Oliver Bange (hier vor einem MAN eTGX) plädiert für Technologieoffenheit: "Einfach mal ausprobieren." Bilder: Tip Group
Oliver Bange (TIP-Group) über alternative Technologien

„Das Risiko besteht nicht im Test neuer Technologien, sondern im zu späten Handeln.“

Oliver Bange ist Geschäftsführer Central Region bei der TIP Group, einem international aufgestellten Vermieter von Truck und Trailer. Bange erklärt als Leiter des hauseigenen Projektes ‚Energy Transition‘ im Rahmen der 2030-Strategie, weshalb ein früher Einstieg in nachhaltige Technologien wirtschaftlich sinnvoll ist. So bestünde das eigentliche Risiko nicht im Test neuer Technologien, sondern im zu späten Handeln.

Der Transport- und Logistiksektor steht an einem entscheidenden Wendepunkt“, s0 Oliver Bange. „Steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit und verschärfte Emissionsvorgaben zwingen Unternehmen dazu, ihre Flotten neu zu denken. Viele zögern jedoch, weil unklar ist, welche grünen Technologien sich durchsetzen werden, aus Angst, eine Fehlentscheidung zu treffen. Doch zu warten, bis die beste Lösung feststeht, ist ein Fehler.

First-Mover: Erfahrung als strategischer Vorteil

Bange spricht von einem komplexen Marktumfeld: Etwaige Förderprogramme werden kurzfristig angepasst, regulatorische Rahmenbedingungen seien nicht einheitlich in Europa, die Technologien bei beispielweise Zugfahrzeugen – batterieelektrisch, wasserstoffbasiert oder gasbetrieben – befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. „Eine falsche Investition kann zum Stillstand der Flotte führen, zu finanziellen Verlusten oder regulatorischen Risiken.“ Doch ein Abwarten birgt laut bange ebenso große Gefahren.

Es gibt derzeit keine eindeutige Gewinnertechnologie und das könnte auch so bleiben“, erklärt Bange. „Gas, Batterie, Wasserstoff – alle haben Potenzial. Entscheidend sind die Infrastruktur des Unternehmens, die gesetzlichen Vorgaben, die strategischen Ziele und der operative Kontext. Was für den urbanen Transport in den Niederlanden gut funktioniert, ist möglicherweise ungeeignet für Langstrecken in Osteuropa. Jede Region und jedes Unternehmen hat ihre eigenen Anforderungen.

„„Unternehmen, die Innovation zulassen, sichern sich Wachstum“, so Oliver Bange. Bild: TIP Group

Aus diesem Grund plädiert Bange für Offenheit, für praktische Tests verschiedener Lösungen. Es gehe gleichsam nicht darum, auf den einen Gewinner zu warten, sondern darum, herauszufinden, welche Technologie wo am besten passt und erste Erfahrungen zu sammeln. Dabei meint Bange nicht nur das Fahrzeug oder den Antrieb, sondern das gesamte Ökosystem, also die Infrastruktur, die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die operativen Prozesse und letztendlich die Menschen. Nur so erkenne man, was wirklich zum eigenen Unternehmen passt.

Die Vorteile eines frühen Einstiegs

„Unternehmen, die Innovation zulassen, sichern sich Wachstum. Sie gewinnen neue Kundenaufträge, steigern den Anteil nachhaltiger Technologien in ihrer Flotte und sogar die Fahrer:innen ziehen mit“, erklärt Bange. Zunächst sei die Sorge verbreitet, dass elektrische Fahrzeuge beim Fahrpersonal auf Ablehnung stoßen. Die Erfahrungen von Oliver Bange  zeigten das Gegenteil: Fahrer:innen sind stolz auf moderne Fahrzeuge und fühlen sich als Teil eines wichtigen Wandels.

Unternehmen werden nicht nur effizienter – sie gestalten den Markt aktiv mit“, sagt Bange. „Wer neue Technologien erfolgreich einsetzt, gilt als glaubwürdig. Man erhält mehr Ausschreibungen, beeinflusst sogar deren Inhalte. Eigene Praxiserfahrung wird zur Referenz. Man hat getestet, man hat Daten und es funktioniert. Das verändert die gesamte Debatte zu diesem Thema. Wer Nachhaltigkeit nur als Pflicht versteht, verpasst Potenzial. Es geht darum, das Unternehmen zukunftssicher und wachstumsfähig im Wandel zu verankern.

Ganzheitlich denken

In der Diskussion über den Energiewandel stehe der eigentliche Antrieb oft im Mittelpunkt steht. Dabei sei auch der Trailer entscheidend, so Bange. So hat TIP beispielsweise mit den e-Refeer-Trailern, Kühlauflieger mit elektrisch betriebenem Kühlaggregat im Programm. Hinzu kommen Solar-Versionen und Auflieger mit Rekuperationsachse. „Nachhaltigkeit bedeutet, vorhandene Transportmittel intelligenter zu nutzen“, so Bagne. Auch die Wiederaufbereitung (Refurbishment) von Aufliegern, gehöre dazu. Die Branche sei lange auf den Neukauf fokussiert gewesen. Doch Refurbishment spare CO₂ und Geld.
Auch die Digitalisierung und die Nutzung von Daten spielten laut Bange eine immer wichtigere Rolle. Mit Telematik und intelligenten Monitoring-Systemen lassen sich Auslastung, Verfügbarkeit und Wartungsanforderungen von Aufliegern und Zugmaschinen deutlich.
Die Vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) reduziere die Ausfallzeiten und steigeredie Effizienz der Flotte. Auch dies zähle zu einer gelebten Nachhaltigkeit. „Neben grünen Technologie ist ebenso der intelligente Einsatz von Ressourcen wichtig.“ Hinzu komme die Optimierung der Ladung. „Künstliche Intelligenz kann dabei unterstützen die Routenplanung und Beladung effizienter zu gestalten. Schon kleine Verbesserungen können große Wirkung entfalten“, erklärt Bange.

Am Ende ein klarer Rat

Für Unternehmen, die zwar interessiert, aber noch zurückhaltend sind, hat Bange einen klaren Rat: „Wenn Sie 100 Zugmaschinen im Fuhrpark haben – warum nicht mit drei vollelektrischen Fahrzeugen starten? Das sind gerade einmal 3 Prozent der Flotte. Ein Pilotprojekt ist ein risikoarmer Weg, erste operative Erfahrungen zu sammeln.“ „Niemand muss alles auf einmal umstellen. Im kleinen Maßstab ausprobieren. Lernen Sie, welche Strecken geeignet sind, wie das Laden in der Praxis funktioniert, wie die Fahrer: innen reagieren. All das lässt sich herausfinden, ohne die Existenz des Unternehmens zu gefährden.“ Pilotprojekte orientierten sich dabei am realen Betrieb der Kunden.“ Ein Kühllogistiker in den Niederlanden beginnt möglicherweise mit elektrischen Kühlaufliegern, um emissionsarme Zonen einzuhalten. Ein regionaler Spediteur in Deutschland nutzt E-Lkw, um Mautbefreiungen und Fördermittel zu nutzen. Die Möglichkeiten sind so individuell, wie die Unternehmen, die sie nutzen“, so Bange.

Ein weiteres Interview mit Oliver Bange indem wir mit Ihm über Persönliches, die Nutzfahrzeugbranche im Allgemeinen und über TIP als Dienstleister gesprochen haben, finden Sie hier.