Gewährleistungsrecht beim Gebrauchtwagenhandel birgt einige Risiken

Miteinander statt gegeneinander: Trotz gewisser Leitlinien in der Rechtsprechung kommt es beim Automobilkauf in erster Linie nicht auf das Recht an – selbst bei eindeutigen Fällen zugunsten des Kfz-Profis ist es ratsam, gemeinsam mit dem Kunden einen Kompromiss zu suchen. Bild: ProMotor

Die Rechtsprechung hat seit der Schuldrechtsreform das Gewährleistungsrecht mit neuen Gedanken angereichert – die alten Probleme sind allerdings geblieben: Die Fragen nach der Beschaffenheit des Fahrzeugs, der Unterscheidung zwischen Mangel und Verschleiß sind aktueller denn je – seit Fahrzeughändler ihre Gewährleistung nicht mehr vollständig ausschließen können.

In den letzten 15 Jahren wurde der Gebrauchtwagenmarkt zur Lebensader für das Geschäft mit den privaten Endkunden. Auch wenn momentan durch diverse Aktionen beispielsweise das Jahreswagensegment an Attraktivität zu verlieren scheint, wird für die Zukunft das Gebrauchtwagensegment weiter wachsen. Diese These beweist auch eine aktuelle Zahl des ZDK: Im April 2013 verzeichnete dieses Segment einen Anstieg um 11,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Damit haben sich die Befürchtungen diverser Kritiker, mit der Schuldrechtsreform (2002) komme der Gebrauchtwagenmarkt komplett zum Erliegen, bei Weitem nicht erfüllt. Lediglich die Strukturen wurden neu austariert. Während früher ältere Gebrauchtwagen den Hof eines Händlers ‚zierten’, sind es inzwischen Tageszulassungen, Jahres- oder ‚Jungwagen’, also Fahrzeuge, die nicht älter als 36 Monate sind.

Trotz dieses Strukturwandels haben die rechtlichen Themen, insbesondere die Fragen, die im Zusammenhang mit der Gewährleistung gestellt werden, nicht an Aktualität eingebüßt – mehr noch: Die zunehmende elektronische Modularisierung im Automobilbau und das Entwicklungs-‚Outsourcing’ haben dazu geführt, dass die Automobilhersteller immer häufiger zu Rückrufaktionen und Nachbesserungen gezwungen werden (Quelle: Spiegel-Online, 2012). Zudem scheint eine durch Medien und Fachpresse aufgeklärte Konsumentenschicht heranzureifen, die sich nicht davor scheut, den Gerichtsweg einem partnerschaftlichen Miteinander vorzuziehen, vor allem dann, wenn das Fahrzeug einen Mangel aufweisen könnte.

In den folgenden Abschnitten wird daher anhand diverser Verweise auf die aktuelle Rechtsprechung der Mangelbegriff erklärt sowie die damit zusammenhängenden Randbereiche (Verschleiß und Bagatellschäden) abgegrenzt.

Der Sachmangel
Die juristische Definition des Sachmangels ist der Theorie nach nicht kompliziert: Jegliche Abweichung der tatsächlichen (wirklichen) von der (im Vertrag) vereinbarten Beschaffenheit verstößt gegen die in § 433 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) niedergelegte Verpflichtung des Verkäufers, das Fahrzeug so auszuliefern, wie der Käufer ihn ausgesucht hat. Das heißt ferner auch, dass der Verkäufer jedes Risiko der Verschlechterung des Fahrzeugzustands bis zur Auslieferung beziehungsweise Übergabe zu verantworten hat. Grundlage für die Abweichung ist also grundsätzlich eine Vereinbarung der Parteien zur Beschaffenheit des ausgesuchten Fahrzeugs bei Vertragsabschluss.

Entscheidend ist insoweit, dass aus Sicht des Käufers der Verkäufer seinen Willen bekundet, für das Vorhandensein einer bestimmten Beschaffenheit einzustehen (OLG Brandenburg, Az.: 13 U 92/06). Bei Versteigerungen von Fahrzeugen auf sogenannten Verkaufsplattformen (eBay et cetera) sind die Angaben zum Fahrzeug bei Abschluss der Auktion für den Verkäufer bindend.

