Zu lange gestanden?

Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht allein in einer längeren Standzeit noch keinen eigenständigen Mangel.

VW, Opel und Hyundai sind die Gewinner der Umweltprämie: Allein im Februar 2009 ließen die Deutschen knapp 280.000 Pkws zu, eine Steigerung zum Vorjahr in Höhe von über 21 Prozent. Allerdings verschweigt diese Statistik, dass allein der Klein- und Kompaktwagenbereich für diesen Zuwachs verantwortlich ist, das Mittelklasse- und Oberklassensegment hat gleichen Zeitraum  teilweise 40 Prozent eingebüßt.
Diese Fahrzeuge stehen nunmehr bei den Händlern und warten auf Interessenten und Käufer.   

19 Monate Standzeit

Einen solchen Fall beschäftigte bis vor kurzem die deutsche Zivilgerichtsbarkeit: Am 14. 09. 2006 erwarb ein privater ‚Van-Liebhaber‘ von einem Händler einen „Chevrolet Van 20 zum Preis von damals 13.900 Euro.
Das Fahrzeug war am 10. März 1996 erstzugelassen worden. Die Kfz-Zulassungsstelle verweigerte allerdings die (erneute) Zulassung, weil das Fahrzeug in den letzten 19 Monaten vor der beantragten Wiederzulassung stillgelegt war“. Zwar wäre eine Zulassung nach Anfertigen eines entsprechenden Gutachtens durchaus noch möglich gewesen, der Käufer nahm jedoch Abstand vom Vertrag, weil er sich hinsichtlich der langen Standzeit betrogen fühlte.

Eine derart lange Standzeit begründe bereits einen Mangel, weil mit Standzeitschäden gerechnet werden muss, so der Käufer damals. Das Berufungsgericht den Rücktritt des Käufers noch für rechtens erklärt. Standzeitschäden könnten unabhängig davon auftreten, selbst wenn das Fahrzeug zwischenzeitlich zur Hauptuntersuchung vorgeführt worden sei, so die Berufungsrichter.  

Keine Beschaffenheitsvereinbarung

Der BGH sah den Fall allerdings anders (Az.: VIII ZR 34/08): Von einem Mangel geht die Rechtsprechung zunächst dann aus, sofern die tatsächliche Beschaffenheit eines Fahrzeugs von einer so genannten Soll-Beschaffenheit abweicht. Diese Soll-Beschaffenheit ist in der Regel im Kaufvertrag oder in einem so genannten ‚Zustandsprotokoll‘ niedergelegt.
Hätte beispielsweise der Verkäufer den Van als ‚Jahreswagen‘ tituliert, so hätte er auch für die Eigenschaften eines solchen Fahrzeugs haften müssen. Darunter fällt insbesondere das Alter eines derartigen Pkw, das nicht älter als zwölf Monate sein darf.

Eine solche ‚Beschaffenheitsvereinbarung‘ lag indes im entschiedenen Fall nicht vor. Somit  mussten die Richter als Vergleichsmaßstab zur tatsächlichen Beschaffenheit auf das zurückgreifen, was für einen Van in diesem Alter „üblich“ und der Käufer allgemein zu erwarten hat (so genannter ‚objektiver Maßstab‘) ist.  

Objektiver Maßstab ausschlaggebend

„Bei einem Gebrauchtwagen ist, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, jedenfalls der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich und hinzunehmen. Welche Beschaffenheit üblich ist, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalles ab, wie beispielsweise dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung“ ab, so die Karlsruher Richter wörtlich.

In der Beurteilung, ob eine Standzeit von 19 Monaten bei einem Fahrzeug in diesem Segment üblich ist, bewies der BGH Geschick und Praxisgefühl. „Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, welche Standzeit üblich ist und ab welcher Zeitspanne diese Grenze überschritten wird, ist schon deshalb nicht möglich, weil die Standzeit eines Gebrauchtwagens stark von der jeweiligen Marktlage abhängt. Aber selbst wenn feststünde, dass ein beträchtlicher Teil von Gebrauchtwagen, die hinsichtlich Fahrzeugtyp, Alter und Laufleistung mit dem verkauften Fahrzeug vergleichbar sind, ohne längere Standzeiten verkauft wird, führte eine solche, rein statistische Betrachtung nicht weiter“, so die Urteilsbegründung.
Es scheint wohl, dass die Richter des höchsten deutschen Zivilgerichts nicht nur die momentane Gebrauchtwagensituation richtig erfassten, sondern auch die  zukünftige Entwicklung richtig einschätzten.

Mit dem Argument, dass „sich allein auf statistischer Grundlage keine Aussage dazu treffen [ließe], welche Käufererwartung hinsichtlich der Standzeit objektiv berechtigt ist“, entzieht der BGH einem objektiven Vergleichsmaßstab letztendlich den Boden.

Mängel, sofern sie vorliegen, müssen selbständig geprüft und dürfen nicht mehr pauschal mit einer zu langen Standzeit begründet werden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs kommt gerade rechtzeitig und wird mithin dazu beitragen, die Krise auf dem Automobilmarkt zu meistern.

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