Aus dem GTÜ-Oldtimerarchiv

Méhari – der lässige Franzose

Die Experten der zentralen GTÜ-Klassikabteilung besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation.

Franzosen gelten als Lebenskünstler und Genießer. Der Citroën Méhari verkörpert dieses Savoir Vivre wie kaum ein anderes Auto aus Frankreich. Bilder: Group PSA

Ob raue Atlantik- oder mediterrane Mittelmeerküste, ein Urlaub am Meer in unserem westlichen Nachbarland lässt einen sprichwörtlich leben wie Gott in Frankreich. Schaut man sich später dann die Ferienfotos an, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein kleines Vehikel ins Bild geschlichen haben, das eher an ein Zelt als ein Auto erinnert und das zudem einen Namen – in Anlehnung an seine Tugenden – eines nordafrikanischen Renndromedars trägt. So viel Kurioses nennt sich komprimiert Citroën Méhari. Von Nizza über Saint-Tropez oder Biarritz bis hoch in die Bretagne – der kleine Luftikus fehlt in der Regel an keiner französischen Küste und macht diese gefühlt erst so richtig vollständig.

1968 rollten nach einer Vorserie bei SEAB im Jahr 1967 die ersten Méhari bei Citroën vom Band. Aufgebaut auf einem Dyane-6-Fahrgestell, erhielten die munteren Flitzer eine farbenfrohe Kunststoffkarosse aus ABS in Wellblechoptik, die der Plastikpionier Graf beziehungsweise Comte Roland de La Poype entwarf. Den deutschen Zulassungsbehörden kam diese Konstruktion derart brandgefährlich daher, dass sie dem Méhari das Einreisevisum verweigerten. Deshalb wurde er offiziell nie im Teutonenreich angeboten. Über Einzelabnahmen gelangten dann doch einige Fahrzeuge nach Deutschland.

Grundsätzlich als Viersitzer konzipiert, gab es den Méhari ab 1970 auch als Zweisitzer. Die damit entstandene Ladefläche deklarierte „das Dromedar“ zum Lieferwagen und der Eigner sparte die Mehrwertsteuer beim Kauf in Frankreich.

Mit oder ohne Verdeck – man wird nass

Auch wenn seine zeltartige Dachkonstruktion und die klappbare Frontscheibe auf den ersten Blick die Nutzbarkeit bei Schlechtwetter vermuten lassen – ob mit oder ohne Verdeck, man wird nass. Und das auch noch in Seelenruhe, denn mit seinem luftgekühlten 602-cm3-Zweizylinder-Herzen erfuhr der Mehari-Lenker die 555 Kilogramm leichte Fuhre mit ganzen 28 Pferdestärken und einem Drehmoment von satten 39 Newtonmetern. Ein Jahr nach Vorstellung fanden das selbst Citroën-Ingenieure für zu entschleunigend und steigerten die Leistung auf ganze 28,5 Pferdestärken.

Die nächste Leistungskur sollte dann zehn Jahre auf sich warten lassen, brachte aber zur Freude von Geschwindigkeitsfans satte 29 PS an die Räder. Es soll Leute geben, die ihm seine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h entlocken konnten. Da das aber einen derart großen Anlauf und Zeit benötigt, wird man keinem begegnen, der davon leibhaftig erzählt. Das langhubige Fahrwerk tat seinen Rest, um auch gefühlsmäßig dringend davon abzuhalten.

Der Gendarme von Saint-Tropez

Aber Ironie beiseite: Um Geschwindigkeit ging es dem Méhari nie. Er wollte ein kleiner, günstiger Alleskönner zwischen Freizeit und Arbeit sein, der dem bretonischen Fischer genauso tatkräftig und zuverlässig zur Seite steht wie dem Weinbauern im Bordeaux oder – als A4x4-Méhari mit Allradantrieb – sogar dem französischen Militär. Die Allradvariante erhielt den stärkeren Motor des Citroën Visa und wurde auch schon mal am Fallschirm aus dem Flugzeug geworfen.

Was fast unglaublich klingt, fand in den Filmen mit Louis de Funès seine Vollendung. Als „Gendarme von Saint-Tropez“ fuhr dieser 1978 in einem grünen Méhari über die Filmleinwände direkt in die Herzen der Hautevolee und verhalf dem Wagen damit zu Ruhm und Bekanntheit in ganz Europa. Dass das kleine Auto aber auch ernst machen konnte, bewiesen 1980 zehn Allrad-Méhari, die an den Start der Rallye Paris-Dakar gingen. Als medizinische Begleitfahrzeuge schafften es alle zehn ins Ziel, was nicht jeder Teilnehmer von sich behaupten konnte.

Beim Méhari ging es aber immer vielmehr um den Spaß beim Fahren. Und genau das ist es, was das bunte Dromedar ausmacht. Knapp 20 Jahre benötigte Citroën, um knapp 145.000 Fahrzeuge zu verkaufen. Mittlerweile muss man sich schon ordentlich umschauen, wenn man einen sein Eigen nennen möchte. Die Preise steigen und mit deutscher Zulassung ist das Angebot mehr als überschaubar. Immerhin bleibt er aber günstiger als ein echtes Renndromedar, denn das kann tatsächlich in den Millionenbereich gehen. So bleibt einem nur ein sehnsüchtiger Blick auf die Urlaubsbilder und, auf die nächsten Ferien zu warten, um den sympathischen Franzosen an den Küsten dieser Welt wiederzutreffen.

Für die Fans der elektrischen Mobilität hatte Citroën 2016 den e-Méhari auf den Markt gebracht. Ihn einte mit seinem Urahn die Kunststoffkarosse, das Planenverdeck und die Endgeschwindigkeit von 110 km/h. Die Kleinserie des Stromers wurde aber lediglich drei Jahre alt.

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