Krafthand-Adventskalender Türchen 11
Adventskalender: Türchen 11

Hintergründe zu Nachlauf und Nachlaufversatz

Bild: Krafthand

Der Nachlauf hat großen Einfluss auf Lenkverhalten, Rückstellkräfte und Fahrstabilität. Wie er entsteht, wie er gemessen wird und warum korrekte Werte für Sicherheit und Fahrdynamik entscheidend sind.

Ein Achsmessgerät misst den Nachlauf von der gedachten Federbeinachse (S) zur Senkrechten (P) hin. Daraus ergibt sich auch die sogenannte Nachlaufstrecke.

Gängige Fahrzeuge weisen in der Regel Nachlauf-Werte zwischen 1° – 3° auf. Bei front- und allradangetriebenen Fahrzeugen finden sich auch kleinere Werte. Generell sind leichte Fahrzeuge in Verbindung mit Heck-Antrieb mit höheren Nachlauf-Werten versehen, damit sich die positiven Wirkungen der Winkel bemerkbar machen. Auch Serien-Sportwagen haben oft höhere Nachlauf-Werte.

Sich das Phänomen des Nachlaufs vor Augen zu führen, ist gar nicht so einfach. Man kann sich vorstellen, dass durch den Nachlauf die Räder beim Einlenken quasi ‚hinterhergezogen‘ werden. Dadurch streben sie selbsttätig nach einer Kurve wieder in die Mittelstellung zurück.

Dies verdeutlicht, dass die Rückstellkraft der Räder durch die Spreizung und auch durch den Nachlauf beeinflusst wird. Hohe Nachlauf-Werte wirken bei hohen Geschwindigkeiten spurstabilisierend. Bei geringeren Geschwindigkeiten wirken sie sich wegen der hohen Rückstellkräfte tendenziell ungünstig aus.

 

Dieses Kapitel ist in folgendem Fachbuch erschienen:

Vermessen und Einstellen von Pkw-Fahrwerken – Achsgeometrie, Technik, Praxisbeispiele

1. Auflage 2016, von Jens Sternbeck, 56 Seiten, 70 Bilder/Grafiken, 24,95 Euro

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Definition des Nachlaufs

Der Nachlauf beschreibt den Neigungswinkel des Federbeins zur Fahrbahn-Senkrechten hin von oben in Richtung Fahrzeug-Heck.

Speziell bei Mc-Pherson-Federbeinen ist der Nachlauf die Neigung der Linie durch die Mitte des Domlagers und der Mitte des Trag-Gelenkes des Federbeines zur Senkrechten auf der Fahrbahn von oben nach hinten.

Grafik: Nachlauf Pkw-Fahrwerk

Warum wird ein Nachlauf-Winkel überhaupt vorgesehen? Der Sinn ist, dass durch den Nachlauf-Winkel die nach hinten abgewinkelte Lenkachse ein Einlenken der Räder in Richtung Kurven-Innenseite möglich macht. Wenn beispielsweise ein Mercedes aufgrund seiner Achskonstruktion zu einer Seite lenkt, kippen die Räder deutlich in diese Richtung.

Dieser Effekt führt quasi zu einer zusätzlichen Sturzerhöhung in Kurven bei deutlichem Lenkeinschlag. Da aber die Sturzwerte und die Nachlauf-Werte in Serien-Fahrzeugen relativ klein sind und der überwiegende Teil der Gesamtfahrstrecke eines Serienfahrzeugs mit vorwiegend sehr kleinen Lenkwinkeln gefahren wird, ist der Effekt des Nachlaufs nicht besonders groß.

Interessanter wird es im Rennsport, wo aktiv höhere Nachlauf-Werte genutzt werden. Durch eine Erhöhung des Nachlauf-Winkels um je 1° (bei 20° Lenkeinschlag) kann eine Sturz-Erhöhung um 20 Winkelminuten erzielt werden. Dies erhöht den Sturzwert selektiv in Kurvenfahrten. Damit werden die Abstützkräfte in Kurven erhöht, dadurch sind höhere Kurvengeschwindigkeiten möglich.

Einen hohen Nachlauf-Wert würde man in Serien-Fahrzeugen deutlich durch erhöhte Lenkkräfte spüren, da in diesem Fall höhere Rückstell-Kräfte auftreten.

 

Info

Die Nachlaufstrecke darf nicht zu groß werden. Sie bezeichnet die Strecke zwischen dem Reifenaufstandspunkt und dem gedachten Durchstoß-Punkt der Lenkachse am Boden.

