Adventskalender: Türchen 12

Piezoinjektoren – die Funktion und Kalibrierung

Piezoinjektoren arbeiten extrem schnell und präzise – dank Piezoaktoren, Hochspannung und feinster Dosiertechnik. Wie sie funktionieren und warum ihre Kalibrierung entscheidend ist.

Krafthand-Adventskalender Türchen 12
Bild: Krafthand

Piezoinjektoren zeichnen sich durch vielfach kürzere Schaltzeiten gegenüber den Magnetventil-Injektoren aus. Sie ermöglichen eine exaktere Kraftstoffdosierung und geringere Einspritzmengen. Der Einsatz von Piezoinjektoren mit nach außen öffnenden A-Düsen eignet sich besonders für strahlgeführte Gemischbildungsverfahren mit einem weit gestreckten Homogen-Mager-Bereich.

Der In-Line-Piezoinjektor besteht aus drei Funktionsgruppen: dem Koppler, dem Piezo-Aktormodul und dem Düsenmodul, welche hintereinander in einer Linie zum Kraftstofffluss im Injektor angeordnet sind.

Im Injektor sorgt ein Kopplermodul als Kompensationselement für den Ausgleich der thermischen Längenkontraktionen und die Spielfreiheit des Düsen- und des Piezo-Aktormoduls.

Die piezokeramischen Stoffe, aus denen das Aktormodul besteht, erzeugen beim Anlegen einer elektrischen Spannung nur eine kleine Auslenkung. Deshalb werden diese Elemente in mehr als hundert Schichten übereinander zu einem Piezostack zusammengefügt und von einer Federkapselung vorgespannt. Auf diese Art entsteht binnen weniger als einer tausendstel Sekunde ein Hub von 30 μm mit einer hohen Betätigungskraft. Die erreichbare Auslenkung ist von der Länge des Piezoelements und der angelegten Spannung abhängig.

Piezoinjektor Bosch HDEV4
Die inneren Werte eines schnellschaltenden Piezoinjektors Bosch HDEV4: Es ist gut zu sehen, dass das Piezo-Aktormodul von einem federartigen Käfig umschlossen und damit unter Vorspannung gehalten wird.

Auch der Piezoinjektor hinterlässt intern kaum eine hydraulische Steuermenge an Kraftstoff und besitzt daher keinen Rücklauf. Der betriebsartenabhängige Raildruck liegt zwischen 100–200 bar. Auch bei diesen hohen Drücken bildet die nach außen öffnende A-Düse einen stabilen Hohlkegelstrahl aus. Der Kraftstoffzulauf ist hochdruckseitig zum Rail abgedichtet. Die Abdichtung zum Zylinderkopf im Injektorschacht erfolgt durch einen Teflonring.

 

Dieses Kapitel ist in folgendem Fachbuch erschienen:

Benzin-Direkteinspritzsysteme – Komponenten, Funktionen, Diagnose

1. Auflage 2015, von Heiko Peter, 212 Seiten, 175 Abbildungen/Grafiken/Tabellen, 39,95 Euro

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Das Motorsteuergerät erzeugt die Ansteuerspannung von 125–160 V und steuert die Piezoinjektoren mit einem Massesignal nach einem bestimmten Ansteuermuster an. Der wirksame Hub der Düsennadel beträgt nur etwa 35 μm. Das Piezo-Aktormodul stellt für das Motorsteuergerät eine kapazitive Last dar. Beim Öffnen fließt ein Strom von etwa 8 A. Zum Öffnen und Schließen wird die Polarität vom Motorsteuergerät umgekehrt.

Ein Piezoaktor verhält sich rein elektrisch gesehen wie ein Kondensator. Seine Kapazität hängt dabei von der Fläche und dem Material ab. Die Auslenkung des Piezoelements ist damit proportional zur elektrischen Ladung. Also ist ein Stromstoß erforderlich, um einen Piezokristall für die gewünschte Längendehnung bis zu einer Zielspannung aufzuladen.

Ansteuerungsverlauf Piezoinjektors Bosch HDEV4
Der Ansteuerungsverlauf des Piezoinjektors Bosch HDEV4: Die Ansteuerzeit bei Leerlaufdrehzahl beträgt hier nur 0,5 ms. Der blaue Verlauf stellt die Ansteuerspannung und der rote Verlauf den Steuerstrom dar.

