Experteninterview zur Prüfbarkeit von FAS

„Alle haben den Schuss gehört“

Der Geschäftsführer der Dekra Automobil anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Prüforganisation im Krafthand-Interview über die Prüfbarkeit von Fahrerassistenzsystemen und auf welchem Level sich FAS-Prüfungen derzeit bewegen.

Jann Fehlauer, Geschäftsführer der Dekra Automobil: „Uns geht es um die Sicherheit – und deshalb um den geregelten, diskriminierungsfreien Zugang zu den originären, also unbearbeiteten Daten aus dem Fahrzeug.“

Im Juni 1925, also mitten in der Zeit, als das Automobil die Welt veränderte, wurde in Berlin der Deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein, kurz Dekra, aus der Taufe gehoben. Das Credo der damaligen Gründungsväter „Sicherheit und Vertrauen in einer Welt im Wandel ermöglichen“ ist aktueller denn je. Nicht zuletzt, weil das konventionelle Auto mit den Fahrzeugen von morgen aufgrund von E-Antrieben, immer größeren Bildschirmen, KI und vor allem Assistenzsystemen wenig zu tun hat. Was das für die gerade 100 Jahre alt gewordene Dekra und das Prüfgeschäft im Allgemeinen bedeutet, dazu fragte Krafthand den Geschäftsführer der Dekra Automobil Jann Fehlauer.

Herr Fehlauer, bevor wir in die Zukunft blicken: Was würden Sie als die Meilensteine angesichts des 100-jährigen Jubiläums bei Dekra in Hinblick auf Fahrzeugprüfungen sehen?

Das Thema Fahrzeugprüfung war ja der Gründungsimpuls von Dekra im Jahr 1925. Damals ging es darum, die gewerblichen Fuhrparks der Mitglieder freiwillig regelmäßig technisch zu überprüfen – lange bevor in Deutschland jemand von einer staatlich verordneten Hauptuntersuchung gesprochen hat. Die wurde ja erst 1951 eingeführt.
Ein wichtiger Meilenstein war dann sicher das Jahr 1961, in dem nicht nur die HU-Plakette eingeführt, sondern in dem auch Dekra zur amtlich anerkannten Überwachungsorganisation wurde. Damit konnten nicht nur die Fahrzeuge von Mitgliedern bei uns geprüft werden, sondern alle Fahrzeuge in der Bundesrepublik. Im Jahr 1990, noch vor der Wiedervereinigung, wurde Dekra in Ostdeutschland mit den Aufgaben der technischen Prüfstelle betraut. Es galt damals, in kürzester Zeit ein umfassendes Netz an eigenen Standorten aufzubauen.

Und auch die Internationalisierung ist – nicht nur, aber auch – bei der Fahrzeugprüfung ein wichtiges Thema für Dekra. Bis in die späten 1980er Jahre war das ein rein deutsches Geschäft für uns – dann folgten erste Auslandsaktivitäten in Frankreich und seitdem ein beeindruckendes Wachstum. Heute ist Dekra die weltweite Nummer 1 mit mehr als 32 Millionen Fahrzeugprüfungen in 24 Ländern nicht nur in Europa.

Tests wie der hier dargestellte sogenannte Schwarmtest zum Prüfen mehrerer Fahrerassistenzsysteme auf dem Dekra-Testgelände in Klettwitz im Rahmen einer Fahrzeugerprobung sind effektiv, aber für eine Funktionsprüfungen für die HU zu aufwendig.

„Die Fahrzeughersteller sind sich zunehmend bewusst, dass es wichtig ist, beim Thema Prüfbarkeit von elektronischen Funktionen mitzuziehen.“

Angesichts der E-Mobilität steht die Automobilbranche vor einer grundlegenden Transformation. Aber stellt die Flut an Assistenzsystemen das Aftersales-Geschäft, den Aftermarket und auch die Prüforganisationen nicht vor größere Herausforderungen, weil sich deren Prüfung viel komplexer gestaltet?

Beides sind wichtige Felder, für die wir uns aufstellen. Im Bereich der Elektromobilität haben wir, teilweise mit Partnern, eine Reihe von Prüfungen entwickelt, die heute noch nicht vorgeschrieben, aus unserer Sicht aber dringend notwendig sind. Denn klar ist: Die Elektromobilität ist grundsätzlich sicher – wenn Fahrzeuge, vor allem Batterien oder Leitungen beschädigt sind, kann davon aber auch eine Gefahr ausgehen.

Gerade beim Thema gebrauchte E-Fahrzeuge gibt es viele offene Fragen und auch immer noch Vorbehalte. Man fragt sich: Wie gut ist die Batterie noch? Damit steht und fällt der Wert des Fahrzeugs. Unser patentierter Dekra-Batterietest kann hier wichtige Informationen geben. Immer wieder wird auch der Ruf nach einem einheitlichen Standard zur Ermittlung des Batteriezustands laut.

