Streitpunkt Abnutzung: Rückabwicklung eines Gebrauchtwagengeschäfts

Anpassung: Auch beim Rücktritt vom Kaufvertrag gilt – die Nutzung ist zu vergüten, selbst bei einem Gebrauchtwagen. Allerdings muss die in Fachkreisen bekannte Formel modifiziert werden. Bild: Vollmann

Nach mehreren vergeblichen Nachbesserungen ist der Käufer auch eines Gebrauchtwagens berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Als Streitpunkt erweist sich häufig der wirtschaftliche Ausgleich für die Abnutzung des Fahrzeugs während der Vertragsdauer.

Der Spritpreis kennt nur eine Richtung – nämlich nach oben. Zwischen Dezember 2004 und März 2012 ist allein der Preis für Super-Benzin um circa 45 Prozent gestiegen. Alternative Antriebstechnologien, welche sowohl ökonomische als auch ökologische Aspekte des Individualverkehrs berücksichtigen, lassen noch auf sich warten. Nischenformen, wie etwa der Hybrid- oder sämtliche Gasantriebe, sollen lediglich die aktuelle Kostenbelastung des Autofahrers abmildern, als längerfristige Option kommen sie dagegen nicht in Frage. Insbesondere die in der Kfz-Branche beliebten Gasumrüstungen scheinen inzwischen ihren ‚Charme’ verloren zu haben, denn die Anpassung des Benzinmotors auf ein Gasgemisch verläuft – wie selbst die Rechtsprechung (unter anderem LG Leipzig, Az.: 4 O 3532/10; OLG Oldenburg, Az.: 13 U 59/11) zu diesem Thema belegt – nicht immer ohne Probleme.

Angesichts dieser Tatsache erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass der Käufer nach einigen – erfolglosen – Nachbesserungen im Rahmen der Gewährleistung den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Der Verkäufer mag dies noch akzeptieren, allerdings entsteht meistens der Streit über die Folgen des Rücktritts, insbesondere hinsichtlich der Nutzung des Fahrzeugs. Im Folgenden werden anhand eines fiktiven Beispiels die rechtlichen Folgen eines Rücktritts im Kaufrecht problematisiert.

Das gebrauchte Autogasfahrzeug
Kunde K kauft bei seinem Händler V nach einer ausgiebigen Probefahrt einen gebrauchten Kompaktwagen, der vor der Übergabe noch mit einer Autogasanlage ausgestattet wird. Bestandteil des Kaufvertrags sind neben den allgemeinen Daten (Baujahr 2008, bisherige Laufleistung: 85.000 km, Kaufpreis: 14.500 Euro, VIN et cetera) auch ein Zustandsbericht als Beschaffenheitsbeschreibung. K kann sein Altfahrzeug vor Abschluss des Kaufvertrags selbst absetzen. Bereits einige Zeit nach der Übergabe (06/2011) des Gas-Pkws treten erste Störungen an der Anlage auf.

Der Verkäufer wechselt daraufhin den Zylinderkopf und die Ventile, lässt die Injektoren vom Gasanlagenhersteller neu justieren und spielt eine neue Software auf. Für die Zeiten während der Reparaturen stehen dem Kunden jeweils kostenlos Leihfahrzeuge zur Verfügung. Der Kunde lässt seinerseits in einer anderen Werkstatt das Flexrohr am Auspuff ersetzen, kann aber weder die Notwendigkeit der Reparatur be-  noch eine entsprechende Rechnung vorlegen.

Nachdem der letzte Versuch, die Anlage zu einem störungsfreien Betrieb zu verhelfen gescheitert ist, erklärt der Kunde den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das Fahrzeug wird daraufhin begutachtet. Im Zustandsbericht ist sowohl von ‚Schäden’ (Kotflügeldelle, längere Kratzer bis tief in die Grundierung) als auch von ‚Gebrauchsspuren’ (abgefahrene Reifen, verschlissene Bremsklötze et cetera) die Rede.

