Krafthand-Online im Gespräch: Das Elektroauto ’smart fortwo electric drive‘

Der 'smart fortwo electric drive': Der 55kW-starke Elektromotor beschleunigt in 4,8 Sekunden von 0 auf 60 km/h und macht eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h. Bilder: Daimer

Daimler hat im Werk Hambach (Frankreich) die serienmäßige Produktion des Elektrofahrzeug ’smart fortwo electric drive‘ gestartet. Den Unternehmensangaben zufolge soll das Elektrofahrzeug das ‚vollelektrische Fahren für jedermann‘ ermöglichen. Krafthand-Online sprach mit dem Leiter der Entwicklung Elektrofahrzeuge für Mercedes-Benz und smart, Jürgen Schenk.

Krafthand-Online: Herr Schenk, wann werden Elektrofahrzeuge wirklich alltagstauglich für den normalen Autofahrer?

Jürgen Schenk: Unsere Elektrofahrzeuge – ob mit Batterie oder Brennstoffzelle – sind heute schon bereit für eine neue Mobiliätsära. Die Daimler AG leistet im Bereich Elektromobilität bereits seit vielen Jahren intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit. So hat das Unternehmen etwa in 1994 das erste mit Brennstoffzelle betriebene Elektrofahrzeug auf die Straße gebracht und diese Technologie über mehrere Generationen hinweg kontinuierlich weiterentwickelt. Heute befinden sich rund 200 B-Klasse F-CELL in Kundenhand, die auch mit einer Weltumrundung über mehr als 30.000 km den hohen Reifegrad der Brennstoffzellentechnologie erneut unter Beweis gestellt hat. Einen der ersten Flottentests batterieelektrischer Fahrzeuge hat Daimler mit der ersten Generation des smart fortwo electric drive in 2007 in London gestartet. Von der zweiten Generation gingen seit 2009 mehr als 2000 Einheiten in Kundenhand. Seit dem 11. Juni 2012 läuft im französischen Hambach die dritte Generation des Elektro-smart vom Band, die für jedermann in weltweit über 30 Märkten erhältlich ist. Mit der A-Klasse E-CELL, der B-Klasse F-CELL, dem Mercedes-Benz Vito E-CELL und dem smart fortwo electric drive ist Daimler der weltweit einzige Autohersteller, der bereits vier verschiedene Elektrofahrzeuge auf der Straße hat. Mit dem Citaro FuelCELL-Hybrid beweisen wir außerdem, dass die Elektrifizierung des Antriebsstrangs auch auf Busse anwendbar ist.

Krafthand-Online: Der smart fortwo electric drive ging als erstes Elektromodell von smart in Serie. Sind weitere Modellvarianten geplant?

Jürgen Schenk: Ja. Neben dem smart fortwo electric drive und dem smart ebike wird der escooter die smart-Elektromodellpalette erweitern. Auch von den nächsten Generation des smart wird es eine Elektroversion geben – sowohl als Zwei- als auch als Viersitzer.


Krafthand-Online: Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Elektromobilen in den nächsten Jahren?

Jürgen Schenk: Wir sind davon überzeugt, dass künftig verschiedene Antriebstechnologien nebeneinander existieren werden. Welche Wahl der Kunde letztendlich trifft, hängt sehr stark davon ab, wie und wofür er sein Fahrzeug nutzt.

Krafthand-Online: Was ist für welchen Kunden das Richtige?

Jürgen Schenk: Bewegt sich der Kunde hauptsächlich in der Stadt oder in Ballungsräumen, ist ein Elektroauto mit Batterie die ideale Wahl. Für Langstreckenfahrten dagegen sind Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle wegen ihrer hohen Reichweiten und kurzer Betankungszeiten sehr gut geeignet. Für uns ist klar, dass wir maßgeschneiderte Lösungen für eine nachhaltige Individualmobilität anbieten wollen und werden, die allen Kundebedürfnissen gerecht werden. Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis Elektrofahrzeuge unseren Alltag dominieren, denn die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen hängt von einer Reihe externer Rahmenbedingungen ab. Der Verbrennungsmotor wird noch einige Zeit das Rückgrat der individuellen Mobilität sein.
 
Krafthand-Online: Worin bestehen die Schwierigkeiten?

