Leseprobe Zu Ende denken... Band 2

Das „Volldampfradio“

Das „kleine Problem“, das unser Kunde an seinem Mittelklassewagen mit der Zentralverriegelung hatte, bestand darin, dass die Funkfernbedienung seit einigen Tagen schon nicht mehr funktionierte, sprich ein Auf- und Abschließen per Handsender nicht mehr möglich war. Nach Ansicht unseres Werkstattmeisters rührte das Problem aus der „abhanden gekommenen“ Synchronisation zwischen Schlüsselsender und ZV-Steuergerät her. Ein Fehler, der hin und wieder aus unerklärlichen Gründen bei diesem Fahrzeugtyp vorkam. Mit wenigen Handgriffen synchronisierte er den Handsender neu, allerdings ohne den gewünschten Erfolg.

Nun musste unser Servicetechniker ran: exakt nach Werksvorschrift nahm er die Neuprogrammierung der Anlage inklusive Anlernen aller vorhandenen Schlüssel vor. Sicherheitshalber fragte er noch die Messwerteblöcke der gesamten ZV ab und führte zusätzlich noch eine Stellglieddiagnose durch, bei der u.a. die Ansteuerung der verschiedenen Stellelemente, Kontaktschalter, Sensoren und das Signalhorn angesprochen wurden. Hierbei stellte er fest, dass in dem betreffenden Anzeigefeld für „Zündung aus“ noch eine permanente Restspannung von 2 V vom Steuergerät erkannt wurde. Dies führte dazu, dass die Funktion Funkfernbedienung nicht möglich war, weil vom Steuergerät ein steckender Zündschlüssel „erkannt“ wurde.

Aufgrund unserer Erfahrung kam als wahrscheinlichste Fehlerursache der Zündanlassschalter in Betracht. Wir bauten also das alte Zündkontaktteil aus und ersetzten es gegen ein neues. Bei der anschließenden Überprüfung mit dem Diagnosetester erzielte unser Servicetechniker den geforderten Wert „0 V“, was bedeutete, dass der Erkennungsschalter im neuen Kontaktteil ordnungsgemäß funktionierte. Damit war auch wieder funkferngesteuertes Auf- und Abschließen möglich. Doch leider nur für kurze Zeit.

Am nächsten Tag stand der Kunde mit der gleichen Beanstandung wieder in der Annahmehalle. Beim Einfahren in die Werkstatt fiel unserem Service-Techniker eher zufällig das aufwändige Zubehörradio auf, das der Kunde hatte nachträglich einbauen lassen. Da der Diagnosetester wieder die schon vom Vortag bekannten 2 V Spannung bei ausgeschalteter Zündung anzeigte, entfernten wir reihum alle möglichen Schaltkreise, die unmittelbar am Zündanlassschalter anliegen bzw. für die Steuerung der ZV relevant waren.

Erst beim Abklemmen des Radio-Anschlusses fiel der Spannungswert auf null. Somit war als Verursacher das Zubehörradiogerät ermittelt. Die genauere Überprüfung des Gerät ergab, dass nach Ausschalten der Zündung vom Gerät an einen Pin die ominöse 2-V-Restspannung angelegt wurde, über den Kabelstrang an den Zündanlassschalter geleitet wurde und dort die Störung der ZV hervorrief.

Weiter ergab die Überprüfung, dass der fahrzeugseitige Originalradiostecker zwar exakt in die Anschlussleiste des „Fremdradios“ passte, diese allerdings anders als bei den Werksradios codiert war. Nach dem ordnungsgemäßen Anklemmen des Radios (gemäß Bedienungsanleitung) von Dauerplus auf Klemme 15 war unser Problem behoben und unser Kunde wieder zufrieden gestellt. Die Lehre, die wir aus diesem „Fall“ gezogen haben: Bei dem heutigen Stand der Technik gilt ganz besonders: „Kleine Ursache – große Wirkung“. Aber auch: „Augen auf und Gehirn einschalten bei der Fehlersuche“.

Dieser Zu-Ende-denken-Fall ist in folgendem Buch erschienen:

Zu Ende denken… Band 2 – Knifflige Fälle aus dem Werkstattalltag

8. Auflage 2017, von Georg Blenk, 116 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 12,80 Euro

Hätten Sie die Lösung gewusst?

Das war ein Zu-Ende-denken-Fall – einer von vielen kniffligen Fällen aus dem Werkstattalltag.

Interessante Problemfälle gibt es sicher auch bei Ihnen. Schreiben Sie an torsten.schmidt@krafthand-medien.de oder rufen Sie an unter 08247 3007-72.

Jede veröffentlichte Einsendung wird mit 100 Euro honoriert.

Knifflige Werkstattfälle gibt es übrigens auch als Buch:

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