Bei einem ersten Gespräch kommt zwischen dem Kunden und dem Verkäufer hinsichtlich der Fahrzeugnutzung keine Einigung zustande, der Kunde verlässt mit dem Fahrzeug den Hof. Erst nach einer schriftlichen Mahnung überlässt der Kunde den Wagen endgültig dem Verkäufer (Km-Stand: 111.950). Dieser hat sich nunmehr auf das Gespräch vorbereitet und erläutert dem Kunden seine Ergebnisse:

Rückgewährschuldverhältnis
V teilt mit dem Kunden K die Meinung, dass der Wagen von Anfang an mit einem Mangel behaftet war. Nach mehreren erfolglosen Nachbesserungsversuchen konnte er auch Kaufvertrag zurücktreten. Mit diesem Schritt wurde gemäß § 346 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis zwischen beiden Parteien begründet, dessen Ziel es ist, den ‚status quo ante‘ herzustellen, also denjenigen Zustand, der ohne das Geschäft vorliegen würde (vereinfacht gesagt der gleiche Gebrauchtwagen zum Zeitpunkt des Kaufs).

Da dieses Ziel nicht der Realität entspricht, versucht das Gesetz zumindest die Nachteile, die dem Autokauf anhaften, monetär auszugleichen. Das heißt, der Händler ist nicht verpflichtet, nach der Rückgabe des Fahrzeugs dem Kunden den ursprünglichen Kaufpreis vollständig zu erstatten, sondern darf ihn mit den ‚gezogenen Nutzungen’ und ‚Gebrauchsvorteilen’ verrechnen. In gleicher Weise steht grundsätzlich auch dem Käufer ein Ausgleich zu, sofern er das Fahrzeug während der Gebrauchszeit aufgewertet hat. Diese Vorgehensweise ist zudem mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar (EuGH, Rs.: Az. C-404/06).

K entgegnet V im Laufe des Gesprächs, dass er glücklicherweise sein Altfahrzeug noch vor Vertragsschluss selbst weiterveräußert hatte. Dem stimmt V erleichtert zu, denn ansonsten wäre V verpflichtet gewesen, K neben der in bar geleisteten Anzahlung den Altwagen zurückzugeben (BGH, Az.: VIII ZR 334/06, OLG Hamm, Az.: 28 U 17/08). Hätte er ihn bereits weiterveräußert, würde er K (gemäß § 346 BGB) zumindest einen Wertersatz in Höhe des Betrages schulden, zu dem das in Zahlung gegebene Auto auf den Kaufpreis angerechnet wurde, abzüglich der bereits erwähnten ‚Gebrauchsvorteile’.

Gebrauchsvorteile – Die Formel der Rechtsprechung
In der Regel bestimmt sich der ökonomische Wert dieser Vorteile aus der Dauer der Nutzbarkeit (BGH, Az.: VIII ZR 198/90). Dagegen wendet K ein, dass er – bedingt durch die Nachbesserungen – das Fahrzeug überhaupt nicht nutzen konnte. Demgegenüber entgegnet ihm V, dass zum einen für die Dauer der Reparaturen ohnehin ein Leihwagen zur Verfügung stand, zum anderen die Rechtsprechung (unter anderem OLG Koblenz, Az.: 6 U 574/08, mit weiteren Nachweisen) eine Formel heranzieht, die sich nicht an einer Zeitdimension orientiert, sondern an der Laufleistung.  Sie lautet:

Gebrauchsvorteil = (Bruttoverkaufspreis x zurückgelegte Fahrstrecke) / erwartete Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs 

Während die Rechtsprechung früher auf eine ‚Lebenserwartung’ von lediglich 100.000 km schloss, werden heute in der Regel 150.000 km angesetzt (OLG Nürnberg, Az.: 4 U 372/01; OLG Koblenz, Az. 6 U 574/08). Damit lässt sich die Formel vereinfachen, nämlich auf einen Rechenfaktor von 0,67 Prozent des Neuwerts des Fahrzeugs je 1000 km. Ein darüber hinaus gehender Abschlag ist nur möglich, wenn beispielsweise starke Gerüche, die aus der Klimaanlage stammen, zu Schleimhautreizungen führen. Ein starkes Ruckeln beim Beschleunigen führt im Übrigen nicht zu einer Einschränkung des Gebrauchs (OLG Hamm, Az.: I-28 U 22/10).