Der Gebrauchtwagenhandel steht insgesamt vor einer großen Herausforderung, weil viele bei gebrauchten E-Autos sehr zurückhaltend sind. Was ja auch kein Wunder ist, solange Neufahrzeuge teils mit riesigen Rabatten in den Markt gedrückt werden.

Zum zweiten Punkt Assistenzsysteme: Klar ist, dass auch deren Prüfung immer wichtiger wird. Hier beschäftigt sich die gesamte Automobilbranche mit verschiedenen potenziellen Methoden; das wird hochspannend in nächster Zeit.

Ist die Prüfung von Assistenzsystemen im Rahmen der HU auch deshalb so wichtig, weil man sich dabei nicht auf die Onboard-Diagnose verlassen kann, also sie noch unzuverlässig Fehler erkennt?

Mit der Eigendiagnose ist es natürlich nicht getan, das ist keine Frage. Schon minimal verstellte Sensoren etwa können die Funktionstüchtigkeit von Assistenzsystemen massiv beeinträchtigen, und das, obwohl das Fahrzeug selbst noch keinen Fehler meldet. Das haben unsere eigenen Versuche gezeigt. Wenn zum Beispiel ein Notbremsassistent auf einen querenden Fußgänger zu spät reagiert, weil ein Radarsensor „schielt“, dann kann das fatale Folgen haben.

Aber selbst wenn die Eigendiagnose in Zukunft noch weiter verbessert werden sollte – der unabhängige Blick auf den Zustand und die Funktionsfähigkeit von Fahrzeugen und Systemen ist ein Wert an sich, den man nicht aufgeben darf.

Auf der Skala von eins bis zehn (höchstes Level): Auf welchem Niveau befinden wir uns heute, wenn es um die Möglichkeiten der echten Funktionsprüfung im Rahmen der HU von Assistenzsystemen wie Notbremsassistent oder Spurhalteassistent geht?

Ich will das nicht beziffern. Alle Beteiligten – damit meine ich Hersteller, Politik, Prüforganisationen, die FSD, den internationalen Verband CITA und weitere Akteure – haben sich längst auf den Weg gemacht, um sinnvoll einsetzbare und wirkungsvolle Prüfmethoden zu entwickeln. Klar ist, dass wir auf diesem Weg noch Schritte vor uns haben. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit mit dem Bundesverkehrsminister zusammengesessen und unter anderem genau darüber gesprochen. Die Branche ist auf dem Weg, alle haben den Schuss gehört.

„Immer wieder wird der Ruf nach einem einheitlichen Standard zur Ermittlung des Batteriezustands laut.“

Welche Hürden sind noch zu nehmen, um das Prüfniveau weiter zu steigern? Ist es etwa ein Hemmnis, dass nach wie vor der Datenzugang ins Fahrzeug nicht ausreichend ist und die OEMs sich nicht gern in die Karten schauen lassen?

Das Thema Daten ist natürlich wichtig, da haben Sie recht. Es gibt mit dem Projekt des Mobility Data Space hier in Deutschland einen Ansatz, um sicherzustellen, dass jeder Akteur die jeweils benötigten Daten bekommen kann. Da geht es natürlich auch ums Geschäft, was ich nicht bewerten will.

Uns geht es um die Sicherheit – und deshalb um den geregelten, diskriminierungsfreien Zugang zu den originären, also unbearbeiteten Daten aus dem Fahrzeug. Nicht zu allen Daten – aber eben zu denen, die für die Fahrzeugprüfung relevant sind, in der es ja darum geht, die Vorschriftsmäßigkeit, die Verkehrssicherheit und den umweltgerechten Betrieb der Fahrzeuge sicherzustellen.

Bekanntlich sind seit 2025 diverse Assistenzsysteme auf Initiative der EU zur Pflicht geworden. Warum wurde das nicht genutzt, um die OEMs zu einer entsprechenden Datenfreigabe zu verpflichten? Das wäre doch nur logisch.

Da fragen Sie den Falschen. Man kann das sicher logisch finden, aber Tatsache ist: Das Thema ist bisher noch nicht geregelt. Das Treffen mit dem Verkehrsminister hat mir aber unter anderem zwei Dinge gezeigt: Zum einen sind sich die Fahrzeughersteller zunehmend bewusst, dass es wichtig ist, beim Thema Prüfbarkeit von elektronischen Funktionen mitzuziehen und das schon von Anfang an bei der Homologation mitzudenken. Hier erlebe ich weniger Verweigerung und mehr Bereitschaft zum gemeinsamen Arbeiten, als das noch vor einigen Jahren der Fall gewesen sein mag. Und zum anderen ist die Bundesregierung – allen voran Minister Schnieder – ganz offensichtlich entschlossen, diese Themen voranzutreiben. In dem Bewusstsein, dass hier Entscheidungszyklen im Bereich von zehn Jahren nicht sinnvoll sind.

Herr Fehlauer, vielen Dank.

Die Fragen stellte Torsten Schmidt

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