Euro-DFT gestartet: Wie steht es um die Zuverlässigkeit?

Bislang ist die Resonanz auf den Euro-DFT (links) gut. So berichtet der ZDK von bereits zahlreichen Bestellungen. Rechts: Prinzip zur Aktualisierung der Softwareversion. Quelle: ZDK

Der Verkauf des Euro-DFT ist vor über einem Monat gestartet. Rund 250 Teilnehmer aus der Kfz-Branche informierten sich bei der Auftaktveranstaltung in Würzburg über das Diagnose- und Programmierungswerkzeug für Euro-5- und Euro-6-Kraftfahrzeuge sowie das begleitende Schulungskonzept.

ZDK-Vizepräsident Wilhelm Hülsdonk zeigte sich zufrieden: ‚Wir alle hatten eine ambitionierte Vision, nämlich die markenübergreifende Diagnose- und Reparaturmöglichkeit mit der Software des jeweiligen Fahrzeugherstellers. Das ist unserer Meinung nach für die freie Mehrmarkenwerkstatt existenziell und für das fabrikatsgebundene Autohaus unabdingbar‘, betonte er.

Mit dem Euro-DFT sei ein System entstanden, das den Betrieben ermöglicht, nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch alle Arbeiten am Kraftfahrzeug nach Herstellervorgaben durchzuführen. Das Besondere: Euro-DFT verwendet die Originalsoftware der verschiedenen Hersteller.

Das Euro-DFT besteht aus einem PC-Endgerät (Business-Laptop) und einem Kommunikationsgerät (VCI). Der ZDK hat es in Kooperation mit ADIS-Technology entwickelt. Über einen Laptop lässt sich die Originalsoftware von aktuell zehn Pkw-Marken (Volkswagen-Konzern, Mercedes-Benz, Smart, BMW, Mini, Ford und Opel) zur ­Diagnose und Programmierung von Steuergeräten nutzen. Es ermöglicht den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen und bietet weitere Funktionen, wie zum Beispiel Eintragungen in das elektronische Wartungsheft. Das Euro-DFT deckt dabei sämtliche vorgeschriebenen Standards in der Kommunikation mit dem Kraftfahrzeug ab.

Um den Funktionsumfang zu erweitern, kann optional eine gängige Mehrmarkendiagnose installiert werden. Mitgliedsunternehmen der Kfz-Innungen erhalten einen Vorteilsrabatt auf das Euro-DFT. Der Vertrieb wird über ADIS-Technology abgewickelt. Interessierte können ab sofort unter www.eurodft.com ein Euro-DFT bestellen. Doch worauf ist in der Praxis beim Flashen konkret zu achten? Dazu stellte KRAFTHAND einige Fragen an Neofitos Arathymos, Geschäftsführer Technik, Sicherheit und Umwelt beim ZDK.

Herr Arathymos, gesetzt dem Fall: Die Werkstatt geht beim Flashen oder bei der Neuprogrammierung eines Steuergeräts zu 100 Prozent nach Herstellervorgaben vor. Trotzdem wird das Steuergerät ‚geschossen’. Wer haftet? Die Werkstatt oder der Fahrzeughersteller?
Im Rahmen der Euro-5- und Euro 6-Verordnung sind für die Programmierung von Steuergeräten bestimmte Rahmenbedingungen festgelegt worden: Kommunikationsstandards oder die Validierung von Kommunikationsgeräten (VCI). Damit sollen in der Vergangenheit aufgetretene Probleme minimiert werden. Beispielsweise wenn ein Steuergerät nach der Programmierung nicht mehr funktionierte.

Was heißt das konkret?
Moderne Steuergeräte haben einen grundlegend anderen Aufbau als ältere Steuergeräte. Früher wurde aus Mangel an Speicherplatz die Steuergerätesoftware direkt überschrieben. Bei Kommunikationsabbrüchen führte dies unmittelbar zu einer korrupten Software und damit zum Totalausfall. Heutige Steuergeräte sind in der Regel mit einem kleinen Startprogramm ausgestattet, dem sogenannten Bootloader. Dieser prüft vor dem eigentlichen Start des Steuergeräts, ob die Software intakt ist.

