Lkw-Kontrolle
Die Bremsanlage bei Lkw und Trailer gibt immer wieder Anlass zu Beanstandungen. Dies zeigt nicht nur die Mängelstatistik des TÜV, sondern vor allem auch die stichprobenartigen Unterwegskontrollen, die von der Polizei oder vom BALM durchgeführt werden. Bilder: Marco Mayans Sanchez
Blickpunkt Bremse – Teil 1

Unterwegskontrolle: Bremsanlage – OK oder Totalausfall?

Trotz moderner Fahrzeugflotten auf deutschen Straßen, fallen regelmäßig Fahrzeuge mit gravierenden Mängeln an der Bremsanlage auf. Die Technische Unterwegskontrolle (RL 2014/47/EU) stellt die gesetzliche Grundlage zur Kontrolle von Nutzfahrzeugen auf Straßen und Parkplätzen dar. Sie wird von der Polizei oder dem BALM (Bundesamt für Logistik und Mobilität – früher BAG) stichprobenartig durchgeführt. Im Fokus steht neben der Verkehrs- und Betriebssicherheit eines Fahrzeugs auch die Vorschriftsmäßigkeit.

Da Fahrzeuge, die nach dem 01.01.1991 in Deutschland (01.10.1991 in der EU) zugelassen wurden den europäischen Bauvorschriften entsprechen müssen, ist die UN-R13 als einheitliche Vorschrift für Bremsen von Nutzfahrzeugen als gesetzliche Grundlage heranzuziehen.

HU, SP, Wartungsintervalle und Abfahrtskontrolle

Neben den periodischen Untersuchungen wie der europaweit einheitlich geregelten Hauptuntersuchung, sind ein Großteil der in Deutschland zugelassenen Nutzfahrzeuge und deren Anhänger, in regelmäßigen Abständen einer Sicherheitsprüfung (SP) zu unterziehen. Durch die Untersuchungen soll der Erhalt der Verkehrssicherheit gewährleistet werden. Neben den Wartungsintervallen der Fahrzeughersteller, schreiben die Hersteller von Bremsanlagen für ihre Baugruppen eigene Wartungsintervalle vor. So möchte man eine dauerhafte Funktionsfähigkeit und Betriebssicherheit sicherstellen.

Zudem ist die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer nach den Vorgaben der Berufsgenossenschaft dazu verpflichtet, vor der Abfahrt eine Abfahrtskontrolle durchführen. Ziel ist es, Mängel auf ein Minimum zu reduzieren. Trotz alledem fallen immer wieder Nutzfahrzeuge mit massiven Beanstandungen der Bremsanlage auf, deren Auswirkungen enorme Folgen haben können.

Hilfsmittel

Bestimmte Hilfsmittel sind bei der Kontrolle der Bremsanlage unverzichtbar.

Zur Überprüfung der Bremsanlage sind Standardwerkzeuge wie Messschieber, Winkelspiegel und eine Taschenlampe unverzichtbar. Bei Messschiebern ist darauf zu achten, dass sie für die Stärkenmessung an Bremsscheiben geeignet sind. Dazu sind an den Messschenkeln Backen angebracht, die den eventuell vorhandenen Grat an der Außenseite überbrücken und somit das Messergebnis nicht beeinflussen. Alternativ kann auch ein spezieller Bremsscheiben-Messschieber verwendet werden. Als Hilfsmittel zur ersten Einschätzung eignet sich besonders die Bremsscheiben-Prüflehre von Knorr-Bremse. Damit lässt sich schnell feststellen, ob die Stärke der Bremsscheibe noch ausreicht oder (sofern der Zeiger auf das gelbe Warn-Feld zeigt), eine einhergehende Prüfung notwendig ist. Die Prüflehre ist für Bremsscheiben der Größe 17,5 als auch für 19,5 und 22,5 Zoll einsetzbar.

