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Schmierstoffe bei Hybrid-/Elektrofahrzeugen

 

Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs nimmt weiter Fahrt auf. Der gesellschaftliche Druck steigt, die Autobauer haben ihre Aktivitäten verstärkt und zahlreiche neue Modelle vorgestellt. Massentaugliche Fahrzeuge wie der Volkswagen ID.3 sollen der Elektromobilität zum Erfolg verhelfen. Vorbestellungen des ID.3 sind seit Mitte 2019 möglich. Die Auslieferung beginnt laut Volkswagen im Frühjahr 2020.

Die Bundesregierung hat im September 2019 Eckpunkte für ein Klimapaket verabschiedet. Vorgesehen sind unter anderem die Förderung des Kaufs von Elektroautos sowie eine steuerliche Entlastung. Details stehen (Stand 10/2019) noch nicht fest. Die Verkaufszahlen von Hybrid- und reinen E-Fahrzeugen werden weiter nach oben gehen.

Laut einer Studie des ZDK vom Oktober 2018 haben die steigenden Zulassungszahlen von E-Fahrzeugen bis zum Jahr 2025 jedoch nur geringfügigen Einfluss auf den After-Sales-Umsatz im Kfz-Gewerbe. Der Studie zufolge ergibt sich für das Kfz-Gewerbe im Jahr 2025 ein Umsatzpotenzial von 7,73 Milliarden Euro für eine große Wartung. Das sind ‚lediglich‘ 3,6 Prozent weniger als im Jahr 2018 (8,02 Milliarden Euro).

Fakt ist

Je mehr reine E-Fahrzeuge auf dem Markt sind, desto weniger klassische Schmierstoffe werden gebraucht. Aktuell gibt es Spekulationen, ob bei Elektrofahrzeugen grundsätzlich ein Getriebeölwechsel (Untersetzungsgetriebe, Differenzial) vorgenommen werden muss. Aufgrund der höheren Drehzahlen und der möglichen Einbringung von Abrasiv-Anteilen oder auch Dichtmittelresten, speziell während der ersten 20.000 Kilometer, könnte dies jedoch Sinn machen.

Auf der Internetseite von Tesla-Deutschland ist zu lesen (10/2019): „Im Gegensatz zu Fahrzeugen mit Benzinmotor erfordert Ihr Tesla keinen Ölwechsel (..). Prüfen Sie bitte dennoch Ihr Benutzerhandbuch auf die neuesten Wartungsempfehlungen.“ Im aktuellen Serviceheft des ­Model-S ist kein Hinweis auf einen nötigen Getriebeölwechsel vorhanden. Einige Hersteller von Elektrofahrzeugen geben ein Wechselintervall des Getriebeöls (ATF III) alle fünf Jahre oder bei 100.000 Kilometer an.

Im Übrigen

Der Anteil an ‚Do-it-Yourselfer‘ im Bereich der E-Fahrzeuge was die Nachfüllung und den Wechsel von Schmier- und Kühlmitteln angeht, dürfte aufgrund des Gefahrenpotenzials bei mangelnder (Hochvolt-)Systemkenntnis und aufgrund der Sicherheits- und Herstellervorschriften absinken, was zumindest für den Aftersales-Umsatz spricht.

Bioschmierstoffe

Vor allem in der Land- und Forstwirtschaft laufen bereits Traktoren, Erntemaschinen, Mähgeräte, Lkw und andere Nutzfahrzeuge mit biologisch abbaubaren Ölen, in Form von Universalölen, Motorenölen, Getriebe- und Hydraulikölen sowie Schmierfetten. Besonders in Hinblick auf eine mögliche in Kauf genommene ‚Verlustschmierung‘ wie bei Kettensägen oder Hydraulikanwendungen spielt die biologische Abbaubarkeit von Schmierölen eine besonders große Rolle. Die Grundöle von Bio-Zwei- oder Viertakt­motoren sowie Getriebeölen bestehen meist aus pflanzenölbasiertem synthetischem Ester und werden entsprechend ‚umweltfreundlich‘ additiviert.

Beispielsweise verzichtet man auf zink- oder phosphorhaltige Zusätze. Aufgrund des höheren Preises spielen jedoch biologisch-abbaubare Motoren- und Getriebeöle auf dem Markt kaum eine Rolle. Ein Beispiel war das Castrol Greentec XTS, was sich beim Endanwender nicht durchgesetzt hat. Es war zu teuer.

Der deutsche Jahresverbrauch von Bioschmierstoffen liegt laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bei 35.000 Tonnen. Laut Fach­agentur Nachwachsende Rohstoffe existieren heute rund 500 verschiedene Produkte. Klassische Schmier­stoffe werden zunehmend mit biogenen Einträgen beaufschlagt. Die ACEA und die OEMs tragen dem Umstand durch verschärfte Tests Rechnung.

