Bernhard Wasner, CEO der Paul Group

„Wir reden nicht – wir machen!“

Die Paul Group, zu der neben der Paul Nutzfahrzeuge GmbH auch die Josef Paul GmbH & Co. KG mit einem Nutzfahrzeug-Service-Center in Passau-Sperrwies gehört, befindet sich seit über zwei Jahrhunderten in Familienbesitz. Zu Beginn war es eine einfache Dorfschmiede, heute beschäftigt die Gruppe rund 500 Mitarbeiter(innen). Zum Kerngeschäft gehören seit jeher Spezialumbauten, mittlerweile auch die Entwicklung und Produktion von batterieelektrischen und Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw. Seit Juli 2021 wurde das Unternehmen von den zwei Geschäftsführern Josef Paul und Bernhard Wasner an der Spitze geführt. Seit Anfang März 2023 erweitert Andreas Bartels die Geschäftsführung der Paul Group als CFO an der Seite von Bernhard Wasner. Der Familienunternehmer und Geschäftsführer Josef Paul hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Wir haben mit CEO Bernhard Wasner über die Unternehmensstrategie, die Zukunft der alternativen Antriebe sowie über Persönliches gesprochen.

Sehr geehrter Herr Wasner, die Paul Nutzfahrzeuge GmbH hat mit dem Sonderfahrzeugbau und der Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben, zahlreiche, zumal hochkomplexe Betätigungsfelder. Wie bekommen Sie als mittelständisches Unternehmen das alles unter einen Hut?

Im Sonderfahrzeugbau haben wir seit langem gelernt, immer wieder neue, aktuelle Probleme zu lösen. Und für uns als mittelständisches Unternehmen gehört Transformation zu unser Unternehmensgeschichte. Derzeit gibt es im Automobil-, Transport- und Verkehrssektor umfassende neue Anforderungen und Umbrüche, insbesondere was klimaneutrale Antriebe und die Produktion betrifft. Die Paul Group hat über zehn Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Elektromobilität für Nutzfahrzeuge. Bereits vor sechs Jahren haben wir zusammen mit dem Partner BPW und der eTransport-Antriebsachse, den Mercedes-Benz E-Vario realisiert. Daraus hat sich die gemeinsame Entwicklung des BAX ergeben, der erste vollelektrische E-Lkw aus Deutschland. Ab 2021 ist von uns der PH2P-Truck entwickelt worden – ein serienreifer, förderfähiger, mittelschwerer Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw mit 24 Tonnen Zuggesamtgewicht und etwa 450 Kilometern Reichweite.

Transformation gehört zu unserer Unternehmensgeschichte.

Im ‚Next Mobility Konsortium‘ bieten wir zudem gemeinsam mit Shell und MaierKorduletsch auch leistungsstarke Infrastruktur-Lösungen und Vermarktungsmodelle an. Unser Credo: Alles, was wir nicht allein machen können, setzen wir mit Partnern und Lieferanten um, die genauso kompetent, innovativ und auch pragmatisch schnell in der Umsetzung sind wie wir selbst.

Wie würden Sie vor diesem Hintergrund Ihren Führungsstil beschreiben?

Ich habe vor kurzem einen Post auf LinkedIn veröffentlicht, der sehr oft geklickt und geteilt wurde. Die Überschrift lautete „Wir bauen so geilen Scheiß hier!“ Ich habe beschrieben, wie gerne ich in diesem Unternehmen arbeite, unter anderem weil hier alle jeden Tag Außergewöhnliches leisten. „Nicht reden. Machen!“ ist unser Motto. Zudem bin ich ein Freund der offenen Worte, sowohl was die Kritik angeht als auch die Wertschätzung. Als Führungskraft fordere ich nicht nur, sondern lobe auch. Mir ist wichtig, immer respektvoll und verantwortungsbewusst mit allen Kolleginnen und Kollegen umzugehen. Zudem setzen wir bei der Paul Group auf flache Hierarchien, klare Ziele und Ansagen, auf ein direktes Feedback der jeweiligen Projektverantwortlichen, auf kurze Wege und persönliches Vertrauen.
Agiles Arbeiten ist nicht nur im Start-up möglich – Sprints gehören bei uns ebenso zum Arbeitsalltag. Die Branche jammert oft, beschwert sich über verfehlte Politik, schwierigste Lieferbedingungen und unklare Fördermaßnahmen. Natürlich gibt es viele Herausforderungen, die angegangen werden müssen, keine Frage. Aber wir als Unternehmen konzentrieren uns auf das, was wir direkt beeinflussen können, arbeiten an neuen Wegen und gestalten aktiv unsere Zukunft mit. Um weiteres Wachstum zu ermöglichen, wird neben der neuen Firmenstruktur auch an den Menschen gearbeitet. Mit neuen Talenten und einer neuen Generation von Mitarbeitenden wird auch eine neue Arbeitskultur lebendig. Das erfordert gleichzeitig, dass die Unternehmenskultur laufend an diese Veränderungen angepasst wird.

