Blick ins KRAFTHAND-Magazin: Assistenzsysteme erhöhen Reparaturkosten

Der reflektierende Laserstrahl der automatischen Distanzregelung (ACC) muss an einer definierten Position auf der Mess­tafel auftreffen. Die Position wird anhand der in den Messwerten enthaltenen ­Sensordaten für die Justage errechnet. Fotos: Guranti

Moderne Fahrerassistenzsysteme (FAS) können Unfälle verhindern und Leben retten. Sie sind nicht nur in der Premiumklasse zu finden, sondern auch zunehmend in den Mittel- und Kompaktfahrzeugen verbaut. KRAFTHAND hat sich informiert, welche Anforderungen bei Instandsetzung der Systeme auf freie Werkstätten zukommen und was hinsichtlich Versicherungsschutz zu beachten ist.

Die zunehmende Verkehrsdichte, die höheren Geschwindigkeiten, die Vielzahl an Zusatzinformationen im Fahrzeug und die mobilen Kommunikationssysteme erhöhen die Belastung für den Autofahrer. Stress und Reizüberflutung sind ständige Begleiter der modernen Mobilität. Verschiedene Gefahren erfordern eine schnelle und bedachte Handlung, ohne die Übersicht über den restlichen Verkehr zu verlieren – und das im Sekundentakt. Innovative Fahrerassistenzsysteme unterstützen den Fahrzeuglenker dabei, zu jeder Zeit den Überblick zu behalten. Sie ermöglichen eine entspannte Verkehrsteilnahme und helfen, Unfälle zu vermeiden, indem sie bei verspäteter oder ausbleibender Reaktion des Fahrers eingreifen oder auf die Gefahr hinweisen.

Anforderungen an die Werkstatt
Durch die Zunahme der Assistenzsysteme, die Informationen von Kameras und Radarsystemen verarbeiten, stehen Werk­stätten sowie Karosserie-, Lack- und Glas­spezialisten vor der Herausforderung, diese Systeme fachgerecht zu überprüfen und zu kalibrieren – etwa nach einem Unfallschaden oder nach dem Ersetzen der Frontscheibe. Damit erhöhen Assistenzsysteme auch die Arbeitszeitvorgaben, was der Kfz-­Betrieb bei der Kostenkalkulation und bei der Terminvergabe berücksichtigen muss.

Fahrerassistenzsysteme
Eingreifende Fahrerassistenzsysteme sind nach Meinung der Experten äußerst komplex und stellen hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit. So müssen die Sensoren die Umwelt zuverlässig erfassen und das System muss fehlerfrei interpretieren, damit die Entscheidung richtig und zum richtigen Zeitpunkt getroffen werden kann. Bei einem sicherheitsrelevanten System sind die Anforderungen an die permanente Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit deutlich höher als bei einem Komfortsystem. Der Mechatroniker muss daher den genauen Systemaufbau sowie die Vernetzung der einzelnen Steuergeräte und die Arbeitsweise der Fahrerassistenzsysteme genau kennen. Um exakte Messergebnisse zu garantieren, arbeiten die Prüftools der verschiedenen Anbieter in Verbindung mit den entsprechenden Diagnosegeräten mit einer äußerst geringen Toleranz. Die Anforderungen an das Prüfequipment sowie die technischen Standards bei Wartung und Instandsetzung der Systeme sind enorm gewachsen. Instandsetzungskosten werden dadurch deutlich teurer, was gegenüber dem Kunden argumentiert werden muss.

Instandsetzungsprobleme
Fahrerassistenzsysteme erschweren die Diagnose und die Unfallinstandsetzung. Nahezu jeder Fahrzeughersteller verfolgt seine eigene Philosophie, wodurch für die Werkstätten keine einheitliche System­architektur zu erkennen ist. In der Folge sollten Kfz-Betriebe im Service verschiedene Wege einschlagen und jeweils herstellerspezifische Reparaturunterlagen verwenden.

Auch bei der Kalibrierung der meist in der Windschutzscheibe sitzenden Kamera entwickeln viele Fahrzeughersteller ihr eigenes Verfahren. Deshalb sollten die eingesetzten Diagnosegeräte sowohl softwareseitig als auch hardwareseitig mehrmarkenfähig entwickelt und konfiguriert sein. Dies wird Werkstätten und auch Sachverständigen vor neue, bisher noch nicht mit Sicherheit lösbare Probleme stellen.

Reichweite

Wichtig für die Werkstatt: Die Mess­einrichtungen für einige Fahrerassistenzsysteme verfügen über eine Reichweite von mehreren hundert Metern. Ist der Radarkopf oder die Kameraposition im Verhältnis zur geometrischen Fahrachse des Fahrzeugs nur geringfügig verschoben, funktioniert das System nicht – oder noch schlimmer – falsch. Deshalb ist es nicht damit getan, die beispielsweise bei einem Unfallschaden beschädigten Ultra­schall-, Video- oder Radarsensoren lediglich zu ersetzen.

Um Justierarbeiten ausführen zu können, sind in der Regel hohe Investitionskosten für entsprechendes Equipment sowie für Schulungen der Werkstattmitarbeiter fällig. Jede freie Werkstatt muss dabei für sich selbst entscheiden, ob sich diese Investitionen lohnen oder die Arbeiten an eine entsprechende Markenwerkstatt weitergegeben werden sollen.

Versicherungsschutz
Einige FAS wirken direkt auf das Brems- und Lenkverhalten des Fahrzeugs ein. Kommt es in Folge von Reparaturarbeiten zu einem Unfall oder Schaden, haftet laut Versicherungsexperten die Werkstatt aufgrund des mit dem Kunden geschlossenen Werkstattvertrags. Erhebt der Kunde einen Anspruch wegen Pflichtverletzung des Vertrags, müsste sich die Werkstatt vom Vorwurf eines schuldhaften Verhaltens entlasten. Denn hier greift die sogenannte Beweislastumkehr und es ist Aufgabe des Kfz-Betriebs zu beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft und weder vorsätzlich noch fahrlässig fehlerhaft gearbeitet wurde. Aus diesem Grund sollten Werkstätten entsprechende Reparaturnachweise, die teilweise durch die Diagnosesoftware der Kalibrierungssysteme automatisch erstellt werden, archivieren, um sie bei Bedarf vorlegen zu können.

Weitere Informationen u. a. zum Thema Werkstattpraxis in der aktuellen KRAFTHAND 22/2015.  Zum Abo geht’s hier.

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