Für die Kontrolle der Bremsanlage ist zudem ein rechteckiger Winkelspiegel notwendig. Die Spiegel sind auch mit integrierter LED-Beleuchtung erhältlich. Insbesondere die Bremsen an der Antriebsachse von Lkw sind aufgrund der Zwillingsbereifung oft nicht einsehbar. Führt man den Spiegel durch die Felgenlöcher, ist ein Blick auf das Tragbild möglich.

Alternativ kann man auch ein Endoskop zur Überprüfung der Bremsen werden. Die Geräte sind schon für wenig Geld zu bekommen. Der Vorteil ist, dass mit den meisten Geräten gleichzeitig auch Fotoaufnahmen angefertigt werden können.

Als besonders effektives Tool eignet sich bei der Unterwegskontrolle, als auch bei der Funktionsprüfung nach einer Probefahrt, eine Wärmebildkamera. Bereits geringere Abweichung der Bremskraft können aufgrund der verminderten Temperatur optisch sehr gut dargestellt werden. Zudem sind abgeklemmte Bremsleitungen oder auch gerissene Bremsscheiben leicht zu erkennen. Auch sonstige Wärmequellen, wie defekte Radlager oder beschädigte Reifen, lassen sich damit sehr gut aufspüren.

Im Übrigen: Da im Rahmen der Unterwegskontrolle auf den Parkplätzen kein Bremsenprüfstand zur Verfügung steht, ist die Verwendung geeichter Manometer nicht zielführend. Zudem steht kein HU-Adapter zur Bremsdruckermittlung zur Verfügung. Solche Prüfungen können bei entsprechendem Anfangsverdacht bei einer Nutzfahrzeugwerkstätte oder Prüfstelle in der Nähe durchgeführt werden.

Zeitgemäße Systemdiagnose

Lkw-Kontrolle: Mit einer Wärmebildkamera lassen sich Defekte, die mit Temperaturunterschieden einher gehen, sehr gut aufspüren.

Neben den Standard-Werkzeugen gehört ein Diagnosegerät zur notwendigen Ausstattung, um den ordnungsgemäßen Zustand eines Bremssystems zu beurteilen. Leuchtet im Kombiinstrument eine Warn- oder Kontrollleuchte auf, kann der Prüfer mittels Fehlerspeicherabfrage eine erste Einschätzung treffen. Zudem können Datenlisten und Parameterdaten zur weiteren Diagnose eingesehen werden.

Auch die Systemdiagnose an Anhängern gehört zur Unterwegskontrolle. Eine aktive Kontrollleuchte kann ebenso von einem Defekt am Trailer stammen. Je nach Hersteller des Bremssystems, ist eine unterschiedlich tiefe Diagnosemöglichkeit gegeben. Neben den Datenlisten können teilweise detailliertere Daten über den Zustand des Anhängers ausgelesen werden.

Jeder Fehlerzustand, egal ob Zugfahrzeug oder Anhänger, muss in Anbetracht der Zuordnung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, wie Fahrbahnbeschaffenheit, Fahrzeugzustand und Beladung bewertet werden. Dabei ist es essenziell, dass die Eigenschaften und Funktionen des verbauten Bremssystems bekannt sind. Besonders die Mangelbewertung bei Trailern erfordert erweiterte Systemkenntnisse.

Kontrollleuchte ABS

Aktive ABS-Kontrollleuchte: Ist sie auch im Fahrbetrieb aktiv?

Bei einer aktiven ABS-Kontrollleuchte gilt es zunächst festzustellen, ob sie auch im Fahrbetrieb aktiv ist. Ältere Fahrzeuge müssen sich bei Fahrtbeginn selbst initialisieren und einen Selbsttest durchführen. Hier kann eine Geschwindigkeit von mehr als 7 km/h notwendig sein.

Bleibt die ABS-Kontrollleuchte dauerhaft aktiv, muss ermittelt werden, ob das Zugfahrzeug oder der Anhänger von einer Störung betroffen ist. Die Kontrollleuchten signalisieren dies relativ gut. Mittlerweile ist zudem bei fast allen Fahrzeugen auch eine entsprechende Textmeldung im Kombiinstrument sichtbar. Kann die Kontrollleuchte nicht eindeutig identifiziert werden, schafft ein Blick in die Bedienungsanleitung Klarheit. Mittels Fehlerspeicherdiagnose ist in wenigen Minuten klar, wo das Problem liegt.

