Leseprobe Zu Ende denken... Band 6

Tückische Schraubenlänge

Zu Ende denken, ZED
Bild: Krafthand

Es war wie immer eine sehr stressige Woche. Wir hatten viel Arbeit in Form von einigen sogenannten Liegenbleibern, die in unsere Werkstatt geschleppt wurden. Da ich als Servicetechniker für die Überprüfung und Instandsetzung dieser Fahrzeuge verantwortlich war, quoll mein Auftragsfach entsprechend über. Deshalb arbeitete ich die eingegangenen Aufträge ab und kam so nach einiger Zeit an einen Volkswagen Passat mit TDI-Motorisierung aus dem Baujahr 2000, der laut Kundenbeanstandung nicht mehr ansprang. Mit dem Zündschlüssel ging ich zu dem Fahrzeug, um den Motor zu starten. Dieser sprang beim ersten Dreh des Schlüssels im Zündschloss allerdings sofort an.

 

Dieser Praxisfall ist in folgendem Buch erschienen:

Zu Ende denken… Band 6 – Knifflige Fälle aus dem Werkstattalltag


Ich fuhr den Passat an meinem Arbeitsplatz und verkabelte den Wagen mit einem Diagnosegerät, um den Fehlerspeicher auszulesen. Im Motorsteuergerät war der Kurbelwellensensor G28 als fehlerhaft abgelegt. Ich prüfte zunächst die Verkabelung und dann den Sensor – jedoch ohne Befund. Da allerdings der Sensor bei diesem Dieselmodell schwer zugänglich verbaut ist, verlief meine Sichtprüfung nur teilweise befriedigend.

Der nächste Prüfschritt war die Kraftstoffversorgung. Ich löste hierfür den Kraftstoffvorlaufschlauch, steckte diesen in ein sauberes Gefäß und ließ anschließend einen Auszubildenden den Anlasser betätigen. Zu unserer Überraschung kam jedoch kein Tropfen Kraftstoff. Im Anschluss prüfte ich jetzt die Ansteuerung der Kraftstoffpumpe, diese war laut meiner Messung nicht vorhanden. Vorsorglich wurden noch alle Leitungen, Relais und Sensoren, die für die Ansteuerung verantwortlich sind, geprüft – ohne weitere Beanstandungen.

Fehler gefunden?

Ich bestellte aufgrund der fehlenden Ansteuerung der Kraftstoffpumpe – und nach Rücksprache mit dem Kunden – ein neues Motorsteuergerät. Am nächsten Morgen verbaute ich dieses im Fahrzeug und startete anschließend den Motor. Er sprang nach dem Drehen des Zündschlüssels sofort an und lief ruhig im Leerlauf. Glücklich, den Fehler gefunden zu haben, stellte ich den Motor ab. Danach montierte ich im Fahrzeuginneren sowie im Motorraum alle zuvor demontierten Bauteile und löschte den Fehlerspeicher. Ich startete anschließend den Motor, um eine abschließende Probefahrt vorzunehmen – aber der Motor wollte auch nach vielen Startversuchen nicht anspringen.

Erneut las ich den Fehlerspeicher des Fahrzeugs aus, und abermals war der Kurbelwellensensor G28 als Eintrag hinterlegt. In diesem Augenblick kam der Serviceberater mit einigen Rechnungen von Fremdwerkstätten, die der Kunde ihm hatte zukommen lassen, zu mir. Laut diesen Rechnungen wurden der Kurbelwellensensor sowie Kraftstoffpumpe und Motorsteuergerät bereits von anderen Werkstätten und einer Reifenwerkstatt erneuert.

Kurbelwellensensor
Bild: Bosch

Jetzt waren zunächst wir mit unserem ‚Technik-Latein’ am Ende. Nach einigen Überlegungen entschlossen wir uns, den Kurbelwellensensor genauer anzuschauen. Ich demontierte hierfür alle notwendigen Verkleidungen und Bauteile im Motorraum und legte somit den Sensor frei. Erst jetzt konnte ich feststellen, dass die Befestigungsschraube des Sensors nicht den Längenvorschriften des Autobauers entsprach und zudem der Schraubenkopf einfach umgebogen war.

Damit ließ sich auch erklären, warum der Motor einmal ansprang und dann wieder nicht: Je nachdem, wie die umgebogene Schraube den Sensor hielt, war der Abstand zum Sensorring passend oder aber zu groß. Und ohne das korrekte Signal schaltet das Steuergerät die Kraftstoffpumpe nicht frei. Ich erneuerte daraufhin den Kurbelwellensensor, befestigte ihn mit der richtigen Schraube und der Motor sprang ohne Probleme sofort an. Anschließend übergaben wir einem zufriedenen Kunden sein Fahrzeug.

Hätten Sie die Lösung gewusst?

Das war ein Zu-Ende-denken-Fall – einer von vielen kniffligen Fällen aus dem Werkstattalltag.

Interessante Problemfälle gibt es sicher auch bei Ihnen. Schreiben Sie an torsten.schmidt@krafthand-medien.de oder rufen Sie an unter 08247 3007-72.

Jede veröffentlichte Einsendung wird mit 100 Euro honoriert.

Knifflige Werkstattfälle gibt es übrigens auch als Buch:

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