V stellt deswegen folgende Rechnung auf: 0,67 Prozent x 14.500 Euro x 26,950 [je 1000 km!] = circa 2.618 Euro. Damit ist K nicht zufrieden. Er argumentiert, dass heutzutage nicht mehr pauschal von einer Lebenserwartung von 150.000 km ausgegangen werden darf (BGH, Az.: VIII ZR 91/82).  Insbesondere Fahrzeuge der gehobenen Klasse oder Dieselfahrzeuge können Laufleistungen von 200.000 km (entspricht 0,5 Prozent des Neuwerts je 1000 km, OLG Stuttgart, Az.: 4 U 47/98; OLG Koblenz, Az.: 10 U 1393/97) und mehr (250.000 km, entspricht 0,4 Prozent des Neuwerts je 1000 km, OLG Hamm, Az. 27 U 152/96) erzielen. K kommt deswegen zu folgendem Ergebnis: 0,4 Prozent x 14.500 km x 26,950 = circa 1.563 Euro.
 

Modifikation bei Gebrauchtwagen
Dem widerspricht V, denn bisher wurde nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem mangelhaften Fahrzeug um einen Gebrauchtwagen handelt, der obendrein mit einer Autogasanlage versehen wurde. Die Rechtsprechung modifiziert infolgedessen die ursprüngliche Formel an zwei Stellen. Sie ersetzt den Neupreis mit dem konkreten Gebrauchtwagenpreis und die Gesamtfahrleistung mit der voraussichtlichen Restlaufleistung (unter anderem OLG Hamm, Az.: 28 U 131/10, I-28 U 131/10). Darüber hinaus endet bei einem Gasfahrzeug die Nutzungsdauer nach 200.000 km (OLG Hamm, Az.: 28 U 22/10). Vor diesem Hintergrund kommt V zu folgendem Ergebnis:
(14.500 Euro x 26.950 km) / (200.000 km – 85.000 km) = circa 3.398 Euro.

Beschädigungen und Wertverbesserung
Etwas überrascht wendet K ein, dass er das Flexrohr getauscht hätte. Dem entgegnet V, das Fahrzeug wiese mehr als die üblichen Gebrauchsspuren auf. Dies beweisen auch die jeweiligen Zustandsberichte, welche zu den jeweiligen Zeitpunkten (Übergabe und Rücknahme des Fahrzeugs) angefertigt wurden (Tipp: Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung erhöhen solche Berichte, erstellt durch unabhängige Sachverständige, die Beweiskraft der getroffenen Aussagen des Kfz-Profis).

Abnutzungen am Fahrzeug, die durch den sogenannten bestimmungsgemäßen Gebrauch entstanden sind, werden bereits durch den Gebrauchsvorteil vergütet. Was bestimmungsgemäß ist, entscheidet sich nach dem Zweck des dem Erwerb zugrundeliegenden Vertrags. Die übermäßig großen Kratzer, so V, werden im Rückabwicklungs-Zustandsbericht als Beschädigung erfasst. Eine entsprechende Reparatur wäre von K zu übernehmen. K allerdings meint dann, dass auch der Tausch des Flexrohrs zu vergüten sei.

Beide haben dem Grundsatz nach Recht. Nachdem die Kratzer nicht mehr vom „bestimmungsgemäßen Gebrauch“ gedeckt wären, könnten zumindest die entsprechenden Reparaturkosten als notwendige Verwendung angesetzt werden (OLG Hamm, Az.: 28 U 147/04; 2 U 220/06). Dessen ungeachtet kann dem Übergabe-Zustandsbericht kein Hinweis auf den nahen Verschleiß des Flexrohrs entnommen werden. Insofern könnte der Verkäufer durchaus daran zweifeln, ob ein Tausch des Rohres notwendig war.        

Angesichts dieser Risiken einigen sich beide Parteien schließlich auf 2.800 Euro und vereinbaren eine Vertragsaufhebung.

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