Die Beschaffenheit eines Fahrzeugs
Als Beschaffenheitsmerkmale kommen nicht nur natürliche Eigenschaften wie Qualität, Zustand, Leistung et cetera in Frage, sondern auch alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse – und somit die Inhalte aus Vereinbarungen zwischen den Personen. Das heißt beispielsweise, dass bei Kauf eines „Neuwagens“ (vertraglicher Inhalt) Kunden in der Regel davon ausgehen, dass der betreffende Wagen auch tatsächlich fabrikneu (natürliche Eigenschaft) ist.

Ab jetzt wird es kompliziert – denn was „fabrikneu“ wirklich aussagt, hängt von der Interpretation der Gerichte ab: Der Bundesgerichtshof beschreibt ein Fahrzeug dann als „fabrikneu“, wenn zwischen dessen Erwerb und Produktion bei bestehender Modellaktualität nicht mehr als zwölf Monate vergehen. Außerdem darf das Fahrzeug keine standzeitbedingten Mängel aufweisen (Az.: VIII ZR 227/02).

Damit sind auch Beschädigungen umfasst, die beim Transport oder durch die längere Standzeit hervorgerufen werden. Die Gerichte sind hier konsequent. Bei einem Neukauf kann der Kunde einen unbeschädigten Pkw erwarten, das heißt „nur ganz unerhebliche“ Einbußen (etwa Lackkratzer et cetera) müssen nicht offenbart werden (LG Gießen, Az.: 4 O 269/04, Nachbesserungskosten, in der Regel reine Oberflächenarbeiten: circa 330 Euro) und können vom Händler im Vorfeld stillschweigend ausgebessert werden.

Das LG Bonn (Az.: 3 O 372/05) geht einen Schritt weiter: Nicht nur Arbeiten des Händlers, welche die Schwelle der „Unerheblichkeit“ überschreiten, müssen mitgeteilt werden – selbst für Arbeiten des Herstellers zur Fehlerbehebung ist eine vollständige Transparenz angebracht, sofern diese Nachbesserungen die Schwelle der „Unerheblichkeit“ überschreiten.

Bei Gebrauchtfahrzeugen werden Einbußen unterhalb dieser magischen Grenze („Unerheblichkeitsschwelle“)– gemeinhin als Bagatellschaden bezeichnet – zusätzlich mit dem Begriff des „Unfallschadens“ in Verbindung gebracht. Beschädigungen von außen an Blech und Karosserie sind meistens durch einen Unfall verursacht worden – so die grundsätzliche Aussage. Insofern müssen Reparaturen, die auf solchen Ereignissen beruhen, dann offenbart werden, wenn sie nicht nur (!) „unerheblich“ auf die Wertentwicklung des Wagens Einfluss nehmen.

Angesichts des natürlichen Verschleißes nimmt der Wert eines Pkws ohnehin im Zeitablauf ab – was sich in einer größeren Toleranz im Hinblick auf die Mitteilungspflicht niederschlägt. Gleichwohl sieht das OLG Bamberg selbst bei einem viereinhalb Jahre alten Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von circa 80.000 km die Grenze bei 514 Euro erreicht (Oberflächenarbeiten wie Lackieren), welche noch für die Beseitigung von Bagatellschäden aufgewendet werden dürfen (OLG Bamberg, Az.: 8 U 166/10).

Zustandsberichte
Viele Händler beugen diversen Interpretationsschwächen im Rahmen der Beschaffenheitsvereinbarung durch sogenannte „Zustandsberichte“ vor, welche dem Vertrag beigelegt werden und so den Zustand des Fahrzeugs detaillierter beschreiben. Eine gewisse Aktualität wird allgemein erwartet, wobei einem Urteil des AG Potsdam zufolge ein Zeitraum von einem Monat zwischen Begutachtung (Zustandsbericht) und Vertragsabschluss dann als zu lang erscheint, wenn innerhalb dieses Zeitraums noch entsprechende Fahrzeugschäden möglich wären (Az.: 30 C 122/02) – etwa, weil der Altbesitzer das Fahrzeug nach Begutachtung noch weiternutzen darf.

Zwar mögen Zustandsberichte die Beschaffenheit eines Fahrzeugs genauer beschreiben, gleichwohl stellen diese Berichte nur eine Momentaufnahme dar, die altersbedingte Abnützungen nur bedingt wiedergibt (äußere Begutachtung). Deswegen sollen Verschleißerscheinungen grundsätzlich zulasten des Käufers gehen – mit seiner Entscheidung, einen Gebrauchtwagen zu erwerben, hat er gleichzeitig das Risiko für normale Verschleiß-, Abnutzungs- und Alterungserscheinungen übernommen.