 

Die Nachlaufstrecke bewirkt eine selbstständige Rückstellung der Räder, was normalerweise den Geradeauslauf unterstützt. Wenn die Strecke aber zu groß wird, besteht die Gefahr, dass das Fahrzeug anfällig auf Seitenkräfte wird oder durch zu große Rückstellkräfte sich sogar aufschaukelt und es zu Lenkrad-Flattern kommt.

Bei zu geringem Nachlauf wiederum könnten die Rückstellkräfte zu gering werden und als Folge hätten wir einen schlechten Geradeauslauf.

Grafik: Nachlaufstrecke Pkw-Fahrwerk

Bei der Entwicklung einer Achskonstruktion ist es wichtig möglichst die Vorteile des Nachlaufs zu nutzen. Eine bewährte Methode ist die Nutzung des Nachlauf-Versatzes. Der Nachlauf-Versatz ist die Verschiebung der Radachse nach vorne.

Durch den Nachlauf-Versatz wird der Reifen-Aufstandspunkt ein wenig nach vorne an den gedachten Treffpunkt der Lenkachse zur Straße verschoben. Dies verkürzt die Nachlauf-Strecke, ohne aber den Nachlauf-Winkel an sich zu verändern. Der Nachlaufwinkel-Versatz ist in der Regel nicht einstellbar, sondern –wenn überhaupt – nur der Nachlauf-Winkel.

 

Info

Der Nachlauf-Winkel verändert sich auch durch die Neigung des Fahrzeugs nach oben oder unten. Also durch eine unterschiedliche Fahrzeughöhe vorne und hinten. Deshalb ist es beim Vermessen sehr wichtig, dass die Messbühne exakt ausgerichtet ist und die Herstellervorgaben bezüglich des Beladungszustandes eingehalten werden.

 

Zusätzlich zum grundsätzlichen Verhalten von Rädern mit Nachlauf kommt ein wesentlicher Punkt hinzu, sobald die Vorderachse mit Nachlauf gerade angetrieben wird (Beschleunigung). Im nicht beschleunigten Zustand wird das Rad quasi vor dem Fahrzeug hergeschoben, und ist dann erfahrungsgemäß mit größeren Nachlauf-
Werten eher instabil. Deshalb werden in Serien-Fahrzeugen meist eher kleine Nachlauf-Winkel gefahren, um die Räder in möglichst allen Fahrzuständen flatterfrei zu halten.

 

Tipp

Soll der Nachlauf oder der Sturz verändert werden, obwohl dies eigentlich serienmäßig nicht vorgesehen ist, sind entsprechend einstellbare Domlager über Zubehöranbieter lieferbar. Mitunter sind auch Domlager mit einer definierten Korrektur verfügbar. Der Nachlauf-Winkel vergrößert sich, wenn das Domlager des Federbeins nach hinten und/oder das untere Lager nach vorne wandert.

 

Grafik: Nachlaufversatz Pkw-Fahrwerk

Die Messung des Nachlauf-Winkels

Die Messung des Nachlauf-Winkels erfolgt indirekt über die Messung der Sturzveränderung während eines definierten Lenkeinschlags (20°). Je nachdem wie hoch die Sturzänderung ist, kann man so auf den bestehenden Nachlauf schließen beziehungsweise der Wert wird direkt vom Achsmessgerät berechnet. Je größer die Sturzveränderung beim Einlenken ausfällt, desto größer ist auch der Nachlauf.

Im Motorsport ist die Anpassung des Nachlaufs eine gerne gewählte Maßnahme, um die Temperaturen der Reifen in bestimmten Bereichen zu steuern. Ein höherer Nachlauf liefert eine gute Kombination aus relativ kleinen Sturz-Winkeln bei Geradeausfahrt und größeren Sturz-Winkeln in Kurven zur besseren Seitenabstützung.

In der Kombination sind damit dann oft höhere Kurvengeschwindigkeiten und auch schnellere Rundenzeiten möglich. Die Reifen haben dann eine sehr gute Seitenführung und sie überhitzen nicht so schnell bei Geradeausfahrt, da durch die dann geringen Sturz­winkel wenig innere Reibung in den Reifen auftritt.

 

Achtung

Im Falle eines Unfalls und einem Aufprall von vorne, verkleinert sich der Nachlauf-Winkel. Kommt es zu unterschiedlichen Nachlauf-Winkeln links und rechts, sind ungleiche Rückstellkräfte in Kurvenfahrten die Folge. Verdächtig ist deshalb immer, wenn eine Kurvenseite ‚besser geht‘ als die andere. Spätestens dann sollte der Nachlauf überprüft werden.