Ist dies nicht der Fall, springt das Steuergerät in den Programmiermodus und wartet auf die Programmierung. Dadurch werden Kommunikationsabbrüche abgefangen und das Steuergerät lässt sich erneut programmieren. Diese Punkte haben dazu geführt, dass bei den modernen Kraftfahrzeugen fast keine Steuergeräte mehr im Rahmen einer Programmierung ausfallen.

Es ist doch aber auch wichtig, dass Werkstätten zwingend Rahmenbedingungen einhalten, um Probleme bei der Programmierung zu vermeiden?
Ja. Im Besonderen sind hier zwei Punkte zu nennen. Erstens: Sie müssen Herstellersysteme verwenden. Dazu stellt der Fahrzeughersteller zur Programmierung von Steuergeräten über seine Webseite für den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen eine Software (OEM SW) und alle relevanten Steuergerätedaten bereit. Die Software des Herstellers muss auf einem PC oder Laptop ordnungsgemäß installiert werden. Auch der Softwaretreiber (VCI SW) des Kommunikationsgeräteherstellers muss auf diesen Geräten installiert sein. Dies ist notwendig, um die Kommunikation mit dem Kraftfahrzeug zu ermöglichen. Die Daten zur Aktualisierung der Softwareversion befinden sich grundsätzlich entweder auf der Webseite des Herstellers oder auf dem PC/Laptop (Anmerk. d. Red: die Abbildung oben stellt das Prinzip dar).

Beim Euro-DFT vollzieht sich die Programmierung der Steuergeräte im Fahrzeug ausschließlich mit der Webseite des Herstellers, der Software des Herstellers (OEM-SW) sowie den Daten des Herstellers.

Und was ist der zweite einzuhaltende Punkt?
Natürlich sind die Vorgaben des Herstellers zu beachten. Dazu zählen etwa, dass die Spannungsversorgung beim PC beziehungsweise Laptop sicherzustellen ist, da einige Programmierungen mehrere Stunden dauern können. Außerdem muss der Fahrzeug-Kommunikationsadapter (VCI) per Kabel an den Laptop angeschlossen werden. Bluetooth ist für eine Programmierung nicht erlaubt. Darüber hinaus sind alle elektronischen Verbindungen, zum Beispiel Diagnosestecker am Fahrzeug zum VCI und PC/Laptop, gegen Heraus- und Abfallen zu sichern. Weiterhin gilt: Bei der Programmierung muss ein geeignetes Batterie­ladegerät zum Einsatz kommen und es muss eine stabile Internetverbindung bestehen. Manche Hersteller schreiben eine kabelgebundene Internetanbindung des Laptops vor (Ethernet).

Überwacht der Fahrzeughersteller den Flashvorgang?
Der jeweilige Fahrzeughersteller überwacht via Logging und Monitoring den Prozess der Programmierung und kann meist feststellen, wenn die gemachten Vorgaben nicht eingehalten werden.

Klingt alles problemlos. Oder kann es dennoch zu Schwierigkeiten kommen, die vielleicht nicht die Werkstatt zu verantworten hat?
Sofern alle angesprochenen Punkte eingehalten werden, können im Rahmen der Programmierung bei Kraftfahrzeugen, die der Euro-5- und Euro-6-Verordnung entsprechen, eigentlich keine Probleme auftreten. Zur Information sei hier erwähnt, dass im Rahmen des Feldversuchs zum Euro-DFT bisher kein Steuergerät bei der Programmierung beschädigt worden ist.

Interessant ist die Frage nach der Haftung, sofern alle von mir erwähnten Rahmenbedingungen durch den Kfz-Betrieb eingehalten werden und trotzdem ein Defekt am Steuergerät während oder nach der Programmierung vorliegt. Es kann sich dann nur noch um ein Problem in der elektronischen Kommunikation zwischen den verschiedenen Softwareapplikationen handeln. Zum Beispiel Webseite, OEM-SW und VCI-SW bis hin zum Kraftfahrzeug. In solchen Fällen muss das Kommunikationsproblem genau eingegrenzt werden, um die Haftungsfrage zu klären. Allgemein kann entsprechend der farblichen Einteilung der Abbildung oben die Frage nach der Haftung beantwortet werden.

