Ukrainehilfe aus der Kfz-Branche heraus

Erfahrungsbericht nach Flüchtlingstransport und Tipps für Nachahmer

Ob Kfz-Betriebe, Zulieferer oder Werkstattausrüster, viele Unternehmen und Personen aus der Kfz-Branche wollen den Flüchtenden aus der Ukraine helfen. Doch was ist eine sinnvolle Hilfe? Von Kleiderspenden beispielsweise hält der Chef eines Werkstattausrüsters, der vor Ort an der ukrainischen Grenze war, nichts. Was er Hilfewilligen rät.

Die Initiatoren bzw. Mithelfer für den Flüchtlingskonvoi (v.l.): Sonja Obels-Keil (Autohaus Medele Schäfer). Sigfried Weis (Fa. Tiresonic), Christine Lüddemann (Lebenshilfe Kempten), Georg Paulus, Initiator, Nicole Weis, Initiatorin, Benjamin Fackler (Lebenshilfe Kempten), Alex Schuster Autohaus Medele Schäfer).

Die Initialzündung für Siegfried Weis, um Flüchtlinge an der ukrainischen Grenze abzuholen, kam von der 24-jährigen Tochter des Inhabers des Radwaschmaschinenherstellers Tiresonic aus Leutkirch im baden-württembergischen Allgäu. Ihre am Dienstag den 1. März geborene Idee: mit zwei Kleinbussen Hilfsgüter an die Grenze bringen und auf der Rückfahrt Kinder und Frauen mit nach Deutschland nehmen.

Wie sich jedoch noch herausstellen sollte, ist das nicht so einfach wie es klingt, schildert Weis. Aber dazu später. Bevor es losging dachte sich der Allgäuer, „wenn wir es machen, dann richtig“ und brachte die Überlegung ins Spiel, zusätzlich einen Reisebus zu organisieren. Dabei kamen ihm seine Geschäftsbeziehungen zu diversen Autohäusern und anderen Unternehmen zugute – und der Zufall.

Letzteres bezieht sich auf den notwendigen Busfahrer. Weis konnte dafür einen in Deutschland lebenden Polen gewinnen, der zudem auch noch – wichtig! – die ukrainische Sprache beherrscht und den er zufällig bei einem Restaurantbesuch kennenlernte. Das war nur ein Tag, nachdem bei seiner Tochter und ihm der Entschluss reifte, die Hilfsaktion auf die Beine zu stellen.

Nun brauchte es noch die Kleinbusse, die das Autohaus Allgäu in Immenstadt organisierte und der Mercedes-Benz-Partner Medele Schäfer in Königsbrunn bereitstellte. Den Reisebus mit 60 Plätzen samt einem weiteren Busfahrer stellte die Firma Rothermel in Wildpoldsried kurzentschlossen zur Verfügung, sodass es am Freitag den 4. März losging – inklusive genügend Proviant für die Begleiter des Konvois, zu dem weitere Kleinbusse der Lebenshilfe Kempten dazu stießen. Natürlich war auch genügend Verpflegung für die Flüchtlinge an Bord der Fahrzeuge.

Impressionen

Zum kompletten von Siegfried Weis zwischen Tür und Angel geschriebenen Konvoi-Tagebuch geht es hier.

 

Dass es gar nicht so einfach ist, Flüchtlinge vor Ort aufzunehmen, mussten Weis und seine Helfer vor Ort erfahren. Denn bis zum geplanten Ziel, den im Norden der ukrainisch-polnischen Grenze liegenden Übergang/Grenzort Dorohusk, kam der Konvoi gar nicht. Die polnischen Behörden hatten den Zugang zur Grenze hermetisch abgeriegelt – wohl nicht zuletzt, um Schlepperbanden fernzuhalten. Dass die Allgäuer Helfer dennoch viele Ukrainerinnen mit Kindern nach Deutschland bringen konnten, geht darauf zurück, dass die in diesem Gebiet angekommenen Geflüchteten in Chelm zentralisiert werden.

Dennoch war es nicht einfach, dort den Bus voll zu bekommen. Schon aufgrund der hohen Anzahl Hilfsbedürftiger herrschte vor Ort Chaos. Hinzu kommt, dass viele Kriegsflüchtlinge verängstigt sind und misstrauisch, aus Angst vor Schleppern, berichtet Weis. Letztlich, so erklärt er weiter, ist es dank der polnischen Ortskräfte (ohne die wäre es nicht gegangen) gelungen, die freien Plätze auszulasten und den Weg nach Deutschland anzutreten.

Schon vor Beginn der 18-stündigen Rückfahrt nach Kempten wurden Listen der an Bord befindlichen Flüchtlinge an die Lebenshilfe Kempten übermittelt, damit deren vorübergehender Aufenthalt im Allgäu (etwa bei Privatfamilien) organisiert werden konnte.

Letztlich konnten laut Weis dank dieser Aktion 86 Flüchtlinge innerhalb von 48 Stunden vom Chaos am Grenzgebiet nach Deutschland gelangen, von wo aus sie teils zu Verwanden und Bekannten weiterreisen wollen.

Neben dem Dank an die Lebenshilfe und den zahlreichen Helfern und Spendern gibt Weis denjenigen, die ebenfalls helfen wollen, aufgrund seiner Erfahrungen folgende Tipps:

  • Unbedingt eine Hilfsorganisation vor Ort ins Boot holen, die die Menschen aufnehmen und vermitteln kann (z. B. Diakonie).
  • Einen Kontaktperson vor Ort, der einem unproblematisch die Flüchtlinge zuteilt, damit kann man einen Bus durchaus in 3 bis 4 Stunden füllen und sofort wieder abfahren.
  • Einen möglichst großen Bus mit drei Fahrern, damit unterbrechungsfrei und ohne Übermüdung gefahren werden kann.
  • Ganz wichtig sind Begleiter oder Fahrer, die Polnisch und Ukrainisch oder Russisch sprechen.
  • Auf genügend Coronatests und Masken achten: Vor Ort werden kaum Masken getragen.
  • Aufs Tanken achten. Aufgrund der vielen Transporte machte der Allgäuer Hilfskonvoi die Erfahrung, dass an den Tankstellen entlang der Hilfsrouten lange Wartezeiten in Kauf zu nehmen sind oder gar Spritmangel herrschen kann.
  • Genügend Proviant und Hygieneartikel (dabei einkalkulieren, wie viele Flüchtlinge aufgenommen werden können).
  • Decken nicht vergessen für Kinder (es kommen nur Frauen und teils sehr kleine Kinder).
  • Ein Schriftstück mit Briefkopf der Hilfsorganisation und auf dem in ukrainischer Sprache steht, wie der weitere Verlauf ab Einsteigen in den Bus aussehen wird. Dabei nicht vergessen: Wo ist das Endziel und erklären und warum der Bus die Leute nicht an verschiedene Standorte verteilen kann.

Bei weiteren Fragen, beispielsweise auch wie Kontakte vor Ort geknüpft werden können, steht Siegfried Weis Rede und Antwort.

Tel: 07561/913804   E-Mail: info@Tiresonic.de

 

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