


Im Gegensatz zum herkömmlichen Ölwechsel ermöglichen spezielle Geräte für den Ölservice einen nahezu 100-prozentigen Austausch des ATF. Zudem lassen sich mit dem Spülen des Getriebes auch Geräusche und Schaltprobleme beseitigen. KRAFTHAND erklärt, wie der maschinelle Ölwechsel funktioniert und wo die Grenzen beim Spülen liegen.
Vor Jahren waren BG Deutschland (www.bgprod.de) und Tim Eckert (www.automatikoelwechselsystem.de) als Anbieter von Ölspülgeräten noch nahezu allein auf dem deutschen Markt. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert: Die Anzahl an Unternehmen, die solche Maschinen vertreiben, ist stark angewachsen. Diese Entwicklung hat sicher mit den Erfolgen zu tun, die sich mit dem Spülen von Automatik getrieben und DSG erzielen lassen. Praxiserfahrungen zeigen, dass danach Schaltvorgänge wieder sanfter ablaufen. Teilweise lassen sich sogar Geräusche und ernsthafte Schaltprobleme beseitigen. Schließlich geht ein (allmählicher) Verlust der Schaltqualität oft auf ein gealtertes und verschlissenes ATF zurück.
Ölbedingte Schaltprobleme sind teils darauf zurückzuführen, dass die Ölwechsel intervalle an Automatikgetrieben nicht mehr vorgeschrieben sind. Bleiben regelmäßige Ölwechsel aber aus, kommt es über kurz oder lang zu übermäßigen Ablagerungen. Ist beispielsweise die Mechatronik des Getriebes davon betroffen, sind Schaltprobleme programmiert. Etwa, weil sich der für sanfte Schaltvorgänge so wichtige Öldruck zum Betätigen der Kupplungen nicht mehr korrekt oder rechtzeitig aufbaut. Um solchen Ärger zu vermeiden, plädieren Experten für einen regelmäßigen Öl- und Filterwechsel – selbst wenn der jeweilige Fahrzeug hersteller diesen nicht vorschreibt. Angenehmer Nebeneffekt: zusätzliche Umsätze im Werkstattgeschäft.
Natürlich wirkt es sich auch positiv aus, wenn Werkstätten das ATF auf klassische Weise erneuern. Also: Öl ablassen. Ölwanne demontieren. Filter wechseln. Ölwanne montieren. Öl auffüllen. Fertig. Damit lassen sich jedoch nur etwa 50 bis 60 Prozent der Ölfüllung austauschen. Der im Wandler, in der Mechatronik und an anderen Stellen befindliche Schmierstoff bleibt jedoch der alte. Mit einem Ölspülgerät hingegen liegt die Wechselquote bei nahezu 100 Prozent, da das alte Öl aus dem kompletten Kreislauf – inklusive Wandler und Ölkühler – ausgespült wird. Im Grunde ist das mit einem Bremsflüssigkeitswechsel vergleichbar. Die frische Flüssigkeit drückt die alte aus dem System. Das beugt dem Getriebeverschleiß noch besser vor als bei einem herkömmlichen Ölservice. Erst recht ist der komplette Ölwechsel vorteilhaft, wenn man ‚ölbedingte’ Schaltprobleme beseitigen will. Außerdem lassen sich mit einer Ölspülmaschine Ablagerungen und Schmutz aus dem Getriebe ausspülen, so die diversen Geräteanbieter.
Bei einem konventionellen Ölwechsel werden je nach Getriebetyp nur 50 bis 60 Prozent der Ölfüllmenge erneuert.
Wie eine typische Spülung aussieht, hat sich KRAFTHAND von Liqui Moly an einem BMW X3 bei einer Vorführung im Autohaus Seefried im bayrischen Ziemetshausen zeigen lassen. Mit dem Gear Tronic, so bezeichnet das Unternehmen sein Spülgerät, dauert ein Ölwechsel inklusive Getriebereinigung bei entsprechender Routine etwa eineinhalb Stunden. Dazu muss der Anwender die Maschine in Reihe in den Ölkreislauf einbinden. Der Liqui-Moly-Techniker Markus Scherl erklärt dazu: Am besten adaptiert man das Gerät dort, wo man am einfachsten hinkommt. Denn beim Gear Tronic ist es egal, ob es in den Ölvor- oder -rücklauf integriert wird. Das Gerät erkennt automatisch, ob seine Leitungen mit dem Vor- oder Rücklauf verbunden sind. Dieses Feature schützt den Anwender vor fehlerhafter Adaption und findet sich auch bei anderen Anbietern. Zudem sind die Leitungen der meisten Spülgeräte wie auch beim Gear Tronic mit einem Rücklaufventil versehen, um das Auslaufen von Öl nach dem Abkoppeln der Leitungen zu verhindern.
