Forschungsprojekt

Alternatives Zellkonzept für Europa

Derzeit werden rund 90 Prozent der Lithium-Ionen-Zellen in Asien produziert. In Europa gibt es verschiedene Bestrebungen, eine eigene Batterieproduktion aufzubauen. Ziel eines europäischen Forschungsprojekts mit dem Namen Si-DRIVE ist es unter anderem, eine Zelle zu entwickeln, die aus einer kobaltfreien Kathode besteht.

Die geringe Verfügbarkeit und hohe Giftigkeit von Kobalt ist problematisch. Am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) versuchen Wissenschaftler, diese Abhängigkeit zu umgehen und prüfen zudem die Zyklenstabilität verbesserter Lithium-Ionen-Zellen. Bild: Amadeus Bramsiepe, KIT

Neben Lithium ist Kobalt in heutigen Lithium-Ionen-Batterien (LIBs) ein wesentlicher Bestandteil der positiven Elektrode und ausschlaggebend für die Energie- und Leistungsdichte sowie die Lebensdauer. Dass die Verfügbarkeit beider Elemente durch die erhöhte Nachfrage kritisch werden könnte, zeigt eine aktuelle Analyse von Forschern des vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegründeten Helmholtz-Instituts Ulm (HIU).

Kritische Verfügbarkeit

Anhand einer szenariobasierten Analyse bis 2050 zeigten die Forscher für verschiedene Anwendungen von Batterien, dass damit die Knappheit und der Preisanstieg von Kobalt wahrscheinlich auftreten wird, weil die Nachfrage durch Batterien zweimal so hoch sein könnte wie die heute identifizierten Kobaltreserven. Kobalt wird auch von der Europäischen Kommission als kritischer Rohstoff aufgelistet, da es eine knappe Ressource und geopolitisch schwer zugänglich ist. Darüber hinaus erfolgt der Abbau des Rohstoffs in der Demokratischen Republik Kongo bisweilen mit Kinderarbeit und unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Die heute identifizierten Lithiumreserven seien allerdings ausreichend für die steigende Nachfrage. Die Produktion müsste allerdings stark – bis um das Zehnfache – gesteigert werden, um die künftigen Bedarfe zu decken. Aber nicht nur Kobalt hat ein geografisches Problem. Auch die Lithium-Vorkommen befinden sich in Staaten, welche als politisch weniger stabil eingestuft werden. Dies lasse eine mögliche Verknappung und eine damit verbundene Preissteigerung von LIBs in naher Zukunft befürchten, so die Forscher.

Aus diesen Gründen finanziert die EU nun ein spezielles Projekt, das einen Plan für eine europäische Batterieproduktion bis 2030 anstrebt. Der Forschungsauftrag läuft unter dem Namen Si-DRIVE. Dabei bildet ein Forschungsteam die gesamte Batterie-Wertschöpfungskette ab – von der Materialentwicklung über Prototypzellenfabrikation bis zum Recycling.

Wie steht es mit der Machbarkeit?

Fünf Projektpartner beschäftigen sich aktuell mit dem Konzept einer Kreislaufwirtschaft. Dabei folgt der grundsätzliche Aufbau einer Batterie dem Nachhaltigkeitsgedanken, sodass am Ende eine Recyclingrate von über 50 Prozent erzielt werden soll. Angaben zufolge lassen sich die Nanostrukturen der Anode zudem so aufbauen, dass sich eine lange Zyklenstabilität durch eine ideale Geometrie mit hohen Massenbeladungen ergibt.

Die optimierte Struktur kann auf diesem Weg ihre maximale Energiedichte aufrechterhalten. Der neuentwickelte Festelektrolyt basiert dabei auf ionischen Flüssigkeiten, die mehr Stabilität bei hohen Spannungen, höchste Sicherheit und niedrige Entflammbarkeit ergeben. Denkbar sind außerdem Szenarien, in denen „altersschwache“ Batterien von Elektroautos zusammengelegt werden und als stationäre Speicher weiterverwendet werden.

Darüber hinaus entwickelt Professor Stefano Passerini, Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm mit seiner Forschungsgruppe neuartige, kobaltfreie Kathodenmaterialien mit unkritischen Elementen wie Eisen oder Aluminium. Allerdings: Die Forscher erhöhen gleichzeitig den Lithiumgehalt in der Schichtoxid-Kathode, um die Energiedichte deutlich zu steigern.

Aussichten und Chancen

Die anfangs erwähnte Verfügbarkeitsstudie unterstreicht die Bedeutung neuer Batterietechnologien, die auf reichlich vorhandenen, günstigen und ungiftigen Elementen basieren und dadurch den Druck auf kritische Ressourcen verringern. Kobaltfreie Energiespeichermaterialien und Post-Lithium-Technologien, die aus unkritischen Elementen, wie Natrium oder Magnesium, aber auch Zink, Kalzium und Aluminium bestehen, eröffnen eine Möglichkeit, den Ressourcendruck zu verringern und langfristig zu umgehen.

Daher verfolgen das KIT und die Universität Ulm gemeinsam die Entwicklung von Natrium-Ionen-, Magnesium-Ionen- und anderen Batterien, die auf „verträglicheren“ Materialien basieren. So könnte sich in Zukunft auch die Abhängigkeit von Lithium verringern lassen.

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