Rechtsprechung

Wann ein Neuwagen seinen Namen verdient

Wann ist ein Neuwagen ein Neuwagen? Diese Frage hat der BGH jetzt eindeutig geklärt. Bild: AdKrieger – stock.adobe.com

BGH stellt klar, wann ein Fahrzeug als neu gilt und wann nicht.

Bei der Frage, ob es sich bei einem Fahrzeug um einen Neuwagen handelt oder nicht, kommt es zwischen Verkäufer und Käufer mitunter zu Unstimmigkeiten, denn an der Definition des Begriffs Neuwagen scheiden sich nicht selten die Geister. Diesem Dilemma hat der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst ein Ende gesetzt und festgelegt, wann ein Kraftfahrzeug (noch) fabrikneu ist.

Denn ob ein Fahrzeug als neu gilt oder nicht, kann von großer Bedeutung in Bezug auf Gewährleistung und Garantie sein. In seinem Urteil (VIII ZR 227/02) präzisierte der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass ein unbenutztes Kraftfahrzeug regelmäßig noch „fabrikneu“ ist,

• wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird

• es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist

• und wenn zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen.

Hintergrund des aktuellen Urteils ist ein Fall, bei dem der Kläger bei der Beklagten, einem Autohaus, Ende Juni 2000 einen Pkw bestellte. Das vom Autohändler verwendete Kaufvertragsformular enthielt die Angabe „verbindliche Bestellung neuer Kraftfahrzeuge“, wie der BGH berichtet. Anfang August 2000 wurde dem Käufer dann ein Fahrzeug des von ihm bestellten Modells übergeben, das am 30. November 1998 hergestellt worden war. Dieses Modell wurde seit November 1998 bis zum Kauf unverändert weitergebaut. Daraufhin verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrags, weil aus seiner Sicht das Fahrzeug wegen seines Alters, entgegen der Zusicherung im Kaufvertrag, nicht mehr „fabrikneu“ war.

Lange Standdauer als wertmindernder Faktor

Dieser Klage gab das Oberlandesgericht statt und vertrat dabei die Auffassung, ein unbenutztes Fahrzeug, dessen Herstellung bei Kaufvertragsschluss 19 Monate zurückliegt, kann auch dann im Sinn der Rechtsprechung des BGH nicht mehr als „fabrikneu“ gelten, wenn das Modell des Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird und es keine durch die Standzeit bedingten Mängel aufweist. Die Frage, ab welchem Zeitraum zwischen Herstellung und Kaufvertragsschluss oder Auslieferung ein Fahrzeug in diesem Sinne nicht mehr „fabrikneu“ ist, wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bislang uneinheitlich beantwortet, kommentierten die Obersten Richter. Demnach soll es in der Rechtsprechung der OLG zur Fabrikneuheit bislang Fristen zwischen acht und 30 Monaten gegeben haben. Deshalb wollte der BGH hier endlich für eine einheitliche Rechtsprechung sorgen.

Der Bundesgerichtshof hat abgeleitet, dass im Regelfall eine Lagerzeit von mehr als zwölf Monaten die Fabrikneuheit eines Neuwagens aufhebt.

In der Urteilsbegründung weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die Lagerdauer eines Kraftfahrzeugs ein wesentlicher Gesichtspunkt für dessen Wertschätzung sei. Sprich: Eine lange Standdauer ist für einen Neuwagenkäufer ein wertmindernder Faktor. Jedes Kraftfahrzeug unterliegt einem Alterungsprozess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetzt, argumentieren die Richter. Denn grundsätzlich verschlechtere sich der Zustand des Fahrzeugs durch Zeitablauf aufgrund von Materialermüdung, Oxidation und anderen physikalischen Veränderungen. Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermag diesen Alterungsprozess aus Sicht des BGH nur zu verlangsamen, aber nicht zu verhindern. Daraus leitet der Bundesgerichtshof ab, dass im Regelfall eine Lagerzeit von mehr als zwölf Monaten die Fabrikneuheit eines Neuwagens aufhebe.

Veränderte Ausstattung, veränderte Ausgangslage

Der Auto Club Europa ACE weist außerdem darauf hin, dass ein Auto nach der Rechtsprechung auch dann kein Neuwagen mehr ist, wenn der Hersteller bis zum Kaufzeitpunkt wesentliche Veränderungen an der Ausstattung und der Fahrzeugkonfiguration dieser Modellreihe vorgenommen hat.

Beispiel: Wenn in das ansonsten identische Modell bei aktuell gefertigten Fahrzeugen etwa ein größerer Tank eingebaut wird. Weitere Gründe, warum ein Auto nicht mehr als Neuwagen anzusehen ist, sind demnach Gebrauchsspuren wie Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen. Ein Ausstellungsfahrzeug wiederum ist deshalb kein Neuwagen mehr, da es zu Ausstellungszwecken genutzt wurde und entsprechend von Interessenten angefasst und „probegesessen“ werden konnte.

Im Vergleich dazu kann ein Neuwagen durchaus bis zu zehn Kilometer auf dem Tacho haben. Denn Fahrzeuge mit einem Tachowert von Null gebe es nur dann, wenn der Tacho entweder zurückgesetzt wurde oder erst bei der Auslieferungsinspektion des Autohauses aktiviert wurde, heißt es zur Begründung. Doch jedes Fahrzeug wird bis zur Auslieferung eine gewisse Strecke bewegt, sei es bei der Verladung oder bei letzten Kontrollen.

Einmal zugelassen,
nicht mehr neu

Grundsätzlich wird ein Auto laut ACE schon dann zu einem Gebrauchtwagen, sobald es einmal zugelassen wurde und somit einen Vorbesitzer hat. Auch Vorführwagen dürfen deshalb nicht als Neuwagen angeboten werden, wie der Club betont, weil sie bereits auf einen Händler zugelassen und in der Regel für Probefahrten von Kunden genutzt wurden. Daher gilt: War ein fabrikneues Fahrzeug bereits auf einen Händler angemeldet und der Tacho zeigt mehr als zehn Kilometer an, handelt es sich um einen Vorführwagen.

Für den Kfz-Bereich gibt es (noch) keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Problemkomplex. Deshalb kann für Kfz-Profis eine Entscheidung des BGH zum Fall eines Hörgeräteakustikers interessant sein.

Ausnahme Tageszulassung: Im Gegensatz dazu spricht man von einer sogenannten Tageszulassung, wenn ein Fahrzeug mit einem Kilometerstand von weniger als zehn nur für einen oder wenige Tage auf einen Händler zugelassen war. Ein solches Fahrzeug mit Tageszulassung hat zwar streng genommen einen Vorbesitzer, gilt in der Regel jedoch als Neufahrzeug – vorausgesetzt es ist frei von Mängeln und zwischen Zulassung und Verkauf liegen höchstens zwölf Monate. Doch der ACE warnt: Eine Tageszulassung kann – je nach Hersteller – Auswirkungen auf die Laufzeit der Neuwagengarantie haben. Vergehen nach der Tageszulassung Monate bis zum Verkauf, kann die Garantiefrist um diesen Zeitraum verkürzt sein.

Garantie und Gewährleistung

Nicht zuletzt sind auch Gewährleistungspflichten ein wesentlicher Grund für die Bedeutung des Begriffs „fabrikneu“. Hierbei geht es nicht nur darum, dass ein Käufer, der wie im Fall des BGH-Urteils mehr als 50.000 Euro für seinen „Neuwagen“ ausgibt, verständlicherweise auch ein neues Fahrzeug bekommen will.

Grundsätzlich wird ein Auto laut ACE schon dann zu einem Gebrauchtwagen, sobald es einmal zugelassen wurde und somit einen Vorbesitzer hat.

Vielmehr ist die Einstufung als „fabrikneu“ von erheblicher Bedeutung für die Laufzeit der Herstellergarantie sowie für die gesetzliche Gewährleistung. Denn die Gewährleistungsfrist bei einem Neuwagen beträgt zwei Jahre, während sie bei einem Gebrauchtwagen auf ein Jahr verkürzt werden kann.

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