Was moderne Motoren- und Getriebeöle angeht sind die Anforderung extrem hoch ist. Castrol spricht von ‚Liquid Engineeering‘. Es geht um die Leistungsfähigkeit, vielfältige Eigenschaften müssen kombiniert werden, zusätzlich auch um die Motorsauberkeit. Biogrundöle sind chemisch sehr heterogen und für Hochleistungsöle unbrauchbar. Biologische, zumal komplexe Additivpakete, die für die eigentlichen Eigenschaften der Öle zuständig sind, nicht zu realisieren.

Eine Alternative hinsichtlich der Umweltbilanz, sind hingegen sogenannte Re-Raffinate. Altöle werden gleichsam wieder aufbereitet und neu additiviert. Jedoch erfüllen diese Öle lediglich niedrige Spezifikationen, der negativ besetzte Begriff ‚Altöl‘ kommt hinzu.

Was bedeutet die Entwicklung für die Mineralölindustrie?

Tendenziell sinkt also der Bedarf an klassischen Motoren- und Getriebeölen, was entsprechend der elektrischen Antriebsart geschuldet ist, wenn auch erstmal nicht signifikant und regional, je nach Marktentwicklung äußerst unterschiedlich. Dies darf jedoch nicht ­darüber hinweg täuschen, dass auch Elektrofahrzeuge Betriebsstoffe benötigen. So liegt ein Fokus neben der Schmierung des hochdrehenden Ein- oder 2-Gang-Getriebes, auf der Systemkühlung der E-Maschine, der Leistungselektronik sowie der Batterieeinheit.

Komplexes Layout: Der Antriebsstrang des Plug-in Hybrids Audi A7 Sportback 55 TFSI e. Als Verbrenner dient ein 2.0 l TFSI-Motor, der parallel von der E-Maschine angetrieben wird. Das sogenannte P2-Modul sitzt zwischen Verbrenner und dem 7-Gang-DSG. Bild: Audi

Spezielle Hochleistungsfette übernehmen die Schmierung der Lager. Man kann, betrachtet man den erwarteten Anteil an klassischen Verbrennern im Vergleich zu Hybrid- und E-Fahrzeugen, jedoch noch viele Jahre erhöhte Bedarfe an klassischen Motoren- und Getriebeölen erwarten. Von einer Kompensation des steten Rückgangs der Volumina durch neuartige Schmierstoffe für Elektromobile kann nicht ausgegangen werden.

Motoröle für Hybridfahrzeuge

Bei Hybridfahrzeugen sorgen zwei Antriebskomponenten für Vortrieb (je nach Konfiguration des Antriebsstrangs), ein Verbrennungs- und ein Elektromotor ­(Generator). Dabei baut charakteristischerweise der Verbrennungsmotor bei seriellen-Hybridantrieben (der Verbrennungsmotor dient nur zur Ladung des Akkus, das Fahrzeug wird rein elektrisch betrieben) deutlich kleiner und ist auf ein optimales Leistungsfenster bei niedriger Last optimiert. Das Motoröl kann also ‚einfacher‘ ausgelegt werden, wie bei einem hochbelasteten Downsizing-Motor.

Bei Parallelhybridantrieben (Die E-Maschine und der Verbrennungsmotor können parallel zum Antrieb verwendet werden) oder bei Serien-Parallel-Hybridantrieben (einem Mix) verhält es sich anders, der Verbrennungsmotor ist leistungsfähiger, meist ein Serienmotor und deckt ein breites Leistungsspektrum ab. Ähnliches gilt für Plug-in-Hybride.

Für letztgenannte Verbrennungsmotoren in Hybridfahrzeugen gelten per-se die gleichen Anforderungen an ein modernes Motoröl, geht man von einem Down­sizing-Motor aus, der unter entsprechenden Rahmenbedingungen auch in Nicht-Hybrid-Fahrzeugen seine Arbeit verrichtet. Wir sprechen also von kleineren Ölkreisläufen, höheren Drücken, höheren Temperaturen, aber auch hybridspezifisch von kürzeren, inhomogenen Laufzeiten und anteilig mehr Stopp-/Startphasen. Moderne, niedrigviskose Öle erfüllen diese Anforderungen.

Charakteristisch für Hybridantriebe ist, speziell bei zahlreichen Kurzstreckenfahrten in der Stadt, der unregelmäßige und kurzzeitige Betrieb des Verbrennungsmotors. Probleme kann rein theoretisch oxidierter (gealteter) Kraftstoff machen, der Rückstände in der Einspritzan­lage bildet. Sie verschlechtern das Sprühbild und die Kraftstoffverbrennung. Im schlechtesten Fall kann unverbrannter Kraftstoff ins Motoröl gelangen und es verdünnen.

Die Vermarktung von speziellen Motorölen eigens für Hybridfahrzeuge, sollte man kritisch betrachten. Einige Branchenexperten sprechen von einem Marketinggag oder gar von ‚Nonsens‘. Nichts desto trotz liefert der Begriff ‚Hybrid‘ für Ihre Werkstattkunden eine gewisse Sicherheit und Orientierung. Am Ende des Tages geht es um die Erfüllung der geforderten, korrekten Herstellervorgaben was das Motoröl angeht.

