TÜV Süd: Normangaben bei Reichweiten von E-Cars nicht ausreichend

Im Härtetest: Zur Reichweitenermittlung von E-Fahrzeugen hat TÜV SÜD einen eigenen Standard entwickelt, der jetzt erstmals bei einem Vergleichstest der Fachzeitschrift „auto motor und sport“ eingesetzt wurde. Durchgeführt wurde der Test im TÜV SÜD Abgaslabor Heimsheim. Auf dem Prüfstand ist der Mitsubishi i-MIEV zu sehen. Bild: TÜV-Süd

Der TÜV-Süd hat einen Standard zur Reichweitenermittlung von Elektro-Fahrzeugen entwickelt. Der so genannte ‚E-Car Standard‘, basierend auf dem eigens entwickelten ‚TÜV Süd E-Car Cycle‘ (TSECC), wurde jetzt erstmals bei einem großen Vergleichstest eingesetzt.

Das Ergebnis des Vergleichstests, der in der aktuellen Ausgabe des Magazins ‚Auto-Motor und Sport‘ (Erscheinungstag: 16. Dezember) veröffentlicht wird, untermauert die Notwendigkeit, dass bei Elektro-Fahrzeugen mit ihren relativ geringen Reichweiten Normangaben vergleichbar den Verbrauchsangaben zu Benzinern nicht ausreichend sind. So lagen im Vergleichstest die Reichweiten bei Normbedingungen (23 Grad) und winterlichen Bedingungen (-7 Grad) um mehr als 50 Prozent auseinander.

Die anhaltend kontroverse Debatte um die Aussagekraft der Rekordfahrt von München nach Berlin eines auf Elektro-Antrieb umgerüsteten Audi A2 zeigt: Die Reichweite stellt einen entscheidenden Faktor für die Akzeptanz der Elektro-Fahrzeuge dar. In einer repräsentativen Befragung von TÜV Süd, vorgestellt bei der AMI 2009, hatten sich die Autofahrer grundsätzlich positiv zur Elektro-Mobilität geäußert, aber: 36 Prozent hatten ausgesagt, den Kauf eines Elektroauto nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der elektrische Antrieb eine Reichweite von 300 Kilometern gewähre, 23 Prozent hatten angegeben, keine Abstriche bei den Reichweiten gegenüber benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen zu akzeptieren.

Angesichts des aktuellen Entwicklungsstands bei den Batteriesystemen ist das in naher Zukunft nicht realistisch. So liegen die Reichweiten verfügbarer E-Fahrzeuge wie dem Mitsubishi i-MIEV nach Herstellerangaben bei etwa 140 Kilometern.

‚Angesichts der relativ geringen Reichweiten ist es von hoher Bedeutung, dass die Autofahrer ganz klar informiert werden, wie weit sie mit ihrem Elektroauto wirklich kommen. Und das nicht nur bei Sonnenschein und 23 Grad, sondern auch bei winterlichen Temperaturen oder wenn die Heizung im Fahrzeug zugeschaltet ist. Nur wenn die Autofahrer die Gewissheit haben, dass sie mit dem E-Fahrzeug ihr Ziel zuverlässig erreichen, werden sie die geringen Reichweiten akzeptieren“, betont Dr. Ralf Giere, Geschäftsführer der TÜV SÜD Automotive GmbH.

Starke Orientierung an realitätsnahen Bedingungen
Basierend auf der Erkenntnis über die hohe Bedeutung der Reichweite haben die TÜV Süd-Experten um Richard Trücher im Abgaslabor in Heimsheim jetzt einen Reichweitenstandard für E-Cars entwickelt. Wichtigste Maßgaben dabei: Fahrverhalten und gewählte Strecke müssen möglichst nah an der realen Nutzung der Fahrzeuge liegen – und Bestandteil des neuen Standards ist eine Messung der Reichweiten auch unter erschwerten Bedingungen, also bei niedrigen Temperaturen und bei Zuschaltung von Stromverbrauchern wie etwa der Heizung.

Auf Basis dieser Zielsetzung wurde der ‚TÜV Süd E-Car Cycle‘ entwickelt, der auf der Annahme einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern, 60 Minuten Fahrzeit und 60 Kilometern Distanz auf der Kombination Landstraße, Schnellstraße, Autobahn und Stadtverkehr beruht: ‚Bei der Festlegung des Zyklus haben wir uns an der wahrscheinlichsten Nutzung von Elektro-Fahrzeuge als Kurzstrecken- und Stadtauto orientiert. Zudem war uns eine sehr realitätsnahe Abbildung des Fahrverhaltens wichtig. Deshalb haben wir die Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde auch deutlich über den rund 34 Kilometern angesiedelt, die beispielsweise der NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) vorgibt‘, erklärt Richard Trücher, Leiter des TÜV Süd Abgaslabors. Zur praktischen Durchführung wurden zunächst Strecken mit dem erforderlichen Testprofil digitalisiert und auf dem Prüfstand unter exakt reproduzierbaren Bedingungen ausgefahren.

Witterungseinflüsse auf Reichweite fallen stärker als erwartet aus
Die spannendste Frage war allerdings: Welchen Einfluss würden veränderte Witterungsverhältnisse und die dadurch bedingte Zuschaltung zusätzlicher Verbraucher wie beispielsweise der Klimaanlage auf die Reichweite haben? Im TÜV Süd E-Car Standard wird die Frage beantwortet, in dem der definierte Zyklus bei winterlichen -7 Grad und bei laufender Klimaanlage herausgefahren wurde.

Die Ergebnisse sind dramatisch, wie der Vergleichstest zeigt, den das Fachmagazin auto motor und sport unter Anwendung des von TÜV Süd entwickelten Reichweitenstandards durchgeführt hat. Beispiel Mitsubishi i-MIEV:
Kommt der japanische Stromer auf Basis des nach ECE-R101 ermittelten und damit gesetzeskonformen Zyklus bei 23 Grad ohne zusätzliche Stromverbraucher auf 133 Kilometer Reichweite, sinkt die Reichweite bei Anwendung des TSECC (ebenfalls 23 Grad, aber höhere Geschwindigkeit) auf 113 Kilometer. Bei  -7 Grad und unter Zuschaltung von Stromverbrauchern bricht die Reichweite auf nur noch 64 Kilometer ein.

Aus den gefahrenen Zyklen ergibt sich für den Mitsubishi-Stromer nach dem TÜV SÜD E-Car Standard ein Mittelwert bei der Reichweite von 110 Kilometern: ‚Diese hilft einem Autofahrer aber nicht nur bedingt weiter. Über den TSECC wurde der Nachweis geliefert, dass Witterungsbedingungen und Zuschaltung von Stromverbrauchern einen enorm hohen Einfluss auf die Reichweite aktueller Elektro-Autos haben. Insofern ist es mit Blick auf die Bildung des Verbrauchervertrauens unseres Erachtens wichtig, dass in der frühen Phase des E-Autos die Autofahrer auch klar informiert werden, wie sich die Reichweite unter erschwerten, aber sehr realitätsnahen Bedingungen darstellt‘, unterstreicht Dr. Giere.

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