Blick ins KRAFTHAND-Magazin: Wer haftet bei Dongles auf OBD-Schnittstellen?

Der Dongle wird auf die OBD-Schnittstelle aufgesetzt und kann über ein Smartphone Informationen für die Fehler- und Ferndiagnose an die Werkstatt übermitteln. Bild: Bosch

Die zunehmende Vernetzung eröffnet einen Milliardenmarkt – vor allem durch die Verbindung mit einer immer besseren Eigendiagnose an modernen Fahrzeugen. Wer als Erster weiß, dass ein Fahrzeug eine Wartung oder eine Reparatur braucht, ist auch der Erste, der dem Kunden ein Angebot machen kann. Diese Entwicklung wirft zugleich Fragen auf, vor allem bei der Produkthaftung und beim Datenschutz von Nachrüstdongles.

Mit dem Drivelog Connect hat Bosch im vergangenen Herbst einen OBD-Reader auf den Markt gebracht, der „jederzeit weiß, wie es dem Auto geht” (Eigenaussage). Laut Bosch warnt das System, sobald ein Pro­blem an einem diagnosefähigen Fahrzeugsystem auftritt. Es erinnert ebenso an anstehende Services und findet „verlässliche Werkstätten in der Nähe”, betont Bosch.

Das System lässt sich in drei Schritten relativ schnell installieren: 1. Die Drive­log-Connect-App kostenlos aufs Smartphone herunterladen, 2. den Drivelog Connector (Dongle) in die OBD-Buchse des Autos stecken und schließlich 3. das Smartphone über Bluetooth mit dem Connector verbinden.

OBD-Interface für Freie
Bosch ist nicht der einzige Anbieter eines OBD-Interface. Auch Anbieter wie Launch haben entsprechende Produkte auf den Markt gebracht. Momentan ist diese Technik aber noch nicht flächendeckend verbreitet. Doch wenn die technische Entwicklung ähnlich rasch voranschreitet wie bisher – und davon ist auszugehen, dann ist eine größere Verbreitung von solchen Telematiksystemen absehbar. Denn insbesondere die junge Generation schätzt die Vernetzung bei Autos zunehmend höher ein als Pferdestärken. Ebenso fest steht: Die Technik lässt sich auch für die Fehler- und Ferndiagnose nutzen. Bestimmte Servicearbeiten, zum Beispiel bei der Bremse, können so im Voraus prognostiziert werden.

Interessanter Nebenaspekt des OBD-Readers: Das Dongle ist eine Möglichkeit, eine gewisse Unabhängigkeit vom Hersteller zu wahren. Insbesondere dann, wenn diese sich weigern, die Daten auch freien Werkstätten vollumfänglich zur Verfügung zu stellen. Beim GVA-Kongress vergangenen Herbst wurde die Meinung geäußert, die Fahrzeughersteller nehmen zunehmend die Rolle eines Türstehers ein. Dieser entscheidet dann, wer an die Daten kommt oder nicht und zu welchen Bedingungen. Es wurden Zweifel laut, ob der Türsteher seine Rolle tatsächlich neutral ausfüllen werde.

Wer übernimmt die Haftung?
Aus diesen Gründen ist das Gerät insbesondere für freie Werkstätten interessant. Und wenn es dort angekommen ist, wirft die Neuentwicklung einige Fragen auf, vor allem im rechtlichen Bereich. Unter anderem: Wie steht es beispielsweise mit der Produkthaftung? Dazu ein Beispiel aus dem Werkstattalltag: Der Kunde beauftragt den Kfz-Betrieb, einen Dongle zwecks Datenübertragung auf die OBD-Schnittstelle zu montieren. Der aufgesetzte Dongle wirkt sich negativ auf die bestehenden Fahrzeug(assistenz)systeme aus, was durchaus realistisch ist. Es müssen nicht einmal sicherheitsrelevante Ausfälle sein. Beispielsweise könnte die Klimaanlage streiken. Um den Kunden zu verärgern, reicht es auch schon, wenn nur das Servicelicht aufleuchtet. In diesem Zusammenhang tun sich einige rechtliche Fragen auf. KRAFTHAND sprach hierzu mit Christoph Pitzer, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Osborne Clarke (Köln).

Herr Pitzer, eine wichtige Frage bei vernetzten Fahrzeugen ist die Produkthaftung. Angenommen, ein Kunde beauftragt die Werkstatt, einen Dongle zwecks Datenübertragung auf die OBD-Schnittstelle zu montieren: Wer haftet, wenn der Dongle bestehende Fahrzeug(assistenz)systeme negativ beeinflusst und infolgedessen Fehler auftreten? Haftet die Werkstatt, der Anbieter des Dongles oder der Fahrzeughersteller?
Der Hersteller des Dongles ist unter produkthaftungsrechtlichen Gesichtspunkten verantwortlich. Er haftet für Schäden an Personen und privat genutzten Sachen, die auf ein fehlerhaftes Dongle zurückzuführen sind. Von einem fehlerhaften Dongle ist auszugehen, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann – das ist der Fall, wenn das Dongle zu Fehlern bei den Fahrzeug(assistenz)systemen führt.

Eine Haftung der Werkstatt käme nur in Betracht, wenn sie von der Fehlerhaftigkeit des Mangels wusste oder hätte wissen müssen. Die Werkstatt hätte dem Kunden dann zum Kauf eines anderen Dongles raten können. Oder sie hätte ihn über die mit dem Dongle verbundenen Gefahren aufklären müssen.

Wo liegt die Nachweispflicht? Bei der Werkstatt oder beim Anbieter des Dongles?
Der Nachweis obliegt stets demjenigen, der den Schaden hat und den Anspruch geltend macht – das ist der Kunde.

Könnte auch eine Haftung des Fahrzeugherstellers infrage kommen?
Eine Haftung des Fahrzeugherstellers kommt in Frage, wenn dieser seine Produktbeobachtungspflicht verletzt hat. Ein Fahrzeughersteller ist verpflichtet, die von ihm hergestellten Fahrzeuge im Markt auf von ihnen ausgehende Gefahren zu beobachten. Diese Beobachtungspflicht umfasst auch das Zusammenwirken mit Fremdprodukten wie Dongles. Der Fahrzeughersteller würde haften, wenn er nicht angemessen vor der von den Dongles ausgehenden Gefahr gewarnt hat, sofern er diese Gefahr hätte erkennen können und müssen und wenn der Schaden durch die Warnung hätte verhindert werden können.

Ist der Kunde, wenn er die Werkstatt mit dem Einbau eines Dongles beauftragt, bereits automatisch mit der Datenübermittlung einverstanden?
Wenn ein Kunde sich für das Telematik­angebot eines Anbieters entscheidet, ist regelmäßig keine Einwilligung erforderlich, sofern der geschlossene Vertrag die Leistungen ausreichend klar beschreibt. Es muss dem Kunden also insbesondere klar sein, wer welche Daten zu welchem Zweck erhält und nutzt. Eine Einwilligung dürfte aber dann erforderlich werden, wenn nicht der Werkstattkunde selbst, sondern ein Dritter das so verdongelte Fahrzeug nutzt und für den Anbieter identifizierbar ist. Aufgrund der strengen Anforderungen des Datenschutzgesetzes müsste ein solcher Dritter, also etwa ein Familienmitglied, die Einwilligung dann persönlich und schriftlich abgeben.

Herr Pitzer, herzlichen Dank.

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