
Im Schatten des Porsche 911
Der Porsche 928 sollte zum adäquaten Nachfolger des 911er werden und wurde 1977 sogar zum schönsten Auto des Jahres gekürt. Doch seinen Vorgänger konnte er nie von Platz eins der Beliebtheitsskala verdrängen – trotz seiner Besonderheiten.

Mitte der 1970er Jahre war Porsche der 911er als einer der erfolgreichsten Sportwagen der Welt nicht mehr genug. In Zuffenhausen sehnten sie sich nach einem adäquaten Nachfolger. Kein puristischer, luftgekühlter Sechszylinder mit Heckantrieb sollte das Flaggschiff sein, sondern ein Nobelracer, der Mercedes, Jaguar und Ferrari in der Luxusklasse das Fürchten lehren konnte. Ingenieure und die Designer um Chef Anatole Lapine zauberten daraufhin 1977 den Porsche 928 auf die Straße. Doch was die Automobilfans begeisterte, schreckte die Elfer-Fangemeinde ab.
Neues Fahrgefühl und viel Komfort
Ein wassergekühlter 4.5-l-V8-Frontmotor aus Aluminium mit Zahnriemenantrieb für die obenliegenden Nockenwellen sorgte für ein neues Fahrgefühl. Der Antrieb war aufgebaut wie beim kleinen Bruder 924: in Transaxle-Bauweise mit Getriebe, Differenzial und Achsantrieb in einem Gehäuse an der Hinterachse und einer Welle, die mit dem Motor verbunden war. Die Zweischeibenkupplung dirigierte ein Fünfgang-Schaltgetriebe, aber auch eine Viergang-Automatik war möglich. Erstmals hatte das Fahrwerk eine mitlenkende Hinterachse.
Die Karosserie glänzte mit vollintegrierten Stoßfängern vorn und hinten, einem muskulösen Hinterteil mit großem Kofferraum sowie runden Klappscheinwerfern, die bei Tageslicht versenkt wurden. Aufgrund der Leichtbauweise waren Türen, Kotflügel und Motorhaube aus Aluminium. Zum futuristischen Design trugen ebenso die Alufelgen bei, die statt Speichen Löcher hatten.
Der Innenraum bot zwei großzügige Rücksitze und einigen Schnickschnack, etwa eine Reinigungsmittel-Dosierpumpe für die Scheibenwaschanlage und eine Klimaanlage fürs Handschuhfach, damit – so die Erklärung der Marketingstrategen – „die Schokolade im Reiseproviant nicht schmilzt“.
Das schönste Auto des Jahres 1977
Bereits im ersten Jahr wählten (ausgerechnet) die Italiener den Porsche zum schönsten Auto des Jahres – die erste von vielen Auszeichnungen. Da fiel es kaum ins Gewicht, dass das 928er-Modell mit anfänglichen 240 PS etwas schwach motorisiert war. Das änderte sich jedoch im Lauf der Jahre. Über den 928 S, den 928 S Katalysator (das schnellste Katalysatorfahrzeug seiner Zeit), den 928 GT und den finalen 928 GTS steigerte sich der Hubraum des V8 Stück für Stück auf 5,4 Liter mit 350 PS.
Rekordverdächtig war die 24-Stunden-Hochgeschwindigkeitsfahrt 1983 auf dem Volle-Kanne-Rundkurs im italienischen Nardo: Über 6.033 Kilometer hinweg erreichte der 928 eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 251,4 km/h. Nicht zuletzt dieser Wert sorgte für die Bezeichnung „Businessjet für die Straße“, mit dem man schneller als im Flugzeug jeden Termin komfortabel erreicht.
Auch als Oldtimer ein Erfolgsmodell
Aber den 911er verdrängen? Keine Chance. Die Fangemeinde der schwer erziehbaren Heckschleuder lief Sturm. Der Elfer ließ die Muskeln spielen, erlebte seinen zweiten Frühling und ist bis heute das Flaggschiff der Schwaben. Ein Erfolgsmodell war der 928 trotzdem. Denn die Marke gewann ganz neue Käuferschichten. Bis zum Produktionsende 1995 wurden rund 62.000 Fahrzeuge hergestellt. Nicht so viele wie einst erhofft, aber immerhin.
Im Lauf der Jahre ist der Businessjet für die Straße auch in der Porsche-Familie angekommen. Die Preise auf dem Oldtimermarkt sind stabil und ordentlich. Das mag auch an der Zeit liegen, die viele Veränderungen mit sich brachte: Wenn sich Neuzeit-Monster wie Cayenne und Panamera echte Porsche nennen, dann darf das der 928 allemal.
Exklusive Einblicke
Die Experten der zentralen GTÜ-Klassikabteilung haben die Expertise für Klassiker aller Art und kennen die spannenden Aspekte jeder Historie. Krafthand veröffentlicht in loser Folge exklusive Einblicke in die umfangreiche Datenbank der Sachverständigenorganisation.







Schreiben Sie den ersten Kommentar