Blick ins KRAFTHAND-Magazin: Nie mehr offene Rechnungen in der Kfz-Werkstatt

Ihm Rahmen des ­Factoring, das heißt mit dem Verkauf von Forderungen, kann die Kfz-Werkstatt ihre Liquidität verbessern. Bild: Fotolia

Säumige Werkstattkunden? Forderungsausfälle? Sind Werkstätten damit verstärkt konfrontiert, können daraus ernste Probleme erwachsen. Zum Beispiel mangelnde Liquidität. Im schlimmsten Fall droht die Insolvenz. Mit dem Verkauf von Forderungen – im Fachjargon Factoring – können Werkstätten ihre Risiken abschwächen. KRAFTHAND erklärt, was dahinter steckt.

Es kommt öfter vor, als es dem Inhaber einer Kfz-Werkstatt lieb sein kann. Kunden zahlen ihre Rechnung nicht. Ebenso häufig: Um einen Preisnachlass zu erzielen, werden teilweise ungerechtfertigte Mängelrügen vorgebracht und Zahlungsziele weit überschritten. Wenn der Kunde insolvent ist, muss die Forderung ganz abgeschrieben werden.

Risiken minimieren
Solche Risiken kann das Finanzierungsinstrument Factoring minimieren. In Deutschland bieten es Banken etwa seit Beginn der 1960er Jahre an. Und es funktioniert wie folgt: Die Kfz-Werkstatt erbringt eine Leistung (Reparatur) und erstellt die Rechnung. Diese Forderung gegenüber dem Kunden verkauft die Werkstatt an den Anbieter des Factoring. In der Regel sind dies Banken. Nach dem Vollzug des Verkaufs und dem Eingang der Rechnung bei der Bank werden die für das Factoring relevanten Rechnungsdaten, beispielsweise Rechnungsdatum und -nummer erfasst. Dann wird der volle Rechnungsbetrag abzüglich Factoringgebühr auf das Hausbankkonto der Werk­statt überwiesen. So kann die Kfz-­Werk­statt zeitnah über das Geld verfügen und damit beispielsweise Rabatte und Skonto beim Teileeinkauf wahrnehmen.

Factoringkonto
Das betreffende Factoringkonto ist aber kein Kontokorrentkonto der Werkstatt, sondern ein Abwicklungskonto für das Factoring. Für den Werkstattkunden ist dies nicht erkennbar. Stattdessen leistet er nach wie vor seine Zahlung an die Werkstatt. Auch die Übergabe und den Versand der Rechnung übernimmt weiterhin die Werkstatt. Lediglich eine Kopie der Rechnung wird an die Bank gesandt.

Verzug und ­Zahlungsunfähigkeit
Falls der Werkstattkunde nach vier Wochen noch nicht bezahlt hat, erhält die Werkstatt von der Bank eine Mahnvorschlagsliste, mit der Bitte um Mitteilung, welcher Kunde gemahnt werden darf. Mahnungen können ausgesetzt und für einige Zeit gesperrt werden – jeweils wie von der Werkstatt gewünscht. Ist die Erlaubnis zur Mahnung erteilt, schreibt die Bank den Werkstattkunden an. Im Rahmen dieser Zahlungserinnerung wird er gebeten, den offenen Betrag zu überweisen.

Reagiert der Kunde nicht, so ergeht eine weitere Mahnung. Ist auch dies erfolglos, wird die Werkstatt darüber informiert. In Absprache mit der Werkstatt wird das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet. Stellt sich die Zahlungsunfähigkeit des Kunden heraus, so trägt die Bank das Ausfallrisiko zu 100 Prozent.

Ein Anbieter von Factoring ist beispielsweise die Raiffeisenbank Arnstorf (Bayern). KRAFTHAND stellte Georg Ruhland, Leiter Markt Factoring, einige Fragen zum Thema.

Herr Ruhland, welche Bedingungen muss eine Werkstatt erfüllen, um am Factoring teilnehmen zu können?
Nach erfolgtem Beratungsgespräch reicht die Werkstatt der Bank betriebswirtschaftliche Unterlagen zur Prüfung ein. Dabei legt die Raiffeisenbank ein Hauptaugenmerk auf die Debitorenliste (noch unbezahlte Kundenforderungen), um ein eventuelles Ausfallrisiko einschätzen zu können.

Welche Kosten sind mit dem Factoring für die Werkstatt verbunden?
Die Factoringgebühr im Vollservice beträgt 3,15 Prozent plus Umsatzsteuer aus der jeweils zum Ankauf angebotenen Rechnung. Die berechnete Umsatzsteuer kann als Vorsteuer geltend gemacht werden. Die Factoringgebühr ist eine All-inklusive-Gebühr. Dafür kann der Kunde seine Liquidität verbessern und er spart Zeit und Kosten, wenn es beispielsweise zu einem Mahnverfahren kommt. Gerichts- und Anwaltskosten werden von der Bank übernommen.

Sind Sicherheiten  zu leis­ten?
Nein. Sicherheiten müssen von der Werkstatt nicht gestellt werden.

Wird der Kunde darüber informiert, dass die Forderung der Werkstatt abgetreten wurde?
Erst bei Eintritt eines Zahlungsverzugs. Dann wird der Kunde mit Zugang der Mahnung über die Abtretung informiert.

Kann die Werkstatt den Factoringvertrag mit der Bank jederzeit kündigen?
Die Werkstatt kann einen Factoringvertrag täglich unter Einhaltung einer Frist von 30 Tagen kündigen.

Muss das Firmenkonto beim Anbieter des Factoring eröffnet werden?
Nein. Die Werkstatt kann weiterhin mit den bestehenden Hausbanken zusammenarbeiten und dort weiter ihre Konten führen. Eine Übertragung der Firmenkonten ist weder vorgesehen noch vorgeschrieben.

Bis zu welchem Betrag kann die Kfz-­Werkstatt ihre Forderungen an die Bank abtreten?
Forderungen bis 1.500 Euro werden ohne Bonitätsprüfung angekauft.

Was ist, wenn die Forderung 1.500 Euro übersteigt?
In diesen Fällen ist vor dem Ankauf seitens der Bank eine Bonitätsprüfung des Werkstattkunden erforderlich. Fällt diese entsprechend positiv aus, steht dem Ankauf nichts entgegen.

Muss die Kfz-Werkstatt im Rahmen des Factoringsvertrags sämtliche Forderungen abtreten?
Grundsätzlich müssen alle Forderungen aus Werkstattrechnungen, zum Beispiel Kundendienste oder Reparaturen, zum Ankauf angeboten werden. Nicht angeboten werden müssen Forderungen, die durch sofortige Zahlung bei Abholung des Fahrzeugs beglichen werden. Jedoch können individuelle Einschränkungen getroffen werden.

Gibt es einen Mindestbetrag an Rechnungen, der abgetreten werden soll?
Wir kennen grundsätzlich keine Mindestumsatzgrenze. Jedoch sollten die jährlich zum Ankauf angebotenen Forderungen in der Summe 50.000 Euro nicht unterschreiten.

Wie ist die Verfahrensweise bei Fuhrparkkunden, die mehrere Rechnungen für verschiedene Fahrzeuge haben?
Für größere Kunden mit mehreren Fahrzeugen wird ein individuelles Ankaufs­obligo festgelegt.

Herr Ruhland, vielen Dank.

Die Fragen stellte Ralf Lanzinger.

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