Da in einem Piezostack mehrere Lagen piezokeramischer Schichten parallel geschaltet sind, ist die Kondensatorfläche entsprechend groß. In diese Kondensatorfläche muss die Ladung mit mehreren Stromstößen ‚hineingepumpt‘ werden. Dieses Pumpen ist an dem charakteristischen Verlauf der Öffnungs- und Schließstromrampe zu erkennen.

Die Größe des Stromstoßes und die Dauer ist die Ladungsmenge, die in Milliampère-Sekunden (mAs) gemessen wird. In der Datenliste aus einem Motorsteuergerät einer Bosch MED 9.7 sind daher einige injektorbezogene Daten entsprechend mit der Einheit mAs bezeichnet.

Parallel zum Piezo-Aktormodul ist ein Entladewiderstand von 220 Ω angeordnet. Dieser Widerstand ist an den elektrischen Anschlüssen der Injektoren gegeneinander messbar. Von jedem Injektor führen zwei Leitungen zum Motorsteuergerät. Spannungsmessungen sind nur potenzialfrei und Strommessungen nur mit einer das Steuerkabel umschließenden Messzange durchzuführen.

Toleranzcode

Piezoinjektoren haben einen aufgedruckten Toleranzcode, der dem Motorsteuergerät beim Austausch mittels eines Diagnosegeräts einzuprogrammieren ist. Dieser Toleranzcode gilt für den werksneuen Injektor und wird vom Motorsteuergerät im Verlauf seines alterungsbedingt geänderten Betriebsverhaltens durch Kennfelder ergänzt.

Somit ist ein probehalber Quertausch nach hoher Laufleistung zu Diagnosezwecken nicht zielführend. Denn selbst mit Eingabe des Toleranzcodes werden alle bisherigen Kennfelder mit dem Neuzustand überschrieben. Das tatsächliche Betriebsverhalten des gealterten Injektors ist ein jedoch gänzlich anderer.

Ein erneuter Anlernprozess eines gealterten Injektors kann erfordern, dass ein bestimmter Fahrzyklus unter verschiedenen Belastungsmustern mehrmals absolviert werden muss.

Das Piezo-Einspritzventil von Siemens, wie es beispielsweise beim BMW-Vier- und Sechszylinder mit der Motorsteuerung MS80 verbaut wird, erreicht seine Maximalöffnung schon nach einer Ansteuerdauer von 200 μs. Ebenso schnell wird es wieder geschlossen.

Datenliste der Istwerte eines Piezoinjektors
Die Datenliste der Istwerte eines Piezoinjektors. In der ersten Tabelle wird der aktuell gespeicherte Toleranzcode in der Anpassung angezeigt. Dieser ist bei Motorlaufproblemen mit dem auf dem Injektor befindlichen Code zu vergleichen. Im letzten Block befindet sich der Lernwert ‚Nullhub‘. Nach einem Neueinbau ist dieser Wert nach Eingabe des aktuellen Toleranzcodes zurückgesetzt und wird erst nach einer Adaptionsfahrt neu belegt.

Neben dem Vollhub ist bei Piezoinjektoren auch ein definierter Teilhub möglich. Dabei kann in der impulsweisen, rampenförmigen Öffnungstaktung, übergangslos in die Schließtaktung mit der Stromumkehr übergegangen werden.

Ebenso ist es möglich, den Teilhub für eine bestimmte Zeit zu halten. Damit die extrem kurzen Einspritzzeiten reproduzierbar sind, muss die notwendige Nullhubzeit und die Nullhubladung zyklisch während definierten Fahrmustern nachkalibriert werden. Von alldem bekommt der Fahrer natürlich nichts mit, da die Kalibriervorgänge während der Schubphasen stattfinden.

Achtung!

Bei Verpolung der Leitungen zwischen Steuergerät und Injektor wird der In­jektor beschädigt. Haben die Leitungen einen Kurzschluss nach Masse, so kann das Motorsteuergerät beschädigt werden.

Piezoinjektor Toleranzcode
Der Siemens-Piezoinjektor mit rot eingerahmten Toleranzcode auf dem Injektorgehäuse. Der Toleranzcode ist dem Motorsteuergerät bei einem Austausch zwingend mitzuteilen.

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