Wichtige Aspekte beim Spülkonzept von Liqui Moly sind der zunächst anstehende Öl-Schnelltest sowie die Ölprobe, die es zu entnehmen und zu archivieren gilt. Letzteres sollten Werkstätten sich vom Kunden bestätigen lassen. Kommt es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Getriebeschaden, besteht die Möglichkeit, anhand einer Analyse des Altöls festzustellen, ob das Getriebe vorgeschädigt war. Mit dem Öl-Schnelltest via speziellem Testpapier können Kfz-Profis feststellen, ob sich Glykol im ATF befindet. Wenn das der Fall ist, muss die Werkstatt die Ursache (etwa Haarrisse im Wärmetauscher) dafür herausfinden und abstellen, bevor der eigentliche Spülvorgang beginnt.
Dass dieser inklusive Ölwechsel kein Hexenwerk ist, davon hat sich die Redaktion bei der Vorführung überzeugt (der prinzipielle Ablauf ist unten in zehn Punkten beschrieben). Allerdings: Wunder darf man nicht erwarten. Bei mechanischen Schäden, was beispielsweise an Spänen im alten Öl und der Ölwanne erkennbar ist, bringt eine Spülung nichts mehr. Dann muss das Getriebe zur Instandsetzung. Anders hingegen beurteilt Scherl von Liqui Moly die Erfolgsaussichten bei einer ‚Glykolverseuchung’. Den Erfahrungen des Fachmanns zufolge lassen sich negative Auswirkungen auf die Getriebefunktion wegen Glykols im ATF mit einer Spülung beseitigen. Andere Spülgeräteanbieter argumentieren ähnlich.
Mit einem Ölspülgerät liegt die Wechselquote bei nahezu 100 Prozent.
Voraussetzung, um Ablagerungen und Glykol aus dem Getriebe auszuspülen, ist der Einsatz eines Reinigers der Schmutz und andere Substanzen löst. Bei einer Spülung nur mit frischem ATF wäre das nicht gewährleistet. Bedenken, der Reiniger könnte zu Spätfolgen an Dichtungen führen und/oder Kupplungs lamellen sowie Kunststoffelemente angreifen, brauchen Werkstätten nicht zu haben. Laut Angaben des Ulmer Schmierstoffanbieters ist das ATF-basierende Produkt mit entsprechend schonenden Additiven versehen.
Nachdem beim BMW X3 das ATF sowie der Ölfilter gewechselt, die Ölwanne montiert sowie das Spülgerät abgeklemmt und die Ölleitungen wieder verschraubt waren, stand noch die Kontrolle des Ölstands an. Währenddessen hatte Scherl noch einen Tipp parat: Er rät, nicht nur nach, sondern auch vor dem Ölservice eine Probefahrt zu absolvieren. Insbesondere, wenn Schaltprobleme vor liegen, kann er damit den Erfolg der Spülung besser abschätzen. In diesem Kontext muss man wissen: Es kann vorkommen, dass der Schaltkomfort nach dem Spülen zunächst schlechter ist. Die Gründe dafür gehen auf die adaptive Getriebesteuerung zurück. Während das ATF nach einem Ölservice frisch ist, sind die Adaptionswerte noch auf die Eigenschaften des alten Öls angepasst. Mit diesen Anpassungen gleicht die Getriebe elektronik den Ölverschleiß in einem bestimmten Rahmen aus, um die Schaltqualität zu erhalten.
Bei der abschließenden Ölkontrolle muss der Mechatroniker gewissenhaft vorgehen, da der korrekte Ölstand entscheidend für die Schaltfunktionenist. Es ist auf die vorgeschriebene Öltemparatur für die Ölkontrolle zu achten. Um etwa eine Überfüllung zu vermeiden, muss das überschüssige ATF an der Kontrollschraube abgelassen werden.
Kommen also neues ATF und Adaptionswerte für altes Öl zusammen, verschlechtert sich unter Umständen zunächst der Schaltkomfort. Nach längerer Fahrt passen sich die Lernwerte jedoch auf das frische Öl an und das Getriebe schaltet wie gewohnt. Neben einer längeren Probefahrt gibt es auch die Möglichkeit, die Adaptionswerte per Diagnosegerät zurückzusetzen. Aber auch dann muss man mit anfänglichen Problemen rechnen, da die zurückgesetzten Adaptionswerte zunächst nicht mehr zu anderen Verschleißfaktoren im Getriebe passen, sodass auch hier eine Anpassungsfahrt notwendig werden kann.
Hinweis: Die folgenden Punkte beziehen sich auf einen Spülvorgang mit dem Gear Tronic von Liqui Moly. Abweichungen zum Vorgehen mit einem anderen Gerät sind möglich.