In der Werkstatt ausprobiert

Konkurrenz für Luftschlagschrauber

Akkuschlagschrauber gibt es schon lange. Und wohl ebenso lange fanden sie keine nennenswerte Verbreitung in Kfz-Werkstätten. Das scheint sich in jüngerer Zeit zu ändern. Ob zu Recht, wollte die Redaktion wissen. Nachdem Chefredakteur Torsten Schmidt einige Zeit mit Akkuschraubern in der Redaktionswerkstatt hantiert hat, musste er zumindest einige Vorurteile revidieren.

Es macht Spaß, ohne Luft schlagschrauben zu können. Bilder: Zink

Es gibt Handwerkzeuge, die sind überflüssig wie ein Kropf. Die braucht kein Mensch. Und es gibt Handwerkzeuge, die sind unverzichtbar in einer Kfz-Werkstatt. Dazu zählt für mich der Schlagschrauber. Erst recht vor dem Hintergrund, dass ich, der ich in der früheren DDR das Kfz-Handwerk gelernt habe, noch weiß, wie mühsam es ist, Räder mangels Schlagschrauber immer per Radkreuz zu de-/montieren. Heute kaum mehr vorstellbar. Seit Jahrzehnten sparen Luftschlagschrauber Zeit – nicht nur beim Radwechsel.

Mittlerweile bekommen die luftgetriebenen Schlagschrauber allerdings Konkurrenz: die Akkuschlagschrauber. In immer mehr Prospekten diverser Werkzeuganbieter finden sich diese Werkzeuge. Und auf einschlägigen Messen werden sie gern an vorderster Front präsentiert.

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die elektrischen Schlagwerker gegen ihre luftgetriebenen Pendants einen schweren Stand haben. Teils schwerer. Weniger Leistung bei vergleichbarer Größe. Viel teurer (siehe dazu auch die Marktübersicht). Das sind Nachteile, die nicht so einfach wett zu machen sind und Werkstätten letztlich vom Kauf abhalten. Sie alle hatte ich vor meinem Praxistest im Kopf.

Allerdings wandelt sich dieses Bild. Gegenüber KRAFTHAND erklärten die Experten des Werkzeugspezialisten Berner, dass die Akzeptanz von Akkuschlagschraubern deutlich zunimmt, da diese mittlerweile mit Druckluftgeräten mithalten können . Bei Bosch, SW-Stahl und Milwaukee teilt man diese Erfahrung. Bei Stanley Black & Decker spürt man von Seiten der Kfz-Betriebe eine eher noch geringe Nachfrage. Einfach weil Druckluft in Werkstätten sowieso vorhanden sei und deshalb nach wie vor diese Schlagschrauber dominierten.

Meine Erfahrungen

Was auch immer die Anbieter sagen. Ich kann nur zu einem Akkuschlagschrauber raten, wenn es das Budget hergibt. Es macht einfach Spaß, ohne ständiges Gezerre an der Luftleitung den Schlagschrauber verwenden zu können. Insbesondere überzeugte mich der kleinere der beiden Berner-Akkuschlagschrauber, die ich im Praxischeck verwendete. Nicht etwa, dass der große meine Erwartungen nicht erfüllte.

Doch aufgrund seiner Leistungsstärke und seines Gewichts sowie der fehlenden Verstellmöglichkeiten ist er im Pkw-Sektor hauptsächlich nur zum Radschraubenlösen geeignet. Das macht er mit Leichtigkeit – bei einem Maximaldrehmoment von 660 Nm kein Wunder.

Die beiden Akkuschlagschrauber von Berner im Praxischeck in der KRAFTHAND-Werkstatt. Der vierfachverstellbare brushless ½“ BACIW BL Kompakt (vorne) und der ½“ BACIW.

Wurden die Radschrauben in der Frühjahrssaison mit einem Drehmoment von 100 bis 120 Nm angezogen, löst diese auch der kleine Schlagschrauber einwandfrei. Und das an zwei Fahrzeugen hintereinander, wie der Test zeigte. Zur Wahrheit gehört aber auch: Sobald der Ladezustand des Akkus etwas nachlässt, muss man mit dem Radkreuz nachhelfen.

Äußerst positiv ist die vierstufige Verstellbarkeit des BACIW BL Kompakt. Damit lässt sich jedes Risiko ausschließen, Schrauben zu fest anzuziehen oder gar zu überdrehen. Denn auf Stufe 1 ist das Drehmoment auf 40 Nm begrenzt. Für Stufe 2 und Stufe 3 sind 120 Nm und 300 Nm angegeben. Stufe 4 geht bis 120 Nm und schaltet dann automatisch ab. Sobald die Schraubverbindung fest ist, setzt der Schlagschraubmechanismus aus, selbst wenn der Anwender den Taster weiter drückt.

An dieser Stelle muss ich noch einstreuen, dass es insgesamt zwar sehr angenehm ist, ohne Luftschlauch schlagzuschrauben , dieser mir bei einer Arbeit aber dennoch fehlte: Beim Radwechsel habe ich (vielleicht nicht als einziger in der Branche) die zugegebenermaßen nicht gerade schlauchschonende Angewohnheit, den Luftschlagschrauber mittels Luftschlauch zu Boden gleiten zu lassen. Dann muss ich nämlich keine Ablage für den Schlagschrauber suchen, um beide Hände für das Radabnehmen frei zu haben.

Letztlich mindert das aber keineswegs den Vorteil, dass ein kleiner Kompaktschlagschrauber mit begrenzbarem Drehmoment dem Kfz-Profi das Leben bei vielen Arbeiten erleichtern kann:

  • Schwungräder de-/montieren
  • Kupplungsdruckplatten de-/montieren
  • Ölwanne ab- und anschrauben
  • Antriebswellenflanschschrauben lösen und befestigen.

Für diese Anwendungen und viele weitere kann der Akkuschlagschrauber ein sehr guter Helfer sein, ein besserer als Luftratschen, die auch gern für solche Arbeiten genutzt werden. Wer den Akkuschlagschrauber überwiegend für den Radwechsel nutzen möchte, muss jedoch darüber nachdenken, ob er ein größeres und leistungsfähigeres Gerät einem Kompaktschrauber vorzieht.

Die Lebensdauer

Da ich keinen Langzeittest gemacht habe, kann ich über die Lebensdauer keine Aussage treffen. Fakt ist: Aufgrund der fortgeschrittenen (Batterie-)Technologie und weil in heutigen Akkuschlagschraubern in der Regel bürstenlose Motoren zum Einsatz kommen, sind diese viel leistungsfähiger und langlebiger als die ersten Generationen, die oft keinem Dauerbetrieb gewachsen waren.

Ob das ausreicht, um die in Wartung genügsamen und meist sehr zuverlässigen, langlebigen Luftschlagschrauber noch weiter zu verdrängen, muss sich zeigen. Unvorstellbar ist das jedenfalls nicht – auch vor dem Hintergrund, dass Druckluft teures Betriebsmittel ist und sich damit der zunächst hohe Preisunterschied zwischen Akku- und Luftschlagschrauber zumindest ein Stück weit relativiert.

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