Jürgen Schenk: Wir stehen heute vor einem Mobilitätswandel und ein solcher geht weit über die Grenzen des Fahrzeugs hinaus. Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, Deutschland bis 2020 zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität zu machen, sind neben dem entsprechenden Angebot auf Fahrzeugseite auch die richtigen Rahmenbedingungen erforderlich. Dabei geht es vorrangig um den Aufbau einer flächendeckenden und grenzüberschreitenden entsprechenden Infrastruktur und der Bereitstellung von „grüner“ Energie. Aber auch die Marktnachfrage muss zu Beginn stimuliert werden. Wir sehen deshalb alle Verantwortlichen – sowohl aus Industrie als auch Politik – klar in der Pflicht, die erforderlichen Rahmenbedingungen und Anreize für die Elektromobilität zu schaffen.

Krafthand-Online: Eine Lithium-Ionen-Batterie für ein Elektroauto kostet heute je nach Größe mehrere Tausend Euro. Um gegenüber einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor wettbewerbsfähig zu werden, müssen die Kosten deutlich sinken. Sind Lösungen in Sicht?

Jürgen Schenk: Mit dem neuen smart fortwo electric drive machen wir im Vergleich zum Vorgängermodell einen deutlichen Schritt in die richtige Richtung. Nach wie vor ist aber die Stückzahl der entscheidende Faktor, wenn es um preiswerte Batterietechnologie geht. Wir abreiten daran mit Hochdruck. Mit unserem innovativen Vertriebskonzept machen wir E-Mobilität jedoch heute schon erschwinglich. So bieten wir etwa beim smart mit sale &care die Möglichkeit, das Fahrzeug für 18.910 Euro zu kaufen, leasen oder finanzieren und die Batterie zu einer monatlichen Gebühr von 65 Euro bis zu 10 Jahre zu mieten. Damit wird der Einstieg in die Mobilität bezahlbar und sorgenfrei. Die Energiekosten betragen nur 40 Prozent der Kosten eines mit konventionellem Kraftstoff angetriebenen Fahrzeugs. In vielen Ländern kommen dazu noch Förderungsprogramme und Steuervergünstigungen, oder der Wegfall von Einfahrtbeschränkungen und der City Maut. Außerdem gibt es teilweise große Mobilitätsvorteile, wie das Nutzen der Busspur und Ähnliches. Das alles rechnet sich für den Kunden. Bei Flottenkunden wie auch privaten Nutzern spielt bei der Kaufentscheidung zudem die Gewissheit eine Rolle, ein umweltverträgliches und hochinnovatives Fahrzeug zu fahren.

Krafthand-Online: Wie steht es um die Temperaturempfindlichkeit der Elektrobatterie?

Jürgen Schenk: Unser Energiemanagement stellt sicher, dass die Batterie im jeweils optimalen Betriebspunkt gehalten wird.

Krafthand-Online: Muss die Batterie trotzdem gekühlt werden?

Jürgen Schenk: Nur bei hohen Außentemperaturen und starkem Leistungsabruf.

Krafthand-Online: Wie wirken sich Temperaturempfindlichkeit und Kühlung auf die Lebensdauer aus?

Jürgen Schenk: Durch das gezielte Temperaturmanagement erreicht die Batterie eine Lebensdauer von rund 10 Jahren.

Krafthand-Online: Welche Lebensdauer garantieret Daimler für die Batterie?

Jürgen Schenk: Mit unserem sale&care-Modell wird dem smart fortwo electric drive-Kunden eine fest definierte Kapazität der Batterie von mindestens 80 Prozent über eine Laufzeit von rund 10 Jahren zugesichert.

Krafthand-Online: Wie lang müssen die Fahrzeugbatterien aufgeladen werden?

Jürgen Schenk: Der smart fortwo electric drive kann grundsätzlich an einer üblichen Haushalssteckdose geladen werden. Je nach Ladeinfrastruktur des jeweiligen Landes beträgt die Ladezeit von 0 auf 100 Prozent dann ca. 7h. Bei Ladung an einer Wallbox sind es sogar nur 6.

