Starke Leistung trotz schlechtem Ruf

Der Maserati Biturbo rettete die Nobelmarke in den 1980er Jahren vor der Insolvenz. Dennoch gehen bis heute die Meinungen über den schnellen Italiener weit auseinander. Die einen feiern ihn, die anderen schütteln den Kopf.
Die Geduld der Banken war aufgebraucht, es drohten Massenentlassungen, die Insolvenz schien unvermeidbar: Mitte der 1970er Jahre war Maserati komplett am Ende. Doch in der Heimat Modena protestierten die Gewerkschaften, selbst die Gemeinde ging auf die Barrikaden, denn die Marke sollte weiterleben. Allerdings wollte der Eigentümer Citroën den „Klotz am Bein“ unbedingt loswerden. Daraufhin legte Alejandro De Tomaso, bekannt als Sanierer maroder Automarken, für die Nobelmarke umgerechnet rund 1.000 Deutsche Mark auf den Tisch. Ein Schnäppchen war es trotzdem nicht, denn er kaufte Millionen von Schulden mit.
Ein kostengünstigerer Maserati
Deshalb musste es schnell gehen. De Tomaso wollte ein Auto mit allen guten Eigenschaften eines Maserati wie Leistung, Fahrvergnügen und Komfort, das weit weniger kostet als von der Nobelmarke gewohnt. Zudem sollte der neue Wagen automatisiert in Serie hergestellt werden. Was ziemlich ungewöhnlich war für einen Hersteller, der bis dato nur Luxusboliden in kleiner Stückzahl von Hand gefertigt hatte. So entstand bei Innocenti in der Nähe von Mailand eine automatisierte Fertigungsstraße für mindestens 30 Fahrzeuge pro Tag. Hier formten sie die Karosserie und bauten den Wagen zusammen. In Modena schraubten sie nur noch Motoren.
1981 war es dann so weit: Der Maserati Biturbo wurde präsentiert. In dem zweitürigen Stufenheckcoupé fanden vier Personen Platz. Die selbsttragende, leicht keilförmige Karosserie stammte vom Designer Pierangelo Andreani, der sich an der hauseigenen Luxuslimousine Quattroporte III orientiert hatte. Unter der Fronthaube röhrte ein knapp zwei Liter großer Sechs-Zylinder-Alu-Motor mit einem Zylinderbankwinkel von 90 Grad. Jeder Zylinder verfügte über zwei Einlass- und ein Auslassventil. Zur Leistungssteigerung kamen zwei kleine Turbolader zum Einsatz. Sie hingen an den Außenseiten der Zylinderbänke, um die Hitzeentwicklung zu meistern. Eine komplizierte Technik, die allerdings das gefürchtete Turboloch weitgehend vermeiden konnte. Bei nur 1.086 Kilogramm Leergewicht und knapp 180 PS entfaltete der Biturbo eine beeindruckende Durchzugskraft. Die Leistung stimmte und der Sound stimulierte – das Fahrzeug machte richtig Spaß, wenn es denn lief.
Der Maserati Bidone
Das war nämlich der Knackpunkt. Die kurze Entwicklungszeit und die viel zu kurze Testphase bekamen die Käufer schnell zu spüren. Womöglich waren auch zu viele Motorvarianten der Grund dafür. Angeboten wurden im Lauf der Jahre mehrere Vergaser- und Saugeinspritzvarianten bis zu einem 2.5-l-Aggregat mit 220 PS. Zudem machten die Vergasermodelle Probleme. Die Einstellung war schwierig, die Wartung langwierig und teuer. Ebenso machte die Hitze dem Motor zu schaffen und die Verarbeitung sowie der Rostschutz waren mangelhaft. Irgendwann sprach der Volksmund nicht mehr vom Maserati Biturbo, sondern vom Maserati Bidone (= Mülleimer).
Der Autobauer bekam die Mängel zwar einigermaßen in den Griff und baute später viertürige Limousinen sowie offene Spyder. Der Name aber war bereits beschädigt. Der Biturbo wurde 1988 gestrichen und unter der Bezeichnung Maserati 222 bis 1994 weitergebaut und verbessert. Der letzte 222er, ein Exportmodell, leistete 280 PS mit einem 2.8 Liter großen Motor. Bis dahin hatte die Marke rund 40.000 Fahrzeuge verkauft – weit mehr als jemals zuvor von einem anderen Modell – 40.000 Einheiten, ohne die es Maserati heute nicht mehr geben würde. Der Biturbo hatte eben auch viele Fans. Denn wenn er fuhr, war er ein Erlebnis.
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