Wo liegt die Nachweispflicht? Bei der Werkstatt oder beim Fahrzeughersteller?
Basis der vorgenommenen Arbeiten ist der zwischen der Werkstatt und dem Kunden abgeschlossene Werkstattvertrag. Die Werkstatt schuldet dem Kunden daher eine ordnungsgemäße Erfüllung des Werkstattauftrags. Solange der Kunde eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung nicht vorbehaltlos als Erfüllung angenommen hat, also noch keine Abnahme im rechtlichen Sinne erfolgt ist, hat die Werkstatt die vertragsgemäße Ausführung der Arbeiten zu beweisen. Somit ist es Aufgabe der Werkstatt, den Sachverhalt aufzuklären und sich gegebenenfalls zu entlasten. Das Risiko der Unaufklärbarkeit der maßgeblichen Umstände trägt dann die Werkstatt, die den Werkstattauftrag des Kunden schließlich angenommen hat.

Etwaige Regressansprüche gegenüber dem Fahrzeughersteller bestehen nur, wenn die Werkstatt darlegen und gegebenenfalls beweisen kann, dass den Fahrzeughersteller ein Verschulden an dem durch die Programmierung aufgetretenen Defekt am Steuergerät trifft. Da sie auch in diesem Fall grundsätzlich die Beweislast trägt, geht das Risiko der Unaufklärbarkeit wiederum zu ihren Lasten. Es sei denn, es liegt ein Fall vor, in dem die Aufklärbarkeit einer Ursache ausschließlich dem Hersteller möglich ist – dann könnte unter bestimmten Voraussetzungen den Hersteller die sogenannte sekundäre Beweislast treffen. Die Bewertung dieser Frage ist unabhängig davon, ob eine freie oder markengebundene Werkstatt involviert ist.

Wenn ein Schaden aufgetreten ist: Wie kann die Werkstatt ihre Vorgehensweise nach Herstellervorgaben beweisen?
Wie bereits erwähnt, überwacht der Fahrzeughersteller den gesamten Prozess der Programmierung. Diese Informationen können genutzt werden, um auftretende Haftungsfragen zu klären. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, mit dem Euro-DFT den Prozess zu überwachen.

Wie sind das Flashen und die Neuprogrammierung zu dokumentieren und kann ein Arbeitsprotokoll helfen?
Alle Softwarelösungen der Fahrzeughersteller liefern nach Abschluss einer Tätigkeit (Anmerk. d. Red.: Diagnose, Programmierung etc.) ein Protokoll. Dieses Dokument dient vor allem zur Dokumentation der durchgeführten Arbeiten am Kraftfahrzeug.

Inzwischen sind mehrere Pass-Thru-Tools auf dem Markt erhältlich. Wenn diese vom jeweiligen Autobauer für das Flashen/Neuprogrammieren nicht freigegeben worden sind, kann der Autobauer im Schadensfall dann Garantieverpflichtungen verweigern?
Nach der Euro-5- und Euro-6-Verordnung muss der jeweilige Fahrzeughersteller eine Validierung anbieten. Das heißt, das Unternehmen entwickelt ein Kommunikationsgerät entsprechend den vorgeschriebenen Standards, zum Beispiel für den Bereich Pkw SAE J 2534, ISO 22900 und kann das Kommunikationsgerät zur Überprüfung dem Fahrzeughersteller geben. Der Fahrzeughersteller prüft unter anderem, ob die Kommunikation nach der ersten Abbildung funktioniert.

Dieses Vorgehen, also die Validierung beim Fahrzeughersteller, kann auch das Unternehmen selbst durchführen. Eine gesetzliche Verpflichtung gibt es nicht. Sofern beim Einsatz eines validierten Kommunikationsgeräts Probleme auftauchen, muss geklärt werden, in welchem Verantwortungsbereich diese liegen. Sofern das Problem beim Fahrzeughersteller liegt, muss dieser auch im Schadensfall für die zusätzlich entstandenen Kosten aufkommen.

Herr Arathymos, vielen Dank.

Die Fragen stellte Ralf Lanzinger.

Weitere Themen unter anderem aus den Bereichen Werkstattpraxis, Teile & Systeme, Automobiltechnik, Kfz-Branche und Unternehmenspraxis in der aktuellen KRAFTHAND.

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