Singener Eisengießerei Fondium
Leichtbaukomponenten aus leichtem Sphäroguss mit bionischem Design gehören zu den Spezialitäten der Singener Eisengießerei Fondium. 1.000 Mitarbeiter verarbeiten dort auf den weltweit modernsten Produktionsanlagen jährlich rund 192.000 Tonnen Eisenguss und produzieren daraus Sicherheitskomponenten für Pkw und Lkw. Bild: Fondium
Hinter den Kulissen

Gießerei und Montagelinie von Sattelkupplungen

Zu den Spezialitäten von SAF-Holland zählen Sattelkupplungen und Königszapfen. Ein Exklusiv-Kunde ist seit Kurzem der amerikanische Brennstoffzellen-Lkw ‚Nicola‘. Die Renner im Portfolio sind jedoch Sattelkupplungen für die breite Masse aus leichtem Sphäroguss. Die Sattelplatten hierfür entstehen bei Fondium in Singen am Bodensee, wo auch die Endmontage erfolgt. KRAFTHAND-Truck hatte Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen – in die Gießerei und auf die Montagelinie – zu werfen.

Es ist laut, heiß und stickig in den Hallen der Gießerei von Fondium, einer der größten Eisengießereien Europas. Überall liegt dunkler Staub. Ein Radlader leert einen rauchenden Behälter, in dem sich rotglühendes, flüssiges Eisen befindet, in den brodelnden Schlund eines riesigen Gussofens. Es gibt einen kurzen, zischenden Eisenschmelze-Regen, bei dem glühende Eisentropfen den Sicherheitsschuhen bedenklich nahe kommen. Dann macht sich der Radlader wieder auf den Weg, um den Bottich, im Fachjargon ‚Konverter‘ genannt, erneut am Herzstück der Gießerei, dem Kupolofen, mit flüssigem Eisen zu füllen.

Auf der Rückseite des Gussofens tritt indes flüssiges, hellrotglühendes, rund 1.450 Grad heißes Eisen aus und läuft vollautomatisiert in die auf einem Förderband befindlichen Sand-Gussformen. Ein Stück weiter, wenn der Inhalt erstarrt und abgekühlt ist, trennen Roboter die Gussformen und entfernen ebenfalls vollautomatisch unnötige, aber fürs Gießen notwendige Gussfahnen von den im Sphäroguss entstandenen Sattelplatten-Rohlingen. Was die Roboter übrig lassen, schlagen kräftige Arme mit einem ebenso kräftigen Hammerschlag manuell ab.

Auf ähnliche Weise entstehen bei Fondium unter anderem auch Differentialgehäuse, Bremssättel und Achskomponenten aus leichtem Sphäroguss, in Fachkreisen auch als ‚GGG‘ (globularer Grauguss) oder Gusseisen mit Kugelgraphit bekannt, für namhafte Player der Fahrzeugindustrie. Das Besondere dabei ist das bionische Design mit natürlichen Strukturen, wodurch die Bauteile gegenüber herkömmlichen nochmals leichter werden – eine Spezialität von Fondium. Aus der Nutzfahrzeugbranche gehören Zulieferer wie SAF-Holland, Knorr-Bremse, Haldex und ZF zur Kundschaft, bei den Fahrzeugherstellern bedienen die Singener die ‚Big Seven‘.

Kompetenz in Eisenguss

SAF-Holland lässt bei Fondium die Sattelplatten für das ‚Fifth Wheel‘ fertigen, die nur wenige Meter weiter – quasi ‚über dem Hof‘ – in separaten Räumen auf einer eigenen Fertigungslinie zu kompletten Sattelkupplungen montiert werden. Beides hat am Standort Singen eine lange Tradition: 1895 errichtete der Schweizer Großindustrielle Georg Fischer das Gusswerk, wo derzeit rund 1.000 Mitarbeiter beschäftigt sind und jährlich rund 192.000 Tonnen Eisenguss verarbeiten. Unter der Marke ‚+GF+‘ wurden dort neben den verschiedensten Fittings für die unterschiedlichsten Anwendungen auch Sattelkupplungen mit dem Markenzeichen ‚+GF+‘ hergestellt. 2008 übernahm schließlich SAF-Holland die Sattelkupplungsfertigung der ‚Georg Fischer Verkehrstechnik GmbH‘, dem bis dahin zweitgrößten Hersteller von Sattelkupplungen in Europa – und aus den ‚+GF+‘-Sattelkupplungen wurden ‚SAF-Holland‘-Sattelkupplungen.

Montagelinie der Sattelkupplungen von SAF-Holland
Direkt in der Nachbarschaft von Fondium fertigt SAF-Holland seine Sattelkupplungen auf modernen Montagelinien. Die leichten und dennoch robusten Sattelplatten bestehen aus Sphäroguss. Bild: Tesche

Und auch bei der Singener Traditionsgießerei selbst gab es Ende 2018 einen großen Umbruch, der letztendlich zum Namenswechsel führt: Aus der ehemaligen ‚GF Casting Solutions Singen‘ wurde ‚Fondium Singen‘, das nun zur neu gegründeten Fondium-Gruppe gehört.

Das Management-Team besteht aus den drei Gesellschaftern Achim Schneider, Arnd Potthoff und Matthias Blumentrath. Alle drei hatten zuvor leitende Funktionen im ‚alten‘ Unternehmen. Zur Fondium-Gruppe gehört noch eine weitere Gießerei in Mettmann, wo ebenfalls rund 1.000 Mitarbeiter Gussteile für die Automobilindustrie herstellen, dazu allerdings jährlich ‚nur‘ 180.000 Tonnen Eisen verarbeiten.

Leicht und dennoch sicher

Sattelkupplung und Königszapfen gehören zur Spezies der sicherheitsrelevanten Komponenten von Trucks und Trailern. Sie müssen einerseits besonders robust sein, zudem sollen sie auch noch leicht sein, um möglichst viel Nutzlast zu ermöglichen. „Unsere ‚Best-in-Class-Lösungen‘ aus Sattelkupplung und Zugsattelzapfen eignen sich für jede Verbindungsaufgabe, egal ob für leichte 7,5-Tonner oder für Sondertransporte bis 75 Tonnen. Dafür entwickeln wir unsere Produkte systematisch weiter und stimmen sie individuell auf die Zugmaschinen und deren Einsatzgebiete ab“, erklärte Dr. Rainer-Rudolf Gärtner, Head of Truck Business Europe bei SAF-Holland in Singen, kürzlich vor Fachjournalisten.

„Um das Gewicht möglichst niedrig zu halten, haben wir die Topologie der Lagerböcke und der Sattelplatte optimiert. Weil die Kupplung direkt in den Fahrzeugrahmen eingebaut und individuell an die Zugmaschine angepasst ist, senkt dies deutlich deren Eigengewicht und erhöht so das Nutzlastpotenzial“, berichtet Gärtner. Zu den Kunden solcher rahmenintegrierter Fifth Wheels gehört unter anderem Mercedes-Benz, der seine Modelle ‚Actros‘ und ‚Antos‘ damit bestückt. Dieses ‚FW 3214-W‘ genannte Modell der 14-Tonnen-Klasse ist wartungsarm und verfügt über eine last- und verschleißoptimierte Kupplungsplatte aus Sphäroguss. „Praktisch ist die standardmäßige Einhandbedienung: Eine Sicherungsklappe ermöglicht das Auf- und Absatteln mit einer Hand“, versichert Gärtner.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 04/19 der Krafthand-Truck.