Besonders häufig sind Fehler in der Raddrehzahlerfassung vorhanden. Defekte Drehzahlsensoren, verschmutzte oder beschädigte Polräder oder auch ein übermäßiges Radlagerspiel führen zu Fehlermeldungen. Ist ein Bremsbelag derartig verschlissen, dass es hier bereits zur Berührung ‚Eisen auf Eisen‘ kommt, setzen sich die Späne oft am magnetischen Teil des ABS-Sensors ab. Dadurch kommt es zu einer Veränderung des Magnetfeldes und das Signal wird nicht mehr korrekt übertragen.

Anhänger-ABS, weitere Systeme

Störungsmeldung des Notbremsassistenten im Instrumentendisplay.

Bei einem Ausfall des Anhänger-ABS können weitere Systeme, entweder am Zugfahrzeug oder am Anhänger selbst, beeinträchtigt sein. Für die elektronischen Stabilitätsprogramme sind beispielsweise zahlreiche Signale – wie zum Beispiel die Raddrehzahl – zwingend notwendig. Wird die Drehzahl nicht mehr übertragen, kann das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen. Da der Trailer über keine eigene Warnleuchte verfügt, wird über das ISO-7638-Verbindungskabel an PIN 5, die entsprechende Warnleuchte im Kombiinstrument des Zugfahrzeugs aktiviert.

Seit dem 1. November 2013 sind für Nutzfahrzeuge ab 3,5 t Notbremsassistenten vorgeschrieben und seit dem 1. November 2015 müssen neue Typen von schweren Lkw und Bussen (N2, N3, M2, M3) mit AEBS ausgestattet sein. Fällt aufgrund eines Fehlers das Anhänger-ABS aus, hat dies zur Folge, dass auch der Notbremsassistent nicht mehr funktioniert. Er kann die Fahrzeugkombination nur sicher abbremsen und den Unfall verhindern oder vermindern, wenn das Bremssystem vollständig funktionsfähig ist. Die Folgen, (gerade bei einer hohen Verkehrsdichte), sind nahezu täglich in den Medien zu sehen.

Datenliste und Parameterdaten

Mittels Diagnosesoftware können die Datenlisten der Bremssysteme eingesehen werden. Dies ist für die Fehleridentifizierung besonders hilfreich. Gleiches gilt auch für die Überprüfung der System- und Arbeitsdrücke. Beispielsweise können bei Wabco-Bremssystem Trailerdaten (wie viele Bremsvorgänge ohne ABS-Stecker durchgeführt wurden) ausgelesen werden. Auch die Höhe der Aggregatlast oder welche Bremsdrücke in Bezug auf die Achslasten einprogrammiert wurden, kann eingesehen werden. Eine Veränderung der Bremsdrücke, die nicht vom Hersteller freigegeben ist, kann weitreichende, sicherheitsgefährdende Folgen für den Fahrzeugführer und die übrigen Verkehrsteilnehmer haben.

 

Der Autor

Marco Mayans Sanchez prüft Lkw und Trailer auf ihre Verkehrssicherheit hin – immer wieder mit großen Überraschungen.

Marco Mayans Sanchez ist gelernter Kraftfahrzeugmechatroniker und hat 2015 seine Prüfung zum Kraftfahrzeugtechniker-Meister abgeschlossen. Er hat unter anderem als stellvertretender Werkstattleiter bei einem großen Ford-Händler in Nürnberg gearbeitet.

2020 stellte er sich einer völlig neuen Herausforderung. Er wechselte zur Verkehrspolizeiinspektion Nürnberg. Dort ist Mayans Sanchez im Bereich der Verkehrsüberwachung tätig. Im regulären Streifendienst überwacht er Nutzfahrzeuge aller Art und ist für die technische Untersuchung zuständig. Die Beurteilung der Vorschriftsmäßigkeit und die Einschätzung der Verkehrssicherheit zählen zu seinen Hauptaufgaben. Zur Beweissicherung erstellt er Lichtbilder und fertigt Gutachten an. Hausintern führt er zudem Schulungen und Fortbildungen durch. Zusätzlich ist Mayans Sanchez Referent am Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei tätig.