Nichtsdestotrotz kann der Käufer nach Ansicht des OLG Hamm (Az.: I-28 U 15/10) grundsätzlich davon ausgehen, dass er mit dem erworbenen Fahrzeug auch zumindest für einen gewissen Zeitraum fahren kann. Eine sofortige Funktionsuntauglichkeit oder gar eine Verkehrsunsicherheit nach Kauf sprengen den Rahmen der Normalität und werden als Sachmangel qualifiziert. Zumindest muss der Händler auf stark verschlissene Bauteile hinweisen.

Normaler Verschleiß
Im gerichtlichen Verfahren stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach einem typischen Abnutzungsverlauf. Die Gerichte beantworten dies anhand eines Vergleichs des Zustands des jeweiligen Fahrzeugs mit solchen des entsprechenden Typs und Alters (OLG Bamberg, Az.: 8 U 68/00), wobei der Vergleich nicht auf Modelle der betroffenen Marke beschränkt bleibt (Globalvergleich, etwa OLG Düsseldorf, Az.: I 3 U 12/04; I 1 U 38/06).

Häufiger Streitpunkt sind Schäden am Motor durch den Riss des Zahnriemens (LG Gera, Az.: 1 S 428/08; LG Itzehoe, Az.: 6 O 523/02; AG Aachen, Az. 14 C 161/03), der bekannteste Fall der Bruch eines Dichtungsrings am Turbolader eines neun Jahre alten Fahrzeugs (BGH, VIII ZR 43/05).

Beweisantritt
Neben ungewissen Schadensursachen (Verschleiß oder Mangel) beschäftigen sich Gerichte noch häufiger mit Beweisfragen. Selbst die Schuldrechtsmodernisierung ließ den Grundsatz unangetastet, dass der Käufer den Nachweis erbringen muss, dass es sich bei seinem behaupteten Fehler um einen Mangel handelt (das sogenannte qualitative Moment des Mangels). Die für Endverbraucher in § 476 BGB niedergelegte Beweiserleichterung betrifft nach Ansicht der Rechtsprechung lediglich das zeitliche Moment des Mangels, nämlich den Zeitpunkt des Risikoübergangs auf den Verbraucher.

Denn: Innerhalb der ersten sechs Monate nach Fahrzeugübergabe wird vermutet, dass der nunmehr auftretende Mangel oder seine Ursachen bereits vor der Übergabe im Fahrzeug angelegt waren. Für sämtliche Risiken, die aus der Zeit vor der Fahrzeugübergabe herrühren, haftet grundsätzlich der Verkäufer (BGH, Az.: VIII ZR 329/03; OLG Frankfurt/M.; Az.: 13 U 164/06).  

Nichtsdestotrotz haben diverse Gerichtsentscheidungen dazu beigetragen, dass der zu Beginn dieses Abschnitts zitierte Grundsatz, nämlich die Beweiserfordernis der Qualität des Fehlers zugunsten des Verbrauchers immer stärker eingeschränkt wird. Beispielsweise können „Kulanzleistungen“, die der Händler anbietet, zu einem Eingeständnis und damit zur kompletten Umkehr der Beweislast zulasten des Händlers führen (BGH, Az.: I ZR 284/02). Der BGH geht davon aus, dass ein Händler, der Nachbesserung – selbst unter Vorbehalt der rechtlichen Qualifikation – anbietet, bereits von einer gewissen Mangelhaftigkeit des Gegenstands ausgeht. Um diesen Schein zu beseitigen, muss er das Gegenteil beweisen.

Im Unterschied dazu soll eine vorbehaltlose Begleichung einer Reparaturrechnung durch den Kunden allein kein Garant dafür sein, dass der Kunde die Reparatur als normale Instandsetzung akzeptiert hat und keine weitergehenden Gewährleistungsansprüche überprüfen wird (BGH, Az.: VIII ZR 265/07).

Fazit
Des Deutschen ‚liebstes Kind’ steht oft im Mittelpunkt gerichtlicher Auseinandersetzungen. In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber diverse europäische Vorgaben zum Verbraucherschutz umgesetzt. Diese Vorgaben haben sich auch in der Rechtsprechung niedergeschlagen. Deswegen ist es für den Kfz-Profi um so wichtiger, den außergerichtlichen Weg mit dem Kunden zu suchen, auch wenn es manchmal auf den ersten Blick ‚schmerzt’.

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