Ergänzung zur Euro-6-Norm

Was bedeutet EVAP?

In Ausgabe 20 der KRAFTHAND erklärten wir, wie der Werkstattprofi die einzelnen Euro-6- Normen identifizieren kann und wo er die entsprechenden Informationen im Kfz-Schein findet. Dafür hatten wir eine praktische Tabelle im Heft. Doch wie so oft im Leben, kaum ist die aktuelle Liste fertig und gedruckt, schon ändern sich die Vorgaben der offiziellen Stellen und man darf ergänzen.

Außer der Euro-6d-TEMP-Stufe gibt es auch die Euro-6d-TEMP-EVAP, bei der nicht nur am Auspuff gemessen wird. Erkennbar ist das im Fahrzeugschein in Feld 14.1 anhand der Schlüsselnummer (Spalte 2) und der Klartextangabe in Feld 14 (Spalte 3). Bild: TÜV Süd, KRAFTHAND/Quelle: KÜS

So geschehen mit unserer Euro-6- Tabelle. Denn zum bekannten Euro-6d-TEMP gesellte sich aktuell die Euro-6d-TEMP-EVAP, der die Schlüsselnummern 36BG, 36BH und 36BI zugeordnet werden. Was verbirgt sich hinter dieser neuen Norm? Schließlich sind die gesamten geprüften Werte exakt deckungsgleich mit Euro-6d-TEMP.

Erfassen von Ausdünstungen

Das Kürzel EVAP steht für Evaporative Emission“, zu Deutsch Verdunstungsemission. Unter Verdunstungsemissionen im Kraftfahrzeugbau versteht man das Verflüchtigen von Kohlenwasserstoffverbindungen aus organischen Materialien und Kraftstoff, die durch Verdunstung oder Durchdringung durchlässiger Komponenten das Fahrzeug verlassen. Es handelt sich dabei nicht um die Abgasemissionen, die bei einem laufenden Verbrennungsmotor über die Abgasanlage ausgestoßen werden, sondern – lapidar ausgedrückt – um alles, was sonst so aus dem Kfz herausdampft und -wabert.

Generell unterscheidet man Non- Fuel-Emission und Fuel-Emission. Non-Fuel- Emissionen sind Kohlenwasserstoffe, die nicht vom Kraftstoff herrühren. Zu ihnen zählen Emissionen aus Betriebsmitteln wie Kühlflüssigkeit, Kältemittel für Klimaanlagen, Öle und Schmierstoffe, Waschwasser oder ähnlichem. Alle Kunststoffe sind potenzielle Kohlenwasserstoffemittenten. Diese finden sich überall im Auto – in Verkleidungen, Kabelummantelungen und im gesamten Fahrzeuginnenraum. Materialien aus Gummi, wie Reifen, Manschetten und Lager, zählen ebenso dazu wie Lacke, Klebstoffe, Konservierungsstoffe und Schwemmmaterial.

Den zweiten Anteil bilden die sogenannten Fuel-Emissionen aus verdampfendem Kraftstoff. Sie emittieren aus den Baugruppen des Kraftstoffsystems und des Motors. Diese sind vor allem bei Benzinern relevant, da Ottokraftstoffe zu starker Ausgasung neigen. Dieselkraftstoff ist aufgrund seiner geringen Verdampfungseigenschaften hingegen unkritisch, was deshalb auch keine speziellen Maßnahmen hinsichtlich Kraftstoffemissionen erforderlich macht.

Über einen langen Zeitraum betrachtet, verändert sich in einem Fahrzeug das Verhältnis von Non-Fuel- zu Fuel-Emissionen. Die Non-Fuel-Kohlenwasserstoffemittenten geben innerhalb einer bestimmten Zeit einen Großteil ihrer Emissionsstoffe ab und bleiben danach konstant auf niedrigem Niveau. Bei Fuel-Emissionen ist es genau umgekehrt, da durch Alterung bei kraftstoffführenden Komponenten die Durchlässigkeit für Kohlenwasserstoffe steigt.

Bild: KRAFTHAND / Quelle: KÜS

Die Euro-6d-TEMP-EVAP ist also mehr eine Prüfarterweiterung als eine neue Norm, da sich im Vergleich zur Euro-6d-TEMP nichts an den geprüften Parametern ändert. Lediglich die Erweiterung des Prüfverfahrens ist neu. Es lehnt sich an die amerikanischen Evaporation Tests“ an und misst alle – nicht nur die vom Abgassystem – abgegebenen Schadstoffe in verschiedenen Testsituationen. Generell ist die Prozedur zur Bestimmung der Verdampfungsemissionen schon seit vielen Jahren als Typ IV in die Typprüfung integriert und wird vom Technischen Dienst gemessen. Geprüft wird in einer sogenannten SHED (Sealed Housing for Evaporative Determination) – was im Englischen soviel wie Hütte oder Schuppen bedeutet –, also in einem hermetisch abgedichteten Raum.

Unter anderem wird der Kohlenwasserstoffaustritt über den Aktivkohlefilter im Tank gemessen. Jeder Testzyklus, bei dem verschiedene Temperaturverhältnisse simuliert werden, dauert 210 Minuten und muss 50 Mal hintereinander durchgeführt werden. Anhand der insgesamt 17 Wochen dauernden Testreihe lassen sich dann die Kohlenwasserstoffemissionen berechnen.

Solch umfangreiche Tests mögen übertrieben scheinen, doch für deren Sinnhaftigkeit gibt es ein einfaches Beispiel: Steht im Sommer nur über Nacht ein Oldtimer in der Garage, riecht es dort bereits am nächsten Tag nach Kraftstoff und anderen Ausdünstungen des Oldies – egal wie gut das Fahrzeug gepflegt ist. Stellt man nach dem Lüften wieder einen modernen Wagen ein, ist schnell klar, warum diese Prüfnorm durchaus Sinn macht.

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