 

Die eigentliche Prüfung

Die Überprüfung der Nutzfahrzeuge auf deutschen Straßen ist in der technischen Kontrollverordnung (TechKontrollV) geregelt. Sie setzt die Vorgaben der VO (EU) 2014/47/EU um. Im Anhang II sind der Prüfumfang und die dazugehörige Mängeleinstufung geregelt. Die nachfolgend aufgeführte Vorgehensweise stellt nicht alle Punkte des Prüfumfangs dar. Sie dient als Beispiel für die Durchführung, bezogen auf praktische Erfahrungen.

Der erste Eindruck

Inspektion der Bremse mittels Spiegel. Gehen die Beläge bereits ‚Eisen auf Eisen‘?

Sofern das Fahrzeug vor der Prüfung im Straßenverkehr bewegt wurde, empfiehlt es sich, einen ersten Rundgang zu machen und mittels Wärmebildkamera alle Räder sowie die Radbremsen zu überprüfen. Eine deutliche Abweichung der Abstrahlungswärme liefert bereits erste Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Bremsanlage. Eine zu geringe Abstrahlung könnte die Folge eines zu großen Lüftspiels oder gar einer funktionslosen, beziehungsweise abgeklemmten Bremse sein. Ist die Abstrahlungswärme deutlich höher als bei den übrigen Radbremsen, kann dies auf eine festsitzende Bremse oder auf verschlissene Bremsbeläge (‚Eisen auf Eisen‘) hindeuten. Auch ein defektes Radlager kann der Grund für eine erhöhte Abstrahlungswärme sein.

Bei einem ersten Rundgang kann zudem die obligatorische Sichtprüfung von außen vorgenommen werden. Ein deutlicher Metallabrieb (Späne) an einer Felge oder sonstige Auffälligkeiten müssen in die weitere Prüfung mit aufgenommen werden.

Als nächstes sollte sich der Prüfer auf den Fahrersitzplatz begeben. Hier kann man sich einen Eindruck verschaffen, den der Fahrzeugführer auch während der Fahrt erlangt. Zudem kann das Kombiinstrument in Hinblick auf aktive Warnleuchten oder Textmeldungen überprüft werden. Hier ist darauf zu achten, ob eine ‚störende‘ Kontrollleuchte oder Warnmeldung abgeklebt wurde. Beim Betätigen des Bremspedals dürfen zudem keine Druckluftausstöße (Undichtigkeiten) hörbar sein.

Betätigt man den Hebel der Feststellbremse, muss er in der Raststellung einrasten und halten. Beim Betätigen sollte ebenfalls geprüft werden, ob die verbauten Manometer korrekt funktionieren und wie hoch der Druckabfall beim Betätigen der Betriebsbremse ist. Auch die Aktivierung der Warneinrichtung beim Erreichen des Sicherungsdrucks gilt es zu checken.

Zur weiteren Überprüfung muss das Fahrzeug nun in Fahrstellung versetzt werden. Dazu ist dringend der Lkw gegen Wegrollen mittels Keile zu sichern. Anschließend kann die Feststellbremse gelöst werden. Erst wenn das Fahrzeug sicher steht, können weitere Checks stattfinden.

Schadensbilder bei Lkw und Trailer

Marco Mayans Sanchez hat im Rahmen der Unterwegskontrolle im Laufe der Jahre unzählige Schäden an Bremssystemen erkannt und dokumentiert. Sie reichen vom simplen Verschleiß der Bremsbeläge bis hin zu gerissenen Bremsscheiben oder komplett funktionslosen Bremsen. Im Beitrag ‚Blickpunkt Bremse – Teil 2‘ (Krafthand-Truck 1-2026), erfahren Sie alles zum Thema ‚Schäden an Bremssystemen bei Lkw und Trailer‘. Und das aus erster Hand!

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4-2025 der Krafthand-Truck.