Interview mit Ulrich Wohlgemuth und Dirk Wittenberg

„Telematik wird an Bedeutung gewinnen“

Nach knapp 20 Jahren an der Spitze des Autoteile-Einkaufsverbands übergibt Ulrich Wohlgemuth die Geschäfte Anfang des Jahres 2022 an seinen Nachfolger Dirk Wittenberg. Krafthand hat vor der Staffelübergabe mit beiden gesprochen –über die größten Herausforderungen für freie Werkstätten, das Thema Eigenmarke und warum es ein Vorteil sein kann, ein Mittelständler zu sein.

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Herr Wohlgemuth, wie schwer oder leicht fällt Ihnen der Abschied und für wann ist die endgültige Staffelübergabe geplant?

Der bisherige Geschäftsführer des Auto-Einkaufsverbands Coparts: Ulrich Wohlgemuth übergibt Anfang des Jahres 2022 die Geschäfte an seinen Nachfolger. Bilder: Coparts

Wohlgemuth: Das ist das berühmte lachende und weinende Auge. Zum einen fällt es natürlich schwer, ein Unternehmen zu verlassen, das man über Jahre erfolgreich aufgebaut hat und mit dem man sich sehr stark identifiziert hat. Zum anderen freut man sich natürlich auf mehr Freizeit und darauf, Dinge zu tun, die man sich schon lange vorgenommen hat. Ich habe über die Jahre sehr viele freundschaftliche Geschäftsbeziehungen gepflegt und ich werde darauf achten, diese Kontakte auch weiterhin zu pflegen. Unsere endgültige Staffelübergabe ist zum 1. Januar 2022 geplant. Dirk ist aber bereits ab 1. September mit mir als Geschäftsführer bestellt. So können wir die Dinge ohne Zeitdruck perfekt übergeben.

Wie gut konnten Sie, Herr Wittenberg, die Zeit nutzen, um sich einzuarbeiten und wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf, aber auch den größten Spielraum?

Das neue Gesicht an der Spitze von Coparts: Dirk Wittenberg übernimmt nach Stationen bei Continental, Yuasa, Siemens und Osram.

Wittenberg: Im Rahmen der vorgegebenen Corona-Einschränkungen konnte ich bereits viele Gesellschafter, Dienstleister und Lieferanten digital (oder auch persönlich) treffen. Dabei habe ich ebenso spannende Einblicke bekommen wie bei den Gesprächen mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter der Coparts.

Als die wichtigsten Handlungsfelder sehe ich die Digitalisierung, zum Beispiel bei Prozessen oder auch bei der Arbeit mit riesigen Datenmengen. Die Telematik wird an Bedeutung gewinnen – es stellt sich allerdings die Frage, wie die Kosten für die Softwareentwicklung und notwendige Hardware, zum Beispiel eines OBD-Dongles, gedeckt werden können.

Apropos Telematik, wo geht Ihrer Meinung nach die Reise hin? Wie kann Coparts dazu beitragen, dass auch die freien Werkstätten bei diesem Thema nicht zu kurz kommen?

Es gibt schon eine Vielzahl an Ansätzen von Marktteilnehmern, die sich in unterschiedlichen Projektphasen befinden. Aus meiner Sicht stellen sich zwei entscheidende Fragen, denn aktuell sehen wir zum Beispiel noch Fragezeichen in Bezug auf ein tragfähiges Geschäftsmodell. Es geht also um die Frage, wie die Kosten für die Softwareentwicklung (und die notwendigen Daten) und die entsprechende Hardware (OBD-Dongle) gedeckt werden können. Und darum, wie sämtliche Fahrzeuge möglichst einfach über etwa die OBD-Schnittstelle angebunden und die wirklich spannenden Fahrzeugdaten ausgelesen und in konkreten Inspektions- oder Reparaturbedarf übersetzt werden können.

Sie kommen als Key Account Manager aus dem Aftermarket- und Servicebereich bei Continental, haben aber auch Stationen bei Yuasa, Amazon sowie Osram und Siemens hinter sich. Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?

Es ist immer spannend, die Perspektive zu wechseln und in meinem Fall in die Rolle des Kunden zu schlüpfen! Mir hat das partnerschaftliche Miteinander sowohl innerhalb der Coparts als auch mit den Gesellschaftern und unseren Partnern in den Fachgruppen, Lieferanten und Dienstleistern bereits in den letzten Jahren sehr gefallen. Die Fülle der unterschiedlichen Themen hat mich ebenfalls gereizt: Einkauf, Marketing + Messen, IT + Datenmanagement, Werkstattausrüstung, kaufmännische Abwicklung, Handels- und Werkstattsysteme.

Herr Wohlgemuth, schauen wir doch nochmal zurück. Welches sind die großen Meilensteine in der Geschichte der Coparts, wenn Sie sich an die zurückliegenden knapp zwei Jahrzehnte erinnern?

Wohlgemuth: Mir kommen sofort in den Sinn: Eintritt in die Groupauto Int., deren Umbau zu einer Aktiengesellschaft, Gründung der Groupauto Deutschland, Mitgründung der Global Automotive Service, ein Unternehmen mit heute mehr als 100 Mitarbeitern, Entwicklung unserer Eigenmarke CAR1, Schaffung eines branchenweit führenden Messekonzepts (Profi Service Tage), Aufbau und Entwicklung digitaler Messekonzepte, Gründung der Coparts Logistik, Gründung und Weiterentwicklung der Coparts-Fachgruppen.

