Gastkommentar von Hartmut Röhl

„Eine neue GVO muss dem digitalen Zeitalter Rechnung tragen“

GVA-Präsident Hartmut Röhl
Bild: GVA

Die Fahrzeughersteller haben auf den Märkten für Ersatzteile, Werkstattleistungen und fahrzeugbezogene Daten eine hohe Marktmacht gegenüber den zumeist kleinen und mittelständischen Betrieben des freien Markts – regelmäßig überschreitet der Marktanteil des jeweiligen OEM die gesetzlichen Schwellen für die Vermutung einer Marktbeherrschung. Daher sowie nicht zuletzt auch wegen der Komplexität, der Größe und der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Markts sind sektorspezifische Regeln zwingend erforderlich. Das gilt ebenso für die Zukunft, so braucht es selbstverständlich eine neue GVO, wenn die „Aftermarket-GVO“ im Mai 2023 ausläuft.

Eine einfache Übertragung der geltenden Regeln, gegebenenfalls angereichert mit nochmals klarstellenden Formulierungen, um ein Herauswinden der OEM aus den ihnen auferlegten Pflichten zu verhindern, reicht aber nicht aus, denn der Kfz-Ersatzteil- und -Servicemarkt hat sich vor allem in Folge der Digitalisierung in den vergangenen Jahren stark gewandelt und er wird sich weiter verändern. Die neuen kartellrechtlichen Leitplanken der Branche müssen darauf abgestimmt werden und – wenn man sich die Anwendungsdauer der bisherigen GVOen anschaut – voraussichtlich bis in die frühen 2030er Jahre fairen Wettbewerb im Markt angemessen schützen.

Die Digitalisierung ist in der Branche zu einem nahezu allumfassenden Querschnittsthema geworden. Sie ist deshalb auch ein „Game Changer“, weil mit ihr Fahrzeughersteller erstmals einen direkten Zugang zum Autofahrer erhalten. Die Marktmacht der Fahrzeughersteller könnte durch eigene abgeschlossene digitale Plattformen weiter steigen, was letztlich zu Monopolen führen kann. Mit herstellerspezifischen, proprietären Vernetzungslösungen greifen OEM bereits jetzt entschlossen nach dem Wartungs- und Reparaturgeschäft, und sie können mit solchen Lösungen die Wettbewerber aus dem freien Markt gezielt ausschließen.

Auch erlangen sie damit größere Macht über die herstellergebundenen Betriebe: Sie können Aufträge steuern oder diese Stufe der Wertschöpfung gleich ganz überspringen, etwa mit einem Direktvertrieb von Zusatzausstattung, die etwa per Over-the-air-Software im Fahrzeug freigeschaltet wird. Die darin angedeutete, zunehmend engere Verknüpfung von Fahrzeug und Software bedroht den Wettbewerb auch an anderer Stelle. So müssen immer mehr Ersatzteile nach dem Einbau in den Systemen des Fahrzeugherstellers angemeldet werden. Das errichtet digitale Barrieren, die Wettbewerber aus dem IAM nur schwer überwinden können. Die neuen Technologien bieten Chancen, stellen aber auch eine neue Bedrohung des Wettbewerbs dar und müssen daher bei einer Neufassung der GVO berücksichtigt werden.

Die GVO hat sich in den letzten Jahren gut bewährt, sie hat wichtige Grundlagen für Wettbewerb gesichert und die Macht der Fahrzeughersteller eingehegt. Nun bedarf es einer Neuauflage, die den geänderten Anforderungen des Markts Rechnung trägt.

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