Wir konzentrieren uns auf das, was wir beeinflussen können.

Zusammen mit dem Spezialisten für Achssysteme BPW produzieren Sie am Standort Vilshofen den batterieelektrischen Lkw BAX 7.5 für die Kurzstrecke. Wie sieht die Zusammenarbeit aus und wie hoch ist die Fertigungstiefe auf ihrer Seite?

Die Produktion auf Basis eines Glider-Chassis erfolgt bei Paul in Vilshofen. BPW entwickelte neben der Antriebstechnik auch die Vernetzung und Systemintegration des Fahrzeugs. Wir übernehmen die komplette Endfertigung, inklusive der mechanischen Integration sämtlicher Antriebs-Komponenten sowie auch die Homologation für den gesamteuropäischen Markt.

Der vollelektrische Fahrmischer von Paul auf Basis eines Mercedes-Benz Arocs.

Ja, auch für den Battery-Electric Arocs ist Paul Fahrzeughersteller. Der von uns integrierte elektrische Antriebsstrang bietet eine Dauerleistung von mehr als 300 kW sowie eine Spitzenleistung von mehr als 400 kW. Wir statten das Fahrzeug, dessen Fahrgestell (8×4) samt Kabine auf dem Arocs von Mercedes-Benz Trucks basiert, mit einer elektrischen Zentralmotorlösung aus. So können die bewährten Außenplanetenachsen des Arocs genutzt werden, um auch weiterhin die für den robusten Baustelleneinsatz benötigte Bodenfreiheit und Geländegängigkeit zu bieten. Der Battery-Electric Arocs, der über ein zukunftsfähiges 800-V-Bordnetz verfügt, kann mit sechs oder sieben Batteriepaketen mit jeweils 60 kWh nutzbarer Energie konfiguriert werden. Mit sieben Batteriepaketen sind nach ersten Berechnungen Reichweiten von deutlich über 200 Kilometern mit Dauerbetrieb des Betonmischers auf der Baustelle möglich.

Mit dem PH2P-Truck haben Sie zusätzlich einen mittelschweren, 16 Tonnen Brennstoffzellen-Lkw am Start. Das Fahrzeug soll eine Reichweite von 450 Kilometern haben. Verraten Sie uns technische Details?

PH2P Truck: Technische Zeichnung mit waagerechter H2-Tankanordnung.

Der PH2P-Truck ist ein förderfähiger, mittelschwerer 16 t Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw mit 24 t Zuggesamtgewicht. Er wurde auf der IAA-Transportation 2022 serienfertig vorgestellt. Das horizontal verbaute Wasserstofftanksystem fasst 30 Kilogramm, das Fahrzeug verbraucht rund 6,5 Kilogramm Wasserstoff auf 100 Kilometer. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 85 km/h, die Dauerleistung bei 120 Kilowatt, die Spitzenleistung bei 300 Kilowatt. Wir haben PH2P auf einem Mercedes Atego 4×2 Glider-Chassis aufgebaut. Der Truck mit Luftfederung an der Hinterachse, nutzt eine 80-kW-Brennstoffzelle von Toyota sowie einen einstufigen 120-kW-Antrieb von Voith mit einem Dauerdrehmoment von 2.800 Nm und zwei 60-kW-Batterien. Das Antriebsmanagement wurde in Kooperation mit Pepper-Motion umgesetzt, einem Hersteller und Entwickler innovativer, emissionsfreier Antriebssysteme, der auch die Software-Integration durchgeführt hat.

Die Nutzfahrzeugbranche leidet unter Fachkräftemangel. Dies fängt bei spezialisierten Ingenieuren(innen) an, geht über Techniker(innen), Lkw-Mechatroniker(innen) bis hin zu Lkw-Fahrer(innen). Wie begegnen Sie bei Paul Nutzfahrzeuge dem Thema?

Wir setzen hier vor allem auf die ganze Bandbreite der crossmedialen Ansprache. Wir wollen junge Nachwuchs-High-Potentials und talentierte Fachkräfte über die Kommunikation in Print- und Onlinemedien sowie Social-Media erreichen – hier insbesondere über Meta. Zudem setzen wir Recruiter auf internationalen Märkten ein, die uns hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland vermitteln.

Letztendlich müssen die neuen Lkw mit neuer Antriebstechnik auch gewartet und repariert werden. Wie sieht (zukünftig) das Servicenetz aus?