Und was berichten Ihre Fachgruppen, die sich um Handelsthemen und Werkstattausrüstung kümmern? Welche Themen spielen dort zurzeit eine Rolle, etwa die Preisentwicklung?

Für uns alle gibt es momentan eine Vielzahl an Herausforderungen, denen wir uns täglich stellen müssen: Rohstoffknappheit und -verteuerung, Verfügbarkeit von Artikeln, Erhöhung der Transportkosten unter anderem durch fehlende weltweite Logistikkapazitäten. Aber wir haben einige Maßnahmen mit den entsprechenden Partnern vereinbart, die unsere Kunden möglichst gut durch die schwierige Zeit bringen werden: etwa Erhöhung der Lagerkapazitäten, langfristige Preisvereinbarungen oder alternative Produkte.

„Beim Thema Telematik ist zu klären, wie die Kosten für Softwareentwicklungen und notwendige Hardware wie OBD-Dongle gedeckt werden.“

Und was können Sie als Autoteile-Einkaufsverband in Verhandlungen mit der Industrie zum Wohl Ihrer Werkstattkunden jetzt und in Zukunft in die Waagschale werfen? (beide)

Wohlgemuth/Wittenberg: Wir haben Industriepartner ausgewählt, die leistungsstark in Bezug auf OE-Qualität, marktgerechte Preise, gute Datenqualität, Verfügbarkeit sind. Die Coparts und ihre Gesellschafter stellen den Werkstätten eine Vielzahl an interessanten Leistungen zur Verfügung. Dazu zählen ein attraktives Produktportfolio (Teile und Werkstattausrüstung), wettbewerbsfähige Preise durch die Bündelung von Mengen, professionelle Messewelten (digital und Präsenz) verbunden mit attraktiven Messeangeboten, die Eigenmarke CAR1, exzellente Kataloganbindung (Coparts Online) sowie durchdachte Werkstattkonzepte.

Herr Wohlgemuth, wie würden Sie die aktuelle Situation der Profiservice Werkstatt, also der Kooperation inhabergeführter freier Werkstätten mit mehr als 800 Betrieben in Deutschland (und mehr als 6.000 in Europa), derzeit beschreiben?

Wie im DAT-Report beschrieben, konnten die freien Werkstätten wiederum Marktanteile von den OE-Werkstätten gewinnen. Aus unserer Sicht ist für den Autofahrer das wichtigste Entscheidungskriterium das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und Kompetenz des Werkstattteams. Es ist aber wichtig, dass die Werkstatt einem leistungsstarken System angehört, das sich um technische Daten kümmert, einfache Bestellprozesse ermöglicht und attraktive Marketingideen anbietet, mit dem sich die Werkstatt im Umfeld sehr gut präsentieren kann. Das Ganze muss natürlich einfach zu bedienen sein und kostengünstig angeboten werden. Die Entwicklung dieser Leistungsangebote ist in einem starken deutschen oder internationalen Verbund am einfachsten.

„Es geht um die Frage, wie sämtliche Fahrzeuge möglichst einfach über etwa die OBD-Schnittstelle angebunden und die spannenden Daten ausgelesen werden können, um sie in konkreten Inspektions- und Reparaturbedarf zu übersetzen.“

Inwiefern, Herr Wittenberg, hat sich die Einführung der Eigenmarke CAR1 gelohnt? Wie profitieren Werkstattkunden und Autofahrer davon?

Für alle Werkstätten, denen Preis und Qualität gleichermaßen wichtig sind, bietet Coparts mit der Eigenmarke CAR1 eine starke Alternative zu bekannten Premiumbrands. Die CAR1-Produkte sind der Beweis, dass Qualität und Langlebigkeit nicht teuer sein müssen. Durch die enge Kooperation mit Erstausrüstern bieten CAR1-Produkte garantierte OE-Qualität für höchste Ansprüche und gleichzeitig eine attraktive Preispolitik für jeden Geldbeutel. Das Sortiment umfasst unter anderem Öle, Autolampen, Fahrzeugflüssigkeiten, Reinigungs- und Pflegemittel sowie saisonal relevante Artikel für jede Jahreszeit.

Sprechen wir noch über Ihre Messeangebote. Sie denken nicht erst seit der Pandemie hybrid, sondern bieten die „Profi Service Tage“ bereits seit 2016 auch digital an. Wie stellen Sie Ihre Messen für die Zukunft auf?

Wohlgemuth: In 2021 halten wir eine große Live-Messe noch für zu früh wegen der möglichen Risiken für Besucher und Aussteller – insbesondere unter Berücksichtigung der steigenden Anzahl an Coronainfektionen mit der Deltavariante. Für dieses Jahr haben wir uns für eine digitale Messe, verbunden mit einer magischen digitalen Abendveranstaltung, entschieden – lassen Sie sich überraschen!

Wittenberg: Ab nächstem Jahr planen wir mit einer Digitalmesse im Bereich Mai und einer Präsenzmesse im Bereich November in Frankfurt – die Messegesellschaft hat die Halle 3 als Veranstaltungsort bestätigt.

Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.

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