Für die Kunden, die eine kürzere Ladedauer benötigen, beispielsweise im Flottenbetrieb oder zu Hause, bieten wir eine optionale Schnellladefunktion an, die eine Vollladung innerhalb von weniger als 1 Stunde ermöglicht.

Krafthand-Online: Sind diese Zeiten nicht zu lang?

Unsere Begleitstudien zum smart fortwo electric drive in den letzten Jahren haben gezeigt, dass die meisten Kunden damit zufrieden sind, wenn sie quasi über Nacht laden können. Zudem kommt im Alltagsbetrieb eine vollständige Entladung der Batterie praktisch nicht vor. In der Regel laden die Kunden bei einem Ladezustand von rund 20 Prozent ihre Batterie wieder auf. Dann liegt die Ladedauer bei etwa 5 Stunden. Wer die Möglichkeit haben möchte, sein Fahrzeug schneller zu laden, kann sein Fahrzeug mit der Schnellladefunktion ausstatten lassen.

Krafthand-Online: Besteht noch Potential bei der Einsparung von Energie?

Jürgen Schenk: Auf jedem Fall. Wie das aussehen kann haben wir exemplarisch am smart forvision gezeigt. Durch gezielte Maßnahmen bei Effizienz, Leichtbau und Thermomanagement lässt sich durch den Einsatz verschiedener Technologien ein Reichweitengewinn von bis zu 20 Prozent erzielen.

Krafthand-Online: Wie hoch ist das Gesamtgewicht eines E-Smart verglichen mit einem herkömmlichen Smart mit Verbrennungsmotor?

Jürgen Schenk: Trotz der zusätzlichen Batteriekomponente ist der neue smart fortwo electric drive lediglich ca. 150 kg schwerer als ein vergleichbares Modell mit Verbrennungsmotor. Er bietet jedoch im Vergleich zu seinem Vorgänger noch mehr Fahrspaß und ist hinsichtlich Leistung vs. Gewicht Benchmark.

Krafthand-Online: Nimmt die Batterie den Insassen Platz weg?

Jürgen Schenk: Nein, nicht im Geringsten. Da der smart von Anfang an auch für eine elektrische Variante konzipiert war, konnte die Batterie platzsparend und crashsicher im Fahrzeugunterboden installiert werden. Das Raumangebot im Innen- und Kofferraum sind daher unverändert.


Krafthand-Online: Gibt es beim E-Smart größere Beschränkungen bei der Zuladung gegenüber einem Smart mit Verbrennungsmotor?

Jürgen Schenk: Die Zuladung ist um etwa 10 Prozent geringer. Das Fahrzeug wiegt etwa 900 kg und das zulässige Gesamtgewicht liegt bei rund 1150 kg.


Krafthand-Online: Was ist die Gesamtstrategie von smart/Daimler bei alternativen Antrieben?

Jürgen Schenk: Die Zukunft liegt definitiv in der Elektrifizierung des Antriebs, jedoch sind wir davon überzeugt, dass es künftig nicht die eine Technologie als Königsweg zur nachhaltigen Mobilität geben wird, sondern maßgeschneiderte Lösungen für alle Mobilitätsanforderungen. Dementsprechend verfolgen wir eine dreigliedrige Antriebsstrategie und setzen auf einen intelligenten Mix aus innovativen Verbrennungsmotoren, deren Hybridisierung sowie emissionsfreies Fahren mit Batterie- oder Brennstoffzelle. Wir sind am Anfang einer neuen Ära. Daher ist man gut beraten, sich alle Technologieoptionen offen zu halten.

Krafthand-Online: Gibt es ein flächendeckendes Wartungs- und Reparaturnetz, das auch die freien Werkstätten mit einbezieht?

Jürgen Schenk: Der smart fortwo electric drive kann in jedem smart center gewartet werden. Die Werkstattmitarbeiter und Techniker vor Ort sind optimal geschult und kennen sich mit dem Fahrzeug aus, um unseren Kunden den gewohnten hohen Standard anzubieten. Unsere Mitarbeiter in den Werkstätten haben zusätzlich zu den herkömmlichen Schulungen eine Hochvoltschulung und spezielle Kurse zum E-Antrieb erhalten.

Krafthand-Online: Herr Schenk, wir bedanken uns für das Gespräch.

Die Fragen stellte Ralf Lanzinger

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