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Extra Bremsflüssigkeit für Elektro- und Hybridfahrzeuge?

Hella Pagid erweitert sein Sortiment um eine Bremsflüssigkeit für Elektro-und Hybridfahrzeuge. Die Redaktion erklärt die Hintergründe.
Bremsflüssigkeitswechsel bei einem Auto
Je höher die DOT-Klasse, desto höher liegen Siedetemperatur und Viskosität. DOT 3, 4 sowie 5.1 und 5.1 EH sind dabei auf Glykolbasis hergestellt, DOT 5 auf Silikonbasis. Letzteres ist mit den anderen Bremsflüssigkeiten nicht mischbar. Bild: Guranti

Abgesehen davon, dass beim Elektrofahrzeug große technologische Unterschiede zum klassischen Verbrenner bestehen, wird seit Längerem propagiert, dass E-Autos auch spezielle Reifen und Bremsbeläge benötigen. Bald könnte ein weiteres Unterscheidungsmerkmal hinzukommen: eine spezielle Bremsflüssigkeit für Elektro- und Hybridfahrzeuge.

Aufgrund des weltweiten Anstiegs der Neuzulassungen von Elektro- und Hybridfahrzeugen arbeitet Hella Pagid an der Einführung einer neuen Bremsflüssigkeit – der sogenannten DOT 5.1 EH. Die Flüssigkeit soll sich durch einen hohen Trockensiedepunkt (dieser Zustand beschreibt eine frische Bremsflüssigkeit, die nahezu wasserfrei ist) von mindestens 260°C und einen ebenfalls hohen Nasssiedepunkt (beschreibt die Eigenschaft der Bremsflüssigkeit am Ende des Lebenszyklus) von 180°C auszeichnen.

Speziell an der speziellen Bremsflüssigkeit für Hybrid- und Elektrofahrzeuge ist der verbesserte Korrosionsschutz.

Zudem hat die Bremsflüssigkeit den Angaben zufolge eine geringere Wärmeleitfähigkeit, einen hohen Korrosionsschutz sowie eine geringe Viskosität von maximal 750  cSt – sprich Zentistokes – bei – 40°C. Die Viskosität beeinflusst bekanntlich die Fließgeschwindigkeit einer Flüssigkeit. Je niedriger die Viskosität der Bremsflüssigkeit, desto schneller die Übertragungsgeschwindigkeit der Bremsimpulse im Bremssystem.

Stokes bezeichnet dabei die kinematische Viskosität, die nach dem irischen Mathematiker und Physiker George Gabriel Stokes benannt ist. Im Geschäftsverkehr ist in Deutschland seit 1978 die SI-Einheit mm²/s oder m²/s vorgeschrieben. In der Praxis ist die Angabe in cSt aber oft noch üblich. Ein Zentistoke ist 1 mm²/s, das bedeutet 750  cSt (DOT 5.1 EH) sind 750  mm²/s. Zum Vergleich: Die Standard-Bremsflüssigkeit DOT4 hat eine Viskosität von 1500  mm²/s.

Laut Hella Pagid hat es mit einer speziellen Bremsflüssigkeit für Hybrid- und Elektrofahrzeuge folgende Bewandtnis:

Punkt eins ist dabei ein verbesserter Korrosionsschutz. Dieser soll aufgrund der regenerativen Bremstechnik moderner Elektro- und Hybridfahrzeuge notwendig sein. Denn da ein Teil der Bremsleistung durch die Rekuperation des Elektromotors durchgeführt wird, ist die Bremsanlage weniger in Gebrauch.

Trotzdem muss die Bremsanlage immer zu 100  Prozent funktionsfähig sein. Vereinfacht gesagt ist die Flüssigkeit durch die seltenere Benutzung der Bremsanlage weniger in Bewegung, was den Bremskreislauf laut Unternehmen wiederum anfälliger für Korrosion macht. Die neue Bremsflüssigkeit beinhaltet deshalb Additive, welche diesen Korrosionsprozess maßgeblich verlangsamen sollen.

„Derzeit befindet sich in noch keinem E- oder Hybridfahrzeug eine spezielle Bremsflüssigkeit.

Punkt zwei: Beschleunigungen ohne Drehmomentverlust sorgen dafür, dass E-Fahrzeuge hohe Geschwindigkeiten innerhalb kürzester Zeit erreichen. Aus diesen Geschwindigkeiten schnell wieder den Stillstand zu erreichen, erfordert eine entsprechend hohe Bremsperformance, die durch den hohen Trocken- und Nasssiedepunkt jederzeit sichergestellt sein soll.

Wann und wie viel

Eine weitere Frage, die sich stellt, ist die Frage nach dem Preis der neuen Bremsflüssigkeit. Hier ist die Antwort eher ernüchternd, da die DOT 5.1. EH voraussichtlich etwa 25 Prozent über dem Preis einer herkömmlichen DOT 5.1.-Bremsflüssigkeit liegen soll. Dieser Umstand erklärt sicher auch, warum laut Hella Pagid noch nicht absehbar ist, wann die Automobilhersteller auf die neue Flüssigkeit umstellen. Erste Gespräche werden aktuell geführt, das Unternehmen geht daher von einer ersten Einführung Ende 2020 aus.

Sollte ein neues Hybrid- oder Elektrofahrzeug ab nächstem Jahr in die Werkstatt kommen, ist es deshalb sicherlich ratsam, vor einem Bremsflüssigkeitswechsel nach einem Hinweis auf dem Deckel des Bremsflüssigkeitsbehälters oder in der Bedienungsanleitung des Fahrzeugs zu suchen. Hella Pagid betont allerdings auch, dass sich die 5.1. EH bedenkenlos mit den gängigen Bremsflüssigkeiten DOT 3, DOT 4, DOT 4LV, DOT 5.1 and DOT 5.1LV mischen lässt. Auch der Wechselintervall bleibt im Übrigen bei zwei Jahren.

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