Die Überlegung von Paul ist hier unsere enge Partnerschaft mit Daimler-Truck zu nutzen. Bereits im Rahmen unseres Umbaugeschäfts, konnten wir die Sonderfahrzeuge bereits sehr gut servicieren lassen. Für die neuen Antriebe bieten wir eine rechtskräftige Schulung sowohl für Hochvolt- als auch für Wasserstofffahrzeuge an. Hinzu kommen Schulungen zu Gasantrieben sowie das dazugehörige Sonderwerkzeug- und das Werkstattkonzept. Hierfür haben wir eigens die Paul-Academy ins Leben gerufen, wo wir mit professionellen Trainern unsere Servicepartner qualifizieren. Für den BAX ist beispielsweise BPW Generalunternehmer und vermarktet das Fahrzeug inklusive Aftersales und Service. Am ersten öffentlichen H2-Mobility-Hub für Lkw auf dem Firmengelände von Paul in Passau servicieren wir die PH2P-Fahrzeuge selbst. Der weitere Ausbau des Servicenetzes mit Partnern wie Mercedes-Benz ist in Planung.

 

Zur Person

Bernhard Wasner.

Bernhard Wasner begann nach Abschluss seiner Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker seine Karriere bei Paul. Nach Weiterbildung zum Meister wurde er 2008 als Betriebsleiter bestellt und ab 2016 zum Geschäftsführer der Josef Paul GmbH & Co. KG. Er entwickelte das Unternehmen in den folgenden Jahren maßgeblich weiter und ist seit 2021 Geschäftsführer der Unternehmensgruppe. Seinen Fokus legt er auf Zukunftsthemen und die langfristig strategische Ausrichtung. Dabei spielen Themen, wie die Digitalisierung, neue Antriebs- und Softwarelösungen, die Prozessoptimierung und die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle.

 

 

Eine letzte, persönliche Frage: Worüber haben Sie sich kürzlich am meisten geärgert, über was am meisten gefreut?

Das größte Fragezeichen sehen wir hinter der KSNL-Förderung für klimafreundliche Nutzfahrzeuge. Das ist eindeutig kein Modus, der sowohl die Kunden als auch die Nutzfahrzeug-Hersteller glücklich macht! Dass wir alle für den Markthochlauf von klimafreundlichen Nutzfahrzeugen Anschub in Form von Förderung brauchen, ist klar. Es fehlen noch die entsprechenden Produktionsmengen für eine Kostenreduktion. Dazu braucht man auch eine zuverlässige und berechenbare Förderung, die sowohl dem Nutzer, also dem Fuhrparkbetreiber, als auch dem Fahrzeughersteller einen realistisch planbaren Vorlauf ermöglicht. Ansonsten wird das nichts mit der Klimawende in Deutschland, denn dann haben wir uns mal wieder in einem Thema „verbeamtet“. Darüber hinaus ärgert mich die Vorgabe zur Gesamtlänge von H2-Lkw, denn sie ist eine Erfolgsverhinderungs-Vorgabe des Bundes. Es werden weitere 90 Zentimeter Gesamtlänge benötigt, um Wasserstofftanks hinter dem Fahrerhaus integrieren zu können. Wir führen bereits Gespräche auf vielen Ebenen hierzu. Zum Glück gibt es eine Menge Unterstützer in der Politik, die diesen Weg ebnen wollen, um Wasserstoff-Lkw schnell und unkompliziert auf die Straße zu bringen. Darüber freue ich mich sehr!

 

Unternehmensprofil

Die Paul Group vereint unter ihrem Dach marktführende und markttreibende Unternehmen im Automotive- und Nutzfahrzeug-Sektor, die sich der gemeinsamen Programmatik ‚Transforming-Trucking‘ verpflichtet haben. Paul ist ein marktführendes Unternehmen im Sonderfahrzeugbau Europas und mit jährlich über 1.000 Umbauten weltweit eines der gefragtesten Unternehmen. Seit 2010 ist Paul im e-Mobility-Geschäft tätig, der Bereich Next-Mobility ist ein eigener Geschäftsbereich. Als treibender Partner hat Paul mit dem Next-Mobility-Konsortium zusammen mit Shell und dem Tankstellenbetreiber MaierKorduletsch eine skalierbare Plattform entlang der Wertschöpfungskette für H2-Lkw geschaffen. Mit dem größten Nutzfahrzeug-Service-Center der Region Passau ist Paul zudem kompetenter Mehrmarken-Partner für Lkw, Transporter und Busse. Am Standort Passau ist das Unternehmen autorisierter Verkaufs- und Servicepartner von Mercedes-Benz für Nutzfahrzeuge und Pkw und seit 2020 auch Wohnmobil Vertriebs- und Fullservice-Anbieter der Hymer-Group. Am Standort Vilshofen ist man autorisierter Servicepartner für MAN-Nutzfahrzeuge. Der Paul IT-Dienstleister mit umfassendem Know-how im Bereich Digitale Transformation und Softwareentwicklung für Elektro- und Wasserstoffmobilität komplettiert die Unternehmensgruppe.

 

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1-2023 der Krafthand-Truck.