Info: Laut Technikabteilung von Motul werden für sogenannte ‚Hybridöle‘ keine eigenen, speziellen Herstellerfreigaben vergeben, sondern nur Empfehlungen ausgesprochen. Es gelten die ehedem bestehenden Herstellerfreigaben.

Serieller Antrieb des BMW i3

Beim seriellen Hybridantrieb des BMW i3 inklusive REX kommt aufgrund des Verbrennungsmotors (ein Roller-Motor aus dem BMW C650) kein spezielles Motoröl zum Einsatz. Der Motor (Range-Extender) dient nur zum Laden des Akkus, den Vortrieb erledigt die E-Maschine. BMW empfiehlt ein Öl der Herstellerspezifikation Longlife 01 FE.

Spezialöle für Hybridmodule und E-Maschinen

Was reine Elektroantriebe sowie entsprechende Getriebe angeht, verhält es sich unübersichtlich. Je nach Hybridisierungsgrad, technische Umsetzung sowie elektrischem Antrieb (P0-P5) kommen unterschiedliche Öle zum Einsatz. Die Öle müssen beispielsweise mit anderen Randbedingungen und Materialien zurechtkommen.

Die Drehzahlen bei Elektromotoren sind höher als bei Verbrennungsmotoren. Das übertragene Drehmoment an Zahnrädern und Lagern (beispielsweise in ­Untersetzungsgetrieben) ist ebenfalls höher und stellt hohe Anforderungen an die Schmierung und Wärmeableitung. Die meisten Elektroantriebe (E-Motoren, In­verter, Charger, DCDC) werden zusätzlich mit einem Wasser-Glykol-Gemisch durchspült und gekühlt.

Es gibt aber auch Elektromotoren, die ‚intern‘ gekühlt werden (zum Beispiel so genannte Scheibenläufer). Bei diesen Motoren wird meistens ein nichtleitendes Öl als Kühlmittel verwendet (Transformatorenöl).

ZF-8-Gang-Automatgetriebe: Ein Baukastensystem ermöglicht es, Mild-, Voll- sowie Plug-in-Hybridantriebe mit Spitzenleistungen von 24 bis 160 Kilowatt zu realisieren. Die Leistungselektronik ist vollständig in das Getriebegehäuse integriert. Bild: ZF Friedrichshafen

Elektromotoren selbst laufen berührungsfrei und sind erstmal keinem mechanischem Verschleiß und keiner signifikanten Reibung ausgesetzt. Anders verhält es sich bei Lagern. Hier werden spezielle Fette (E-Greases) mit hohem Tropfpunkt verwendet, die hohe Temperaturen abführen können.

Zusätzlich müssen sie vor Streustömen, die selbst thermisch gekapselte Wälzlager beschädigen und zu Entladungskratern führen können, schützen.

Ölkühlung: Schnitt durch ein P2-Hybridmodul mit integrierter Dreifachkupplung. Die Ölführung folgt dem Prinzip ‚von innen nach außen‘. Das Öl strömt über die Getriebe-­Eingangswelle und eine zusätzliche Bohrung im Gehäuse des Hybridmoduls in den Rotorraum. Dort wird zunächst die Wärme von den Kupplungen abgeführt, anschließend werden die ­Magnete des Rotors und der Stator gekühlt. Mit diesem Konzept sind alle derzeit von Schaeffler (Stand 10/2019) angebotenen Leistungsstufen für P2-Hybridmodule bis hin zu Spitzenleistungen von 125 kW thermisch beherrschbar. Bild: Schaeffler

Zahlreiche Unternehmen forschen und entwickeln an Spezialölen, Fetten und Kühlflüssigkeiten für den elektrischen Antriebsstrang. Beispiele sind der Total-­Konzern mit der Quartz-EV-Fluid-Produktreihe, Motul mit einem neuartigen e-ATF sowie Ölen für Hybridfahrzeugen, Shell, ebenfalls mit einer eigenen Produktreihe, um nur einige zu nennen. Den Begriff ‚Hybrid‘ verwenden viele Ölhersteller jedoch auch für ‚klassische‘ Produkte, die über die entsprechenden Spezifikationen und OE-Freigaben verfügen.

Dieses Kapitel ist in folgendem Fachbuch erschienen:

Motoren- und Getriebeöle – Herstellung, Technologie und Praxis, Verbrenner, E-Antriebe

2. Auflage 2019, von Georg Blenk, 96 Seiten, 244 Bilder/Grafiken, 23,32 € Netto

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Inhalt (Auszug):

  • Motoröle: Arten, Aufbau, Eigenschaften
  • Die Rolle der Schmierstoffe bei modernen Downsizing-Motoren
  • Best Practice: Ölwechsel, Tipps und Tricks
  • Getriebeöle: Einsatz, Wechselintervalle, Spezifika
  • Best Practice: Getriebeölwechsel, Tipps und Tricks
  • Fette, Derivate und deren Einsatz
  • Ölmanagement: Werkstattausrüstung, Geschäftsmodelle, Marketing, Altölentsorgung
  • Motoröle bei Motorädern, Motoröle für Oldtimer
  • Neu: Motorsport als Entwicklungsplattform
  • Neu: Schmierstoffe bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen

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