Aus dem GTÜ-Oldtimerarchiv

Chevy Universal AD bietet sechs Zylinder zum Preis von vier

Im Jahr 1911 gründeten William C. Durant und der Schweizer Rennfahrer Louis Chevrolet die Chevrolet Motor Company mit dem Ziel, Ford im Niedrigpreissegment vom Thron zu stürzen. Das gelang 16 Jahre später. Bild: Chevrolet

Die Experten der zentralen GTÜ-Klassikabteilung besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation.

Die Werbeversprechen zu Chevrolets Universal AD, dem einzigen Modell des Autobauers Anfang 1930, klingen wie die Reise in eine andere Zeit: Sechs Zylinder zum Preis von vier. 50 PS. Hydraulische Stoßdämpfer für ein ruhigeres Fahrverhalten. Blendfreie Windschutzscheibe. Mechanische Trommelbremsen an allen vier Rädern und eine Tankanzeige im Armaturenbrett.

Und es war eine andere Zeit: Henry Ford stand zu diesem Zeitpunkt schon lang nicht mehr allein auf der automobilen Bühne. Das Fließband führte er 16 Jahre zuvor konsequent in seinen Werken in Detroit ein. Damit veränderte er die Welt: Kostete ein Ford Modell T vor der Fließbandproduktion gute 850 US-Dollar waren es mit Einführung des Bands nur noch 370 US-Dollar. Der Siegeszug des Billigautos manifestierte sich in über 15 Millionen verkauften „Blechlieseln“.

Solche Erfolge lassen bekanntlich nicht lange auf Konkurrenten warten. William C. Durant und der Schweizer Rennfahrer Louis Chevrolet gründeten 1911 die Chevrolet Motor Company mit dem Ziel, Ford im Niedrigpreissegment vom Thron zu stürzen. 16 Jahre später, 1927, sollte dieser Moment zum Greifen nah sein. Ford hielt mit 18-jähriger Produktionszeit zu lang am Modell T fest und der Nachfolger, das Modell A, startete erst gegen Ende des Jahres 1927. Das nutzte Chevrolet, produzierte in diesem Jahr über eine Million Fahrzeuge und zog erstmals an Ford vorbei.

Der König ist tot, es lebe der König

In den kommenden Jahren lieferten sich Ford und Chevrolet, inzwischen zum General-Motors-Konzern gehörend, eine unbeschreibliche Verkaufsschlacht, die Chevrolet mit wenigen Ausnahmen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts dominieren sollte. Während Ford 1929 mit über 1,5 Millionen Autos die alte Ordnung wiederherzustellen versuchte, rüstete Chevrolet auf und verabschiedete sich vom 4-Zylinder-Motor. Das Cast Iron Wonder zu Deutsch Gusseisen-Wunder hielt Einzug in die immer noch leicht an Kutschen erinnernden, karossierten Wagen und trumpfte unter der Haube mit zwei zusätzlichen gusseisernen, schweren Kolben und den dazugehörigen Zylindern auf.

Und schon 1930 erhielt der Motor, auch bekannt als Stovebolt Six (da die den Motor zusammenhaltenden Schrauben denen ähnelten, die zum Bau von Holzöfen verwendet wurden), eine Frischzellenkur: Der mit 5:1 recht niedrig verdichtete Motor wurde im unteren Bereich mit einem stärkeren Kurbelwellenlager und einer Kurbelgehäuseversteifung verstärkt. Während die Schmierung der Pleuellager durch die traditionelle Spritzmethode erfolgte, bei der die Kurbelwelle durch das Öl in der Ölwanne gezogen wurde, bot der Motor eine Druckschmierung für die drei Hauptlager und eine stößelbetätigte, hängende Ventilkonstruktion. Größere Einlassventile und kleinere Auslassventile erhöhten zusammen mit einem neuen Krümmer die Leistung von 46 auf 50 PS bei 2.600/min.

Bis Mitte der 1950er Jahre sollte dieser Motor mit ein paar Modifizierungen der einzige sein, den man in einem Chevy zu Gesicht bekam. Erst ab 1955 konnte der PS-hungrige Käufer auch einen sogenannten Small Block V8 wählen. Kaum vorstellbar, dass der Grundmotor bei Chevy bis 2001 gebaut wurde und damit erst mit 72 Jahren in Rente ging. Ford konterte auf den Fehdehandschuh 1932 übrigens mit dem 65 PS starken V8-Motor und übersprang damit in der Entwicklung den Sechszylinder.

Mehr als zehn Karosserien zur Wahl

Als Ausgleich zur Alternativlosigkeit des Antriebs konnte man 1930 zwischen mehr als zehn Chevrolet-Karosserien wählen. Die beliebtesten Formen waren der zweitürige Coach, das Coupé für zwei Personen und die viertürige Limousine. Für den Coach musste man 565 US-Dollar bezahlen, rund 70 Dollar mehr als für ein Ford-Modell A. Dafür erhielt der Käufer aber auch das technisch ausgereiftere Auto, 10 PS mehr und das gute Gefühl aus der Werbung. Denn die lieferte mit dem Satz „A Six in the price range of the Four“ die beste Kaufbestätigung, alles richtig gemacht zu haben. Dennoch musste man für sportliche Drahtspeichen-Räder oder chromblitzende Stoßstangen extra ins Portemonnaie greifen.

Im Verkaufskampf mit Ford musste sich Chevy jedoch zumindest 1930 geschlagen geben. Zu stark wirkte die Wirtschaftskrise auf die Autobauer, deren Produktionen zurückgingen. Nach elf Monaten Bauzeit wurde der Chevrolet Universal AD schließlich vom Chevrolet Independence AE abgelöst. Der Stovebolt-Six-Motor aber lief wie ein Uhrwerk und sah am 7. August 1930 bereits seinen zweimillionsten Bruder.

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