
Der Nabel der Autowelt
Ende April füllte sich mein E-Mail-Fach überproportional mit Meldungen zahlreicher Autobauer und branchenrelevanter Erstausrüster. Anlass für die Flut an Nachrichten war die vom 23. April bis 2. Mai stattgefundene Auto Shanghai. Längst fällt diese Autoshow nicht nur deutlich glamouröser und größer aus als die Münchner IAA in ihrer heutigen Form. Vielmehr zieht sie auch zahlreiche Fachbesucher an. Beides kein Wunder und beides auch Ausdruck, wohin sich der automobile Nabel der Welt endgültig verschoben hat. Mit – je nach konjunktureller Lage – um die 20 Millionen verkauften Neuwagen und laut Medienberichten derzeit rund 200 Fahrzeugherstellern (von denen zwar viele wieder verschwinden werden) führt im Automotive-Bereich nun mal an China kein Weg vorbei.
Umso mehr gilt das für Zulieferer in Zeiten, in denen sie weniger Aufträge von kriselnden hiesigen OEMs erwarten können. Denn natürlich wollen und müssen auch die chinesischen Autobauer ihren Kunden bei Fahrerassistenzsystemen, Fahrwerken und Detaillösungen im Innenraum ausgereifte Entwicklungen bieten. Und die kommen nach wie vor häufig von Anbietern außerhalb ihres Landes. Hinzu kommt, dass zumindest die deutschen Premiummarken aufgewacht scheinen. Das zeigt sich an vielen bemerkenswerten Innovationen, die sie in Shanghai vorstellten. Dazu zählen etwa Break by Wire (Mercedes), ausgefallene, frische Designs (z. B. Audi E5 Sportback) oder von VW ein speziell für den chinesischen Markt entwickeltes KI-gestütztes ADAS-System.
Mit solchen und anderen Innovationen wollen die Deutschen ein Zeichen setzen, dass sie trotz ihrer derzeitigen Probleme nicht vorhaben, ihre Spitzenpositionen ohne Weiteres aufzugeben. Ob ihnen das gelingt? René Schröder von RegSus Consulting meint zu wissen, wo der Schlüssel liegt: „Nur eine gute (Auto-)Hardware reicht nicht. Im digitalen Zeitalter braucht es auch eine erstklassige Software – das haben die Chinesen verstanden und für ihren Markt wissen sie, worauf es ankommt.“ Es wird also Zeit, dass die Deutschen hier gleichziehen. Ansonsten kommt es wie bei der (zumindest von europäischen OEMs anfangs verschlafenen) Technologie für die E-Mobilität, die vom weltgrößten Automarkt getrieben wird und somit auch über den (Miss)Erfolg von VW und Co (mit)entscheidet – auf dem hiesigen, aber eben erst